IV

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„Du bist ziemlich gut. Du haben bestimmt geübt." Sie packen gerade die letzten Sachen zusammen. Jakub nimmt das Federballset an sich und legt es sich an den Rücken an. „Bei dir, es haben deutlich mehr Spaß gemacht als mit ihm." Ein Kopfnicken zu Jevhen, welcher geduldig auf Jakub und Sarah wartet. „Schon schade, dass wir müssen wieder los. Ich werden sein gern länger geblieben." Kurz nach sieben. Mit der halben Stunde Rückfahrt wäre es halb acht. Ein winziger Zeitrahmen, in dem er den Plan ein letztes Mal durchspielen kann, ehe er losfährt. Um das letzte Kapitel zu schreiben. Allein der Gedanke jagt ihm unwohle Gefühle durch das Gemüt. Jakub kann es nicht einschätzen. Sich nichts vorstellen.

„Wir sind fast sechs Stunden dort gewesen. Irgendwann muss auch gut sein." Sarah fischt den Autoschlüssel aus der Tasche. Wenigstens kann sie wieder wie gewohnt gehen – im Eifer des Spiels hat sie eine Wurzel übersehen und hat an dieser ihren rechten Fuß umgeknickt. „Wobei ... Beim nächsten Mal könnte man dort einen kleinen Grillabend veranstalten. Es gibt genügend Ecken, wo man nicht gesehen wird." Jakub betrachtet den Autoschlüssel, den er selbst an sich genommen hat. „Bei Oliver ist die Luft 'raus. Irgendwann hätte er angefangen, mich zu fragen, wann wir wieder zurück können." Der Kleine spaziert neben Jakub. Seit sie den Platz verlassen haben, hat er kein Wort verloren. „Hm, so richtig geübt nicht. Ist das regelmäßige Spielen. Das Spielen macht den Meister." Sie lächelt etwas. „Ach, so schlecht hat er sich nicht angestellt. Es sah eher lustig aus, wie ihr gespielt habt."

„Sechs Stunden", wiederholt der Vierundzwanzigjährige ein wenig verblüfft und linst verstohlen zum goldenen Himmel empor. Die Sonne ist unlängst dabei, sich hinter die Wolken zu verziehen. Die Temperatur hat sich spürbar zum angenehmen gewendet. Es überrascht ihn minder, dass gerade jetzt viele Menschen unterwegs sind. „Fühlen sich gar nicht so an." Er hört, wie Oliver gähnt. „Können man wirklich machen. Der Sommer ist immerhin nicht mehr so lang." Jakub wirft Oliver einen flüchtigen Blick zu. „Dein Sohn sehen aus, als werden er gleich einschlafen."

„Das ist das Schönste am Sommer: Du verlierst das Zeitgefühl und kannst den lieben langen Tag nichts anderes machen, als am See zu liegen." Der Ton eignet sich eine liebevolle Note an. „Wenn er langsamer wird, werde ich ihn tragen."

„Eigentlich, ich können es jetzt auch machen." Ohne auf eine Antwort von ihr oder Oliver zu warten, hebt der Pole den Jungen hoch und drückt ihn behutsam an sich. „Du sollen dir aufheben Kräfte für nachher, kleiner Mann." Die Fingerspitzen wandern langsam über seinen Rücken. Oliver murmelt etwas und legt die Arme um seinen Nacken. Legt den Kopf auf die rechte Schulter. „Hey, einschlafen, du können später."

Sarah sieht ihn glücklich an.

„Weißt du, Oliver mag dich sehr", wechselt sie unangekündigt das Thema und klemmt eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. „Er hat dich in sein Herz geschlossen. Redet auch sehr häufig von dir. Und immer, wenn er das tut, könnte ich vor Glück platzen." Sarah lacht leise. „Na ja, du weißt, wie ich das meine." Olivers Atmung wird gleichmäßiger und ruhiger. „Er will am liebsten immer in deiner Nähe sein."

„Wirklich?" Jakub lächelt selbst.

„Ja, wirklich. Du bedeutest ihm sehr viel." Der kleine Wald lichtet sich. Ein weiteres Fahrzeug parkt bei ihren. Irgendein rostiger Corsa, dessen linken Außenspiegel man mit verstärktem Klebeband an das Fahrzeug angebracht hat. „Er hat keine Angst mehr vor dir. Nur deine drogenbedingten Ausraster ... Mit denen kommt er nicht ganz klar." Jevhen und Sasha haben den skurrilen Spiegel entdeckt und deuten amüsiert zu diesem. „Da würde ich mir wirklich wünschen, du bekommst sie ganz schnell in den Griff." Jevhen geht geradewegs auf den Corsa zu. „Sag' mal: Was hat er jetzt vor? Will er etwa dieses Auto aufknacken?"

Jakub weiß zunächst nicht, was er sagen soll. Sein Blick schweift lautlos über den inzwischen eingeschlafenen Oliver. Er bedeutet diesem kleinen Jungen sehr viel. Viel mehr, als er selbst sich vorstellt hat. Es rührt ihn zu Tränen. Jakub ist dennoch fähig, sie zurückzuhalten. Eine liebliche Woge durchstreift ihn und breitet sich aus. Das ist für mich keine Selbstverständlichkeit. Ich bin ihm wichtig. Jevhen lacht bei dem Anblick des Spiegels los. So wie er es für mich ist.

Ein Atemzug entfernt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt