Die Steine unter seinen Pfoten bohrten sich in sein Fleisch hinein, doch das kümmerte ihn nicht. Die Schmerzen in seinen Beinen waren nicht annähernd mit denen zu vergleichen, die er diesen Peinigern zufügen würde.
Die Sonne schien hell und klar über den Wald. Der Flusslauf, dem Jimin folgte, glitzerte in diesem strahlenden Licht. Jedoch hatte der Orangehaarige keine Zeit diesem Schauspiel seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er musste seinen Bruder finden.
Mit dem Auflodern seiner Macht kamen auch seine Erinnerungen zurück. Und er konnte sich an seine Eltern entsinnen.
Wie sie zusammen in ihrem kleinen Haus gelebt hatten, das umgeben war von Wiesen und Wälder. Wie Jihyun und er immer Verstecken gespielt haben. Wie sie alle zu Abend gegessen hatten. Wie sie glücklich waren.
Doch das hatte sich geändert. An diesem verfluchten Tag. Als er und sein Bruder entführt und ihre Eltern kaltblütig ermordet wurden.
Dafür würde er sich jetzt rächen.
Die Testanlage war in einen Berg gehauen. Ein großes eisernes Tor versperrte ihm den Weg. Das hinderte den jungen Wolf dennoch nicht am Betreten. Der Brunnen in seinem Inneren öffnete sich und entsandte einen Schwall gegen das Metall und es zerbarst in tausend Stücke. Jimin ging in Deckung, um keine unglücklichen Nebenwirkungen auf sich aufmerksam zu machen. Danach Schritt er in die Dunkelheit. Jetzt konnte er sich erinnern, warum er die Sonne so liebte. Hier unten gab es nämlich keine.
Mit einem Mal ging ein Alarm los. Und keine fünf Minuten später standen ihm fünf Männer gegenüber. Jeder hatte eine Waffe, welche auf ihn gerichtet war.
"Was willst du hier?", fragte einer der Männer im schwarzem Kittel.
Jimin grinste.
"Spielen."
Die Quelle in ihm brodelte. Wollte hinaus. Frei sein. Blut schmecken.
Jimin ermöglichte ihr das.
Während er Leiber zerriss und Gehirne von innen heraus zerfetzte, bahnte er sich einen Weg immer tiefer und tiefer in das Gemäuer. Die einzelnen Räume ließ er links liegen. Er wusste, was sich darin befand. Er konnte es fühlen. Die Folterinstrumente sangen hinter seinem Rücken, allerdings blickte der Orangehaarige nur geradeaus und folgte dem Gefühl, dass sein Bruder in der Nähe war. Die Wachen und Ärzte dieser Anstalt hatte Jimin längst ausgelöscht, somit hatte er freie Bahn. Aber die nächsten würden kommen.
Weit im Herzen des Berges fand er seinen Bruder. Er lag auf dem Boden über und über mit Blut besudelt und verlassen, als hätte man ihn vergessen. Der abgemagerte Oberkörper hob und senkte sich unregelmäßig. Sein Atem ging flach und langsam.
"Jihyun!", stieß Jimin aus und sank auf die Knie. Er hob den Oberkörper an und strich dem Verletzen die viel zu langen Haare aus dem Gesicht.
"Du.....du bist entkommen", krächzte er und lächelte schwach.
"Aber ich bin zurückgekommen, um dich zu retten", hauchte Jimin.
Seine Stimme war dünn und brüchig.
Doch sein Bruder schüttelte nur den Kopf. Der Orangehaarige verstand, worauf er hinaus wollte und weigerte sich das Hinzunehmen.
Er nahm die Hand seines Bruders.
"Ich werde dich mitnehmen. Wir werden es hier-", er kämpfte einen Schluchzer nieder und griff seine Worte wieder auf, "-hier raus schaffen. Du und Ich. Wie die letzten Male auch."
Jihyun schüttelte erneut den Kopf.
"Kämpfe, Chim. Kämpfe für den morgigen Tag. Für die kommenden Tage. Es tut mir leid, dass ich unser Versprechen-", der Braunhaarige spuckte Blut. "-dass ich es brechen werden. Das ich mit dir nicht das Meer sehen kann."
Die Schluchzer und Tränen bahnten sich ihren Weg an die Oberfläche. Und die salzige Flüssigkeit tropfte auf die abgetragene Kleidung des Jüngeren.
"Ich bin froh, dass ich dich meinen älteren Bruder nennen darf und dass du diese Hölle überlebt hast. Ich glaube, Mum und Dad wären stolz auf dich, Jimin. Genau wie ich es bin."
Jimin strich ihm über die Haare. Er spürte einen Druck auf seiner Brust, den er nicht zu ordnen konnte und er holte tief und stockend Luft.
"Geh nicht. Lass mich nicht allein. Lass mich hier nicht zurück."
Er würde zerbrechen ohne ihn. Mit diesen Erinnerungen würde er nicht fertig werden. Er war das Letzte, was er hatte.
"Eine Bitte habe ich noch."
Jimin merkte, wie sein Atem schwerer wurde. Er merkte, wie sein kleiner Bruder sich anstrengte.
Der Orangehaarige beugte sich vor.
"Alles, alles was du willst."
Eine kurze Pause entstand und der Ältere sah wie Jihyun mit sich kämpfte. Wie er um seine letzten Worte rang. Und es brach Jimin das Herz. Die braunen liebevollen Augen sahen den Wolf an.
"Mache dieses Land zu einem besseren Ort. Besser, als du es vorgefunden hast. Kämpfe für eine freiere Welt."
Dann hob sich seine Brust ein letztes Mal und Jimin begriff, dass das Herz seines Bruders aufgehört hatte zu schlagen. Dass in dieser Höhle des Brustkorbes kein Blut mehr pumpte und die Lungen keine Luft durchzog.
Jimin fing an zu schreien. Und die Macht in ihm ließ Fenster und Türen und Wände bersten. Zerstörte alles, was in diesem Labor existierte. Die Decke begann zu bröckeln.
Verschwinde!, flüsterte die Stimme.
Er nahm seinen Bruder auf den Arm und durchschritt die Dunkelheit.
Draußen entdeckte der Orangehaarige einen Geländewagen, legten seinen Bruder behutsam auf die Rückbank und versuchte anschließend das Auto zum Laufen zu bringen. Kein leichtes Unterfangen, da er keine Ahnung hatte, was er machen musste. Doch seine Kraft half ihm und er fuhr der Abenddämmerung entgegen. Der Mond und die Sterne erwachten langsam und von Weitem konnte er die Schule schon sehen, doch kein Funke der Freude erhellte sein Inneres. Nur das Becken in ihm rumorte wild. Er bog einige Kilometer vorher ab und ließ den Wagen zum Stillstand kommen. Die Lichtung, welche er befahren hatte, glänzte im Mondschein. Noch war der Mond nicht zu hoch, als das Jimin Mondbrand bekommen konnte. Er nahm den Leichnam von Jihyun und legte sie auf das grüne Gras. Er begann zu graben. Mit seinen bloßen Händen. Es war ihm egal, dass seine Nägel abbrachen und seine Fingerkuppen anfingen zu bluten. Es war ihm auch egal, dass der Mond mittlerweile direkt über seinem Körper schien und er die glühende Hitze auf seinem Rücken spürte. Für Jihyun war ihm alles egal. Er schwor sich, sie alle zu zerstören. Alle, die ihm und seinem Bruder das Leben zur Hölle gemacht hatten.
Als Jimin die Tiefe des Grabes sah, legte er Jihyun vorsichtig hinein. Er fühlte sich elendig, müde und leer. Das Einzige, was Jimin gerade noch am Leben hielt, war dieses Band, welches aufgeflackert war, nachdem er Jungkook nach seiner Verwandlung angesehen hatte. Er wusste, was das bedeutete, doch es war ihm gleichgültig.
"Ich glaube, unsere Zeit war nicht für die Ewigkeit vorgesehen. Aber ich bin dankbar für die Jahre, die wir zusammen verbringen konnten", flüsterte er mit heiser Stimme.
Wut loderte wieder auf, jedoch drückte er sie zurück. Er fragte sich, ob er überhaupt noch an der Schule willkommen war, ob sie ihn noch sehen wollten, nachdem er sich als Monster entpuppt hatte.
Der Orangehaarige drückte die Erde platt und ging einen Schritt zurück. Anschließend suchte er nach einem Stein. Blumen waren vergänglich, aber Steine würden für immer bleiben. Und das wünschte er seinem Bruder: Die Ewigkeit.
"Du warst immer der Stärkere von uns Beiden, weißt du. Du trugst diesen immerwährenden Sommer in dir, auch wenn der tiefste Winter herrschte."
Jimin vergoß Tränen, als er sich über das Grab beugte und den Stein in der Mitte platzierte. Er holte Luft.
"Möge dich die zweigesichtige Göttin auf deinem Pfad begleiten. Durch Wälder und Wüsten. Durch Kälte und Hitze. Durch Täler und Berge. Bis du im Land der lebenden Toten angekommen bist und nie wieder Schmerzen verspürst."_____________________________________________
Es ist mal wieder so weit!!!
Dieses Kapitel ging mir ehrlich gesagt, sehr leicht über die Finger, obwohl ich beinahe Tränen vergossen habe.
Manchmal neige ich zu einer Überempfindlichkeit, die es in sich hat xdFeel free to comment!
Erin🌸
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Moon Child [JiKook]
FanfictionIch bin geflohen, um dich zu finden -Jimin Und ich habe dich erwartet -Jungkook Werewolf AU Fantasy Boy x Boy