Manchmal ist es einfach das beste unsichtbar zu sein, einfach mit der Menge mit zu schwimmen, um nicht aufzufallen. Auch wenn es einem noch so schwer fällt. Denn nur weil man sich der Mehrheit anschließt, heißt das noch lange nicht, dass man die selben Ziele verfolgt. Es reicht so zu tun, als wär man ein Teil davon.
Der Alltag hat mich eingeholt. Tag für Tag versuche ich mich an zu passen. Jeden Tag der gleiche Ablauf.
Frühs, um genau zu sein 5 Uhr, darf ich mit allen anderen PA's zum Frühsport antreten. Je nach dem wie schlecht Mr. Jones gelaunt ist, müssen wir mal mehr und mal weniger machen.Leider ist er meistens schlecht gelaunt......
Danach geht's zum Frühstück. Mein Essen ist immer sehr nahrhaft und gesund, was ja an sich nicht schlecht ist, aber ab und zu hätte ich auch gerne mal einen Schokoriegel wie Ashley. Ich schätze mal sie passen die Nahrung so an, dass sie den körperlichen Zustand verbessert.
Ich mein Ashley ist wirklich extrem mager, sie wollen sie wahrscheinlich dazu bringen, etwas zu zunehmen. Und auch wenn ich mich nie als dick, bzw pumlig betrachtet habe, scheint es so, als hätte ich trotzdem ein paar Kilo verloren.
Ich hatte auch schon immer eine sehr athletische Figur, aber meine Muskeln sind definierter und meine kleinen Fettpölsterchen sind so gut wie weg. Zum Glück seh ich trotz der Muskeln noch fraulich aus, denn ich wollte noch nie zum Hulk mutieren.
Danach werden alle PA's hoch in ihre Zimmer gebracht. Erst 7Uhr müssen die 'Gelb T-Shirts' aufstehen und die in den Weißen, erst um 8Uhr. Sie müssen nicht so lange und so intensiven Frühsport machen, wie wir und können danach meistens raus auf den Hof, um dort ihre Freizeit zu verbringen.
Wir müssen 7 Uhr schon zum Unterricht antreten, um dann 14:15 Uhr an den Gruppen- oder Einzelgesprächen teilzunehmen.
Diese Sitzungen waren immer noch eines der schlimmsten Dinge. Immerhin muss man hier zu sehen, wie andere erniedrigt werden und sich immer mehr selbst verlieren. Deswegen kann ich mich in diesen Momenten nicht oft zurückhalten und versuche so gut wie möglich zu helfen.
Dafür werde ich dann natürlich wieder bestraft.
Ich habe bisher noch nie ein Wort über mich oder andere Mitglieder verloren.
Und ich habe auch nicht vor, dass in nächster Zeit zu ändern.Doch Mrs. Dearing hat mich schon öfters in Auge gefasst, aber nur in Einzelgesprächen hat sie versucht, mich zu einem 'Geständnis' zu bewegen. Wahrscheinlich hat sie die Befürchtung ich könnte es schaffen, dass bei den Gruppensitzungen alle auf sie los gehen.
Dafür hat sie sich in den Einzelgesprächen bei mir besonders viel Mühe gegeben.
Einen Tag saß ich z.B.von 17 Uhr bis Mitternacht festgebunden auf einem Stuhl und Mrs. Dearing hat darauf gewartet, bis ich mich ihr öffne.
Doch leider war das einzige, was über meine Lippen kam: "Müssen Sie sich nicht noch um andere Jugendliche kümmern?".
Darauf antwortete antwortete sie: "Ich bin nicht die einzige Psychologin, die hier arbeitet. Ich bin für die Problemfälle zuständig.".Ich wusste, dass wenn sie mich weiterhin im Visier hat, ich hier niemals rauskommen würde. Also nahm ich in einer der Einzelsitzungen meine schauspielerischen Talente zusammen und sagte:
"Ich weiß ich habe viele Fehler begangen und ich versuche mich zu bessern.... aber es ist nicht so einfach sich öffnen. Geben Sie mir einfach Zeit.".
Das war offensichtlich eine oskarreife Leistung, denn sie sah mich zwar mit einem mitfühlenden Blick an, aber ich konnte einen Moment in ihrem Gesicht ein triumphierendes Lächeln erkennen.
Ich dachte mir nur: 'Sie werden nicht mehr lange Lachen....', und grinste dabei in mich hinein.Seit dem erzählte ich ihr, in den Einzelgesprächen, immer mehr aus meinem Leben.
Oder zumindest aus dem, was sie für mein Leben halten sollte. Ich erfand Erlebnisse, Hobbys und Freunde, die es nie gab, um sie milde zu stimmen. Dabei versuchte ich natürlich das Ganze so zu gestalten, dass es mit den bisherigen Informationen, die sie über mich hat, zusammen passten. Und je mehr ich erzählte, desto mehr wurde meine Phantasie beflügelt und desto echter wirkte meine selbst erfundene Lebensgeschichte.Das beste war, sie glaubte jedes einzelne Wort.
Nach den Sitzungen dürfen wir Abendessen.
Danach fanden ab und zu Events, wie z.B. Sportturniere oder ähnliches statt.
Falls man dann nicht noch aus irgend einem unerfindlichen Grund heraus bestraft wird, muss man schlafen gehen.
Aber Darius und mich interessierte das herzlich wenig. Meistens setzen wir uns abends auf sein Bett und unterhalten uns über alles mögliche.
Was wir am Tag erlebt hatte, wie wir die Erwachsenen mal wieder getäuscht hatten und vor allem wie wir hier raus kommen.
Das Gute war, falls einer der Erwachsenen zur Nachtruhekontrolle herein kommen sollte, tut Darius so als würde er schlafen und ich verstecke mich schnell unter dem Bett. Denn wir richteten mein Bett immer so her, dass es in dem gedimten Licht der Taschenlampe, so aussah als würde ich darin liegen.
Darius ist, neben Finn, zu einem meiner besten Freunde geworden. Mit ihm ist der Horror hier erträglicher, wir lachen ab und zu, natürlichen passen wir auf nicht zu laut zu sein, um uns nicht zu verraten.
Ich kannte ihn mittlerweile sehr gut und er mich ebenfalls. Ich weiß, dass er ein guter Mensch ist und das alles nicht verdient hat.
Und das motiviert mich natürlich umso mehr, mit ihm und Finn hier endlich auszubrechen.Aber ich musste mich auch immer wieder dazu ermahnen, nichts zu überstürzen, denn eine Flucht von diesem Ort bedarf guter Vorbereitung.
Bei diesem Gedanken schlafe ich meist, mit einem Lächeln, ein.
Unter anderem das verleiht mir die Kraft, frühs immer wieder aufzustehen, um diesen furchtbaren Alltag von neuem entgegen zu treten.
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Boot Camp 2.0
ActionWomit habe ich das nur verdient? Womit nur? Das Einzige was ich getan habe, war ihm zu helfen und meine Zukunft selbst bestimmen zu wollen. Was ist also verdammt nochmal so falsch daran?????? Was soll ich jetzt bloß machen?! Ich bin hier gefangen an...