Pov. Elaisa
Ich stehe vor dem riesigen Spiegel und beobachte Lucie, die um mich herum springt und mich zurechtmacht. Nachdem ich der Wanne entstiegen bin, trage ich nun ein weißes Kleid, das mir bis zu der Wade reicht. Das Kleid ist zudem verziert mit vielen, lilanen Schnörkeln. Lucie zaubert mir eine zauberhafte Hochsteckfrisur, wobei ich mich immer frage, ob das nötig ist. Wer soll mich denn so sehen? Mein Mate bestimmt nicht, so viel ist sicher. Ich steige in die Schuhe und öffne die Tür. Dort erwartet mich Julian, der sofort Haltung annimmt und mir einen Arm bereithält, in den ich mich einhacke. Ich winke Lucie und bedanke mich für das Kleid, das sie mir genäht hat. Julian geleitet mich in das Esszimmer, das größer ist als drei Gemächer zusammen. Kopfschüttelnd nähere ich mich dem Tisch und Julian, ganz der Gentleman, zieht den Stuhl zurück, damit ich mich setzen kann. ,,Danke sehr, Julian", bedanke ich mich höflich. ,,Prinzessin", er verbeugt sich und deutet an zu gehen, doch ich halte ihn zurück. ,,Julian. Wenn ihr etwas für mich tun könntet?" Sofort kommt er zurück und sieht mich fragend an. ,,Gewiss, Prinzessin." ,,Besorgt mir doch bitte ein neues Gedichtsbuch, ich habe das andere bereits gelesen. Wärt ihr so freundlich?" ,,Selbstverständlich. Ich reite sofort los, damit ihr es noch vor der Mittagsstunde bekommt." Ich lächle ihn an und er macht sich auf den Weg. Er besorgt mir regelmäßig Gedichtsbände, da ich es geliebt habe, mit meiner Mutter solche zu lesen. Mein Vater betritt den Saal und küsst mich auf den Scheitel. ,,Du siehst bezaubernd aus, Elaisa. Der Bote müsste bald eintreffen, dann erhalten wir sicher Nachricht von Landon. Ihr könnt auftragen", gibt er der Dienerschaft bekannt und augenblicklich betreten die Mägde den Raum. Mein Vater lässt sich mir gegenüber nieder und wir beide fangen an zu essen. Nach zehn Minuten wird plötzlich die Tür aufgerissen und der Bote, Henrik, stolpert in den Raum. Mein Vater und ich erheben uns, denn der Bote sieht völlig erschöpft aus. ,,Eure Majestäten", keucht er und verbeugt sich hustend. Schnell nehme ich mir einen Stuhl und deute ihm an, sich zu setzen. Henrik nimmt Platz und versucht sich zu beruhigen. ,,Was gibt es, Henrik? Hast du Nachricht von Prinz Landon?", fragt ihn mein Vater unverblümt. ,,Vater", sage ich empört, doch Henrik hebt die Hand. ,,Alles gut, Prinzessin. Sorgen Sie sich nicht." Das tue ich aber. Henrik ist schon sehr alt und gebrechlich. Er erinnert mich eher an einen gutmütigen Opa, nicht an einen Boten. Sein Gesicht nimmt langsam eine gesunde Hautfarbe an und er beginnt zu sprechen: ,,Prinz Landon ist an die Grenze geritten, um die Streitigkeiten zu regeln. Es handelte sich im Nachhinein auch nur um einen belanglosen Zwischenfall." Ich atme erleichtert aus, bis ich den Blick meines Vaters bemerke. ,,Was ist dort passiert, Henrik?", fragt er mit zusammengebissenen Zähnen und Henrik hebt den Blick. ,,Dort angekommen ist der Prinz einer jungen Frau begegnet, die im Shadow-Pack lebt. Er behauptete, sie seie seine Mate und hat einen Aufstand angezettelt, da das Shadow-Pack sie sind herausgeben wollte. Die Lage ist sehr angespannt und der König hat angeordnet, das die Familie des Betas anreist, um mit dem Prinzen zu sprechen und ihn zu beruhigen." Ich habe nicht bemerkt, das ich die Luft anhalte, bis ich kurz schwarz sehe. Mein Bruder hat seine Mate gefunden? Eine vom Shadow-Pack? Das ist furchtbar! So eine Situation ist zum Glück nicht die letzten Jahre passiert, den das bedeutet nichts gutes. Genau dasselbe sehe ich im Gesicht meines Vaters. Seine Hände sind zu Fäusten geballt und er atmet hektisch. Im nächsten Moment schlägt er gegen die Wand, die unter seiner Werwolfskraft ein Loch preisgibt. Ich greife nach seinen Händen und rede auf ihn ein. ,,Es muss dafür doch eine Lösung geben, nicht wahr? Etwas zu zerstören, wird das Problem nicht lösen und Landon braucht unsere Hilfe. Hörst du? Landon wird noch völlig durchdrehen ohne seine Mate, verstehst du?" Mein Vater sieht mich stumm an und Tränen glitzern in seinen Augen. ,,Das hätte deine Mutter auch gesagt." Betroffen senke ich den Blick und bleibe still. Er streckt sich und überlegt. ,,Sicher gibt es eine Lösung. Ich werde zur Grenze reiten und mit meinem Sohn sprechen. Bereitet alles vor." Mein Vater spricht mit den wenigen Angestellten, die durch den Knall angerannt kamen. Doch Henrik schüttelt den Kopf. ,,Alpha Moon hat befohlen, dass die gesamte Betafamilie erscheint, falls Sie es nicht schaffen. Deshalb soll auch Prinzessin Elaisa erscheinen." Ich keuche auf und sehe ihn an, als wäre er verrückt geworden. Vielleicht ist er das ja auch, seine Arbeit ist sehr anstrengend. Beinahe hätte ich gequält gelacht. Mein Vater würde mich niemals mitnehmen, Befehl hin oder her. Doch als ich in sein Gesicht sehe, bemerke ich einen Sinneswandel. ,,Elaisa, du hattest schon immer einen großen Einfluss auf ihn, vielleicht wäre das wirklich das Beste. Aber du bleibst immer bei mir, verstanden? Ich will nicht, dass dir etwas passiert, vor allem weil wir so nahe an der Grenze sind." Ich starre ihn sprachlos mit offenem Mund an und nicke dann perplex. Er meint das ernst. Leichte Vorfreude gepaart mit Angst macht sich in mir breit und ich bin neugierig. Ich darf hier raus, was mag bloß alles da draußen sein? ,,Gut, dann planen wir unsere Abreise. In vier Stunden geht es los." Schnell umarme ich ihn und sprinte nicht unbedingt damenhaft die Treppe zu meinem Gemach hoch. Dort reiße ich die Tür auf und Lucie sieht aufgeschreckt auf. Sie sitzt auf einem Holzstuhl und näht an einem neuen Kleid. ,,Du bist schon fertig? Das ging aber schnell", bemerkt sie überrascht, doch ich ziehe sie wortlos hoch und umarme sie überfordert. ,,Elaisa?", fragt sie nun besorgt und ich sehe sie an. ,,Mein Bruder hat seine Mate gefunden", erkläre ich nervös. Lucie strahlt. ,,Das ist ja großartig! Wann kommt er den mit ihr hierher? Kommen sie bald? Oje, dann muss ich ja noch so viel vorbereiten", sagt sie und will gehen, doch ich halte sie zurück. ,,Er kommt nicht hierher." Lucie sieht mich verständnislos an. ,,Warum denn nicht?" Ich atme kurz durch. ,,Sie ist eine vom Shadow-Pack, Lucie." Lucies Augen werden immer größer und sie greift sich an die Brust. Selbst sie als Mensch weiß, was das bedeutet. ,,Mein Vater reist in vier Stunden ab, um das zu klären. Du weißt sicher wie aufgewühlt alle sind." Verständnisvoll nickt sie und versucht das Gehörte zu verarbeiten. Ich bereite mich still auf ihre Reaktion vor. ,,Und falls mein Vater scheitern sollte, soll ich es versuchen. Deshalb nimmt er mich mit zur Grenze." Mir bleibt kaum Zeit zu Ende zu sprechen, da krallt sich Lucie schon in meine Schultern. ,,Du verreist?! Das ich das Mal erlebe! Vielleicht begegnest du ja deinem Mate, kann ja sein! Das muss Schicksal sein!" Lachend schüttele ich den Kopf. ,,Vorrangig bin ich dort, um meinen Bruder zu unterstützen. Das hat oberste Priorität", gebe ich zu Bedenken und einen Moment später rennt Lucie durch das Zimmer und fängt an zu packen. Dann blickt sie auf das Kleid und beißt sich auf die Lippe. ,,Das muss ich noch fertig bekommen. Vier Stunden, sagst du? Das kriege ich hin." Fast vier Stunden später hat sie es tatsächlich geschafft und ich bin begeistert. ,,Danke Lucie, das bedeutet mir sehr viel." Ich umarme sie fest, als es an der Tür klopft. ,,Prinzessin, die Kutsche steht bereit", vernehme ich die Stimme einer Wache. ,,Einen Moment, bitte", rufe ich zurück und lege das Kleid in den Koffer. Lucie und ich fallen uns halb schluchzend in die Arme. ,,Erzähl mir alles, wenn du wieder da bist, hörst du?" Ich nicke wild und sage lächelnd: ,,Versprich du mir, das du mit Julian sprichst." Gerade will sie protestieren, als ich sie unterbreche. ,,Nur normale Konversation. Keine Liebesschwüre oder intellektuelles Gerede, einfach bei Null anfangen. Versprochen? Wenn ich wieder hier bin, will ich Fortschritte sehen", deute ich mit erhobenen Zeigefinger an und Lucie nickt mit feuchten Augen. ,,In Ordnung, dann los." Ich öffne die Tür und zwei Wachen kommen herein, um die Koffer zu holen. Als ich wenige Minuten später am Eingang ankomme, bemerke ich, das ein schwarzer Hengst auf das Haus zugeritten kommt. Julian springt von Pferd und sieht sich verwirrt um. Er kommt auf mich zu und hebt die Augenbraue. ,,Prinzessin? Was ist hier los?" Ich seufze. ,,Julian, mein Bruder hat seine Mate an der Grenze gefunden, aber das Ganze ist eskaliert und jetzt müssen mein Vater und ich zu ihm, um ihn zu beruhigen." Julian nickt langsam, bis er die Augen aufreißt. ,,Er hat seine Mate an der Grenze gefunden? Dann ist sie..." ,,Ja, sie ist vom Shadow-Pack und mein Bruder wird noch verrückt, da sie sie ihm vorenthalten. Halten Sie hier die Stellung und kümmern Sie sich um meine Zofe, ohne mich verkommt sie sonst noch." Julian deutet ein Lächeln an und überreicht mir das Gedichtsbuch aus der Stadt. Ehrfürchtig nehme ich es entgegen und danke ihm tausendmal. Mein Vater erscheint neben uns. ,,Sir Julian, bleiben Sie hier und verwalten Sie die Geschäfte, solange ich weg bin. Ich weiß, dass Sie das können." Julian nickt und verabschiedet sich von uns. Viele Angestellte wünschen uns eine gute Reise und ich steige in die Kutsche ein. Die Reiter platzieren sich neben uns und ich sehe ein letztes Mal aus dem Fenster. Lucie, Julian und weitere Angestellte stehen auf der Treppe und winken uns hinterher, als sich die Kutsche in Bewegung setzt. Mein Vater sitzt mir gegenüber und lächelt mich an. ,,Hoffen wir, das alles gut geht. Es ist schon lange nicht mehr zu einer solchen Situation gekommen. Beten wir, das dein Bruder sich noch kontrollieren kann." Ich sehe aus dem Fenster und hänge meinen Gedanken nach. ,,Aber was, wenn sie Landons Mate nicht hergeben? Sie ist doch seine Mate und dann wird er völlig verrückt und macht Dummheiten." Mein Vater nickt, aber merkt dann an:
,,Selbstverständlich, aber sie ist seine Mate, weshalb auch sie verrückt werden würde. Im Grunde haben sie keine andere Wahl. Außerdem", er streicht seine Haare beiseite, ,,würde kein Werwolf dieser Welt einen anderen Werwolf von dessen Mate fernhalten. Die beiden gehören zusammen, da kann man nichts machen. Auch wenn es schmerzt, werden sie nachgeben müssen. Andernfalls lassen wir zwei seelenlose Hüllen zurück und ich bin mir sicher, dass selbst ein Rudel wie das Shadow-Pack, das Beste für ihre Mitglieder will." Verstehend nicke ich und öffne das Gedichtsbuch, das mir Julian überreicht hatte. Mein Vater bemerkt es wehmütig. ,,Du bist genau wie deine Mutter. Sie hat es geliebt zu lesen. Sie hat Landon und dir immer ein Gedicht vor dem Schlafengehen vorgelesen, nicht? Ich weiß, das du das auch bei ihm machst, wenn er nicht schlafen kann." Mit großen Augen sehe ich ihn an, denn das ist eigentlich ein Geheimnis zwischen meinem Bruder und mir gewesen. Doch mein Vater lacht nur über meinen Gesichtsausdruck und tippt mir auf die Nasenspitze. ,,Wie lange werden wir brauchen bis zur Grenze?", frage ich neugierig und sehe aus dem Fenster. Mein Vater denkt nach. ,,Sechs Stunden, wenn es hochkommt." Ich wundere mich nicht, dass die Wachen nicht als Werwölfe neben uns hergehen. Im Moon-Pack verwandelt man sich nur im Notfall, beim Training oder in der Vollmondnacht, die einmal im Monat stattfindet. Ich selbst kann mich als Mischling nicht verwandeln, weshalb ich oftmals traurig darüber bin, in dieser wichtigen Hinsicht, ein Außenseiter zu sein. Mein Vater hat sich vor drei Jahren das letzte Mal vor meinen Augen verwandelt, ansonsten tut er das nur hinter verschlossener Tür in der Vollmondnacht. Das Shadow-Pack dagegen läuft anscheinend gerne in der Wolfsform durch die Gegend, vor allem um ihre Macht zu demonstrieren. Bei uns leben jedoch auch mehr Menschen, die nichts von Werwölfen wissen, weswegen wir noch vorsichtiger sein müssen. ,,Lese mir doch etwas vor, Elaisa. Das hast du lange nicht mehr getan", reißt mich mein Vater aus meinen Gedanken und lächelt tue ich ihm den Gefallen.
Alles wird sich ändern.
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You will forever be my always
WerewolfUnter den Menschen leben übernatürliche Wesen, darunter Werwölfe und sogenannte Mischlinge. Zwei große Rudel beherrschen diese Welt, das Shadow-Pack und das Moon-Pack und diese beiden sind bis auf das Blut miteinander verfeindet, bis eine schicksalh...