14. Kapitel

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Pov. Elaisa

Meine feuchten Haare fallen mir über die Schultern und ich trage die übergroße Jacke von Derek, in die ich mich reinkuschle. Derek schenkt mir ein Lächeln und reitet vor, als das Schloss in Sichtweite ist. Nachdenklich betrachte ich seinen Rücken. Ich habe ihn zum ersten Mal Derek genannt und er mich Elaisa. Schmetterlinge flattern durch meinen Bauch, wenn ich auch nur an die vielen Küsse denke. Er ist mein Kuss und obwohl es unwahrscheinlich ist, dass er mein Mate ist, bin ich froh, dass ich das erste Mal ihn geküsst habe. Derek ist so fürsorglich und hat alles dafür getan, damit ich mich sicher und unbedrängt fühle. Wenn das Lucie wusste, sie würde Luftsprünge machen. Denke ich. Schließlich ist er im Grunde der Feind, was das ganze noch aufregender macht. Mit deutlichen Herzaugen starre ich ihm nach, als er in den Stall reitet und ich folge ihm. Er steigt von seinem Pferd, führt es in die entsprechende Box und tritt neben mich. Lachend lasse ich mich in seine Arme fallen, die er mir hinhält und auch ihm entfährt ein Lachen. Hand in Hand spazieren wir in das Schloss, immer auf der Hut vor den Bediensteten, deren Neugier auf Klatsch ich im Moment nicht ertragen kann. Wir befreien uns von unseren matschigen Schuhen und schleudern sie in eine Ecke. Derek zieht mich in eine dunkle Nische, als Wachen an uns vorbeimarschieren. Wie Schulkinder kichernd umarmen und küssen wir uns in der Dunkelheit. Als die Wachen außer Sichtweite sind, laufen wir händchenhaltend durch die Flure und stehlen uns ab und zu einen Kuss. Derek lehnt mich gegen eine Tür, will mich erneut küssen, als die Tür aufschwingt und wir in die Küche purzeln. Lachend rutschen wir auf Socken auf dem spiegelglatten Fußboden der Küche umher, vorbei an den verdutzten Gesichtern des Personals. Das wird zwar Tratsch geben, aber jetzt ist es auch zu spät, um sich über sowas Gedanken zu machen. Ich befinde mich auf Feindesland und flirte mit dem Alpha, was soll mir schon das Gerede des Hofes ausmachen? Wir betreten den Speisesaal, in dem der Beta uns grinsend entegegenkommt. ,,Falls ihr glaubt die Wachen hätten euch in der Nische nicht gesehen, seit ihr keine guten Spione", tadelt er uns lachend. Derek und ich grinsen uns bloß an und nehmen dann an der Tafel Platz. ,,Wir haben alles für morgen vorbereitet", gibt Eric dem Alpha zu verstehen und ich sehe ihn verwirrt an. ,,Was ist denn morgen?", frage ich, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Derek nimmt meine Hand, was Eric ungläubig aufsehen lässt. ,,Wir fahren morgen zusammen in die Stadt. Ich habe mich dort lange nicht mehr blicken lassen, daher es ist es wieder an der Zeit. Eric spricht nur von den nötigen Sicherheitsmaßnahmen." Erfreut falle ich ihm um den Hals und er umarmt mich zurück. ,,Du kommst also auch mit?", kreische ich aufgeregt und ich höre Eric hinter mir aufkeuchen. ,,Ihr dutzt euch?", fragt er fassungslos und Derek sieht mir tief in die Augen. ,,Tun wir das, Elaisa?" ,,Ich denke schon, Derek", betonen wir unsere Vornamen und fallen erneut einem Lachanfall zum Opfer. Eric schüttelt langsam den Kopf. ,,Ich fasse es nicht, wann ist das denn passiert?" Schulterzuckend grinsen wir geheimnisvoll, was ihn gespielt genervt aufstöhnen lässt. ,,Na schön, ihr Spielverderber. Derek, es ist übrigens fertig." Was ist fertig? Neugierig sehe ich ihn an, doch er küsst nur meinen Handrücken und erhebt sich. ,,Eine Überraschung. Lasse dich von deinen Zofen neu einkleiden und komme in einer halben Stunde wieder hierher." Lächelnd erhebe ich mich ebenfalls, drücke ihm einen Kuss auf die Wange, was Eric mit großen Augen beobachtet und mache mich auf den Weg zu meinen Zofen. Diese ziehen mir ein orangenes Kleid über, schulterfrei und aufgebauscht. Meine Haare fallen mir in schönen Wellen über die Schultern und sind geschmückt mit kleinen Rosen. Clari trägt mir Lippgloss und einen Hauch Rouge auf. Aufgeregt wuseln meine Zofen um mich herum und als ich die Treppe hinunterschreite, bemerke ich den Stimmungswechsel aller im Schloss. Die Bediensteten lächeln mich an, Wachen nicken mir respektvoll zu und einige beobachten jedes Detail an mir. Neugierig gehe ich auf Derek zu, der mich im großen Saal erwartet. Mit leuchtenden Augen, einem breiten Lächeln und in voller Königskleidung erwartet er mich. Ich ergreife die Hand, die er mir entegegenhält und wir gehen auf eine große Tür zu, vor der zwei Wachen positioniert sind. ,,Bereit?", lächelt Derek mich an und ich nicke begeistert. Die Wachen öffnen die große Flügeltür und beim Eintreten bleibt mir der Mund offen stehen. Ein runder Saaly dekoriert mit hohen Bücherregalen, mit vielen gemütlichen Sitzecken, hohen Fenstern und einem einzigen weißen Klavier, mitten im Raum. Staunend löse ich mich von ihm und gehe direkt auf das Klavier zu. ,,Ich habe in Erfahrung gebracht, dass du Interesse am Klavierspielen hast", erklärt Derek das Klavier und mit großen Augen wende ich mich ihm zu. ,,Danke", flüstere ich ergriffen und umarme ihn ganz fest. ,,Ich denke, das Betahaus hat eine Bibliothek, aber du hattest deine Liebe zu Büchern erwähnt und ich wollte die Bibliothek schon lange aufbessern, deshalb-", erklärt er, doch ich lege einen Finger auf seine Lippen, sodass er augenblicklich verstummt. ,,Nach dem Verschwinden meiner Mutter hat mein Vater unsere Bibliothek gesperrt, deshalb danke für das hier", erwidere ich gerührt. Gemeinsam treten wir an das Klavier und ich setze mich auf den Hocker. Andächtig fahre ich mit den Fingern über die Klaviertasten und drücke  ,,Spielst du mir etwas vor?", fragt Derek gespannt und lehnt sich gegen das Klavier. Ich beiße mir auf die Lippe und starre das Klavier konzentriert an. ,,Ich habe ein bisschen spielen, das Klavierspielen hat mir meine Mutter beigebracht", setze ich zögerlich an. Derek sieht mich besorgt an und ich weiß was er denkt, aber ich werde einem Klavier nicht zusammenbrechen, daher winke ich ab. ,,Es ist nur sehr lange her." Zögerlich schließe ich die Augen, lege die Finger auf die Tasten und atme tief durch. Ich spiele eine sanfte Melodie, jenes Lied, dass meine Mutter meinem Bruder und mir vor dem Schlafengehen vorspielte, jeden Abend. Das Lied wurde seit ihrem Verschwinden nicht mehr gespielt und es überwältigt mich mit unzähligen Erinnerungen aus meiner Kindheit. Wie sie mir sanft durch das Haar strich, während mein Vater mich zudeckte. Wie sie mit meinem Vater durch den Ballsaal tanzte. Ihr Lachen, dass unglaublich ansteckend war. Meine erste Klavierstunde und wie sie mich später gelobt hatte. Ich beende das Lied mit einer letzten Note, die durch den Raum hallt. Ich merke wie feucht meine Augen geworden sind und spüre starke Arme, die sich um meine Hüfte schlingen. Seufzend fahre ich mit einer Hand durch seine Haare und lehne mich mit meinem Rücken gegen seine Brust. Ich spüre, wie er mir einen Kuss auf die Schläfe drückt. ,,Das war wunderschön, Elaisa", flüstert er, was mich zum Lächeln bringt. Ich erhebe mich und wir nehmen unser Abendessen ein. Derek muss sich wieder seiner Arbeit widmen und verabschiedet sich von mir. ,,Wir sehen uns morgen, versprochen", verspricht er mir und zieht mich noch zu sich, um mir einen innigen Kuss auf die Lippen zu drücken. Nachdem er gegangen ist, sitze ich auf der Fensterbank und sehe nach draußen, wo der Wind und Regen an das Fenster pfeift. Nervös sehe ich zu den Dokumenten, die ich in der letzen Zeit sehr vernachlässigt habe. Immer wenn ich eine weitere unbrauchbare Mappe beiseite gelegt habe, wurde mein Herz etwas leichter. Derek ist mir ans Herz gewachsen und ich weil einfach nicht wahrhaben, dass er so etwas zulassen würde. Seufzend greife ich dann doch nach einer weiteren Mappe, jedoch auch diesmal ohne Erkenntnisse.
Am nächsten Morgen mache ich mich in einem hellgrünen Kleid auf den Weg zum Speisesaal. Das Kleid betont herrlich meine Augen und mein blondes Haar ist zu einem lockeren Dutt zusammengebunden. Aufgeregt hüpfe ich beinahe die Treppe herunter und betrete mit einem breiten Lächeln den Saal. Derek jedoch diskutiert mit Eric, wedelt wütend mit den Händen herum und wirkt äußert aufgebracht. Mit gerunzelter Stirn eile ich auf die beiden zu und berühre Derek am Arm. Sein Blick richtet sich sofort auf mich und er versucht ein zaghaftes Lächeln, scheitert jedoch kläglich. ,,Was ist denn los?", frage ich besorgt und da Derek nur seufzt, sehe ich erwartungsvoll zu Eric, der nur die Augen verdreht. ,,Der Alpha muss sich um Alphaangelegenheiten kümmern, die das Rudel betreffen. Doch scheinbar hat er seinen Status und die damit verbundenen Aufgaben vergessen", zischt Eric bedrohlich. ,Ich gehe meinen Pflichten sehr wohl nach, aber doch nicht heute!", ruft Derek aufgebracht und verschränkt die Arme vor der Brust. Eric wirft verzweifelt die Hände in die Luft. ,,Das ist doch nicht meine Schuld, ich bin nur der Bote!" ,,Wir können das auch wann anders nachholen", tröste ich Derek, aber er schüttelt den Kopf. ,,Nein, ich will dir nicht den Tag verderben. Wenn ich meinen Aufgaben nachkommen muss, lässt sich das nicht ändern, aber du kannst mit Eric und ein paar Wachen die Stadt besichtigen. Die Wachen dienen zu deinem Schutz, nicht um dich zu überwachen", erklärt er noch. ,,In Ordnung, aber das nächste Mal zusammen!", drohe ich spielerisch, weshalb die Männer lachen. ,,Dann sollten wir uns sofort auf den Weg machen, jetzt ist noch nicht so viel los", lenkt Eric ein und ich nicke erfreut. Ich kann es gar nicht erwarten. Gemeinsam treten wir auf den Hof hinaus, auf dem eine pompöse Kutsche steht. ,,Teurer ging es nicht, oder?", frage ich Derek mit erhobener Augenbraue, doch er grinst nur und kneift mir in die Wange. ,,Ich hoffe der Prinzessin genügt es." Kichernd schlage ich schwach seine Hand weg, sehe mich verstohlen um und umarme ihn dann kurz. Ihn vor den Wachen zu küssen wäre wohl keine gute Idee. Das sieht Derek wohl genauso, doch er sieht mich bedauernd an. Eric stellt mir noch die Wachen vor, die uns in die Stadt begleiten. Eine fällt mir besonders ins Auge, wegen des kalten und distanzierten Gesichtsausdrucks, mit dem er mich anstarrt, bei dem es mir kalt den Rücken runterläuft. ,,Das ist Leroy, der Hauptmann", stellt mir Eric ihn vor und ich lächle unsicher. ,,Es ist mir eine Ehre, Hauptmann." Leroy nickt mir und sieht stur an mir vorbei. Mit einem letzten nervösen Blick bedenke ich den Hauptmann, wende mich dann aber der Kutsche zu. ,,Wartet!", vernehme ich eine männliche Stimme und entdecke einen schlanken Mann, der aufgeregt auf uns zu rennt. ,,Wartet auf mich!" Derek verdreht die Augen und verschränkt die Arme. ,,Du kommst ja auch noch", meint er mit erhobener Augenbraue, doch der Mann lächelt nur entschuldigend und keucht von dem kleinen Sprint. Das ist seltsam, weil Werwölfe normalerweise eine hervorragende Kondition haben, dieser hier anscheinend nicht. Eric seufzt und klopft dem Mann auf die Schulter. ,,Das ist Xavier, mein Cousin." Bei näherem Betrachten entdecke ich kleine Gemeinsamkeiten. Sie haben die gleichen schmalen Lippen, dasselbe breite Grinsen und ihre Nasen ähneln sich ebenso. Während Eric jedoch blond ist, hat Xavier braune, nackenlange Haare und im Gegensatz zu Eric nicht grüne, sondern braune Augen. Xavier ist eher schmächtig und wirkt eher tollpatschig, da er sogar verschiedene Socken trägt. Lächelnd halte ich ihm die Hand hin, auf der er wie ein Gentleman einen Kuss platziert. ,,Ich bin Elaisa Bennet, es ist mir eine Freude Sie kennenzulernen." Xavier winkt ab. ,,Das geht mir genauso. Aber nennen Sie mich doch Xavier." ,,In Ordnung, Xavier", gebe ich zu verstehen, weshalb Derek entrüstet schnaubt. ,,Das kann doch nicht so einfach sein. Ich habe viel höflicher gefragt und habe trotzdem vier Wochen gebraucht. Vier Wochen!", mault er, doch ich drücke ihm nur lachend einen Kuss auf die Wange. Xavier und ich steigen in den Wagen und winken den Herren noch, wobei sich Derek lächelnd an die Wange greift. Dann wende ich mich Xavier zu, der sich eifrig Notizen in seinem Heft macht. Ich stoße ihn an und er sieht überrascht auf. ,,Was wollen Sie in der Stadt?" ,,Ich brauche neue Bücher für mein Studium." ,,Was studieren Sie denn?", frage ich interessiert.
,,Literaturwissenschaften. Wie Sie vielleicht sehen", unterbricht er sich mit errötenden Wangen, ,,bin ich nicht der Sportlichste. Ich lese lieber. Das habe ich von meiner Mutter." Ich lächle auf diese Aussage hin wehmütig. ,,Meine Mutter liebt das Lesen auch, das habe ich wohl von ihr. Außerdem finde ich es nicht schlimm, sich nicht allzu sehr für Sport zu interessieren." Daraus entwickelt sich ein großartiges Gespräch, dass wir in der Stadt fortsetzen. Von allen Seiten werden wir beobachtet, doch wir beachten sie einfach nicht. Xavier und ich empfehlen uns gegenseitig Romane und zu unserer beiden Freude, haben wir den gleichen Geschmack. Gerade treten wir aus der sechsten Buchhandlung, als sich eine Menschenmasse vor uns auftut. Verwirrt runzle ich die Stirn, bis ein Mann anfängt zu sprechen. ,,Da ist ja unsere Prinzessin. Wo habt ihr denn eure Wachen gelassen?!", höhnt er und tatsächlich sind die Wachen nicht zu sehen. Das irritiert mich enorm und auch Xavier sieht sich verwirrt um. ,,Du hast unseren Alpha verhext, er würde niemals seine Schwester, sein eigenes Blut, an die Bastarde aus dem Moon-Pack hergeben." Er spuckt auf den Boden zu meinen Füßen und ich reiße die Augen auf. Xavier und ich treten zurück und die Meute kommt näher, als Leroy mit gefühlsloser Miene auf uns zu kommt, nur viel zu langsam. Als Werwolf könnte er dreimal so schnell sein. Nur widerwillig zieht er Xavier und mich aus der Masse, direkt zum Wagen. Dabei spüre ich, wie mir jemand an den Haaren zieht. Schmerz verzerrt drehe ich mich um und entdecke eine ältere Frau, mit weißen Löckchen und blassblauen Augen. Ihr Gesicht ist knallrot. ,,Euer Rudel hat meine Enkelin entführt, eines Tages kommt der Tag, an dem ihr dafür bezahlen werdet! Sagt ihnen das!", kreischt sie und auch andere melden sich lautstark zu Wort. Noch als ich in der Kutsche sitze, höre ich ihre Aufschreie, die nach Vergeltung verlangen. Das Ganze verwirrt mich, denn jeder vierte wirft meinem Rudel die Entführung eines Familienmitglieds oder Freundes vor. Das kann doch nicht wahr sein. Ist meine Mutter nicht die Einzige? Gibt es auch Entführungen, die mein Rudel begangen hat? Bei dem Gedanken wird mir ganz anders. Mit bleichem Gesicht steige ich aus der Kutsche aus, als wir auf dem Schlosshof ankommen. Xavier folgt mir und Derek stürmt zu uns. ,,Ist alles in Ordnung?", ruft er besorgt aus und umfässt mein Gesicht. ,,Bist du verletzt?" Ich schüttle sprachlos den Kopf und Xavier meldet sich zu Wort. ,,Fragt sich denn keiner, wie es mir geht?", ruft er aus und Eric beachtet ihn sarkastisch. ,,Wie geht es dir denn?" ,,Blendend! Fantastisch!", meint der schmollend. Derek beachtet ihn nicht weiter, hebt mich in seine Arme und trägt mich ins Schloss. ,,Mach dir keine Sorgen, alles wird gut, versprochen", flüstert mir Derek ins Ohr und ich spüre, wie mir die ersten Tränen über das Gesicht laufen.

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