1. Kapitel

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Pov. Elaisa

Die Sonne durchbricht die dichten Bäume und streift mich mit ihren Sonnenstrahlen. Ich setze mich auf, gähne herzhaft und strecke mich, um meine versteiften Muskeln zu wecken. Meine Augenlider flattern und ich halte mir die Hand vor die Augen, um mich an das grelle Sonnenlicht zu gewöhnen. Ich sehe mich um und genieße die schöne Aussicht. Neben mir plätschert ein kleiner Bach und das Gras kitzelt mich an meinen nackten Beinen. Ich raffe meine Röcke zusammen und meine Augen leuchten glücklich, als ich den Bach mit meinen Füßen betrete. Mir entweicht ein glucksendes Quicken, da mich die Kälte unvorbereitet tritt. Nach wenigen Minuten wird der herrliche Friede jedoch unterbrochen. Lautes Hufegeklapper nähert sich mir, woraufhin ich schwer seufze und mir das Haar aus dem Gesicht streiche. Keinen Augenblick später erscheint Julian auf seinem majestätischen Hengst, dessen schwarzes Fell vom Sonnenlicht angestrahlt wird. ,,Guten Morgen, Julian. Ein wunderbarer Tag, nicht?", frage ich höflich und halte das Gesicht in die angenehme Sonne. ,,Fürwahr, Prinzessin. Lasst mich euch helfen", begrüßt er mich und reicht mir seine Hand. Ich ergreife sie und er zieht mich auf das weiche Gras zurück. Ich schnappe mir die Schuhe, die er mir hinhält und schlüpfe in sie. ,,Finden Sie Schuhe nicht auch so überflüssig? Barfuß zu gehen ist doch weitaus angenehmer." Julian sieht amüsiert zu mir herunter. ,,Das kann ich nicht beurteilen, Prinzessin, aber wir müssen nun los. Euer Vater sucht schon nach euch und ihr wisst, das er es nicht gern hat, wenn Sie sich alleine im Wald aufhalten." Ich trete auf den schwarzen Hengst zu, den ich vor Ewigkeiten auf den Namen Fergus getauft habe und streiche ihm vorsichtig über das Maul. Er schnuppert kurz an mir, lässt mich dann aber gewähren. ,,Weiß mein Vater, das ich hier geschlafen habe?", frage ich ihn abwesend, woraufhin Julian antwortet: ,,Nein Prinzessin, er glaubt, ihr hättet einen Spaziergang durch den Wald gemacht, wie des Öfteren geschehen." Ich nicke und drehe mich um. Julian ist ein ergebener Diener meines Vaters, wie sein Vater vor ihm, der uns doch vor fünf Monaten verlassen hat. Deshalb hat Julian seinen Platz eingenommen, obwohl er dennoch ein Freund für mich geworden ist. Julian hat blonde Haare, die ihm beinahe bis zum Nacken reichen. Dort sind sie zu einem kleinen Zopf zusammengebunden, wie es für die Dienerschaft üblich ist. Er hat große, blaue Augen, die schon zu viel Gewalt und Leid mitansehen mussten. Da er bis vor dem Tod seines Vaters ein Krieger des Rudels werden wollte, ist sein Körper trainiert und auch sein Benehmen ist absolut hinreißend. Kein Wunder, warum meine Zofe Lucie absolut verzaubert von ihm ist. Er ist ein wunderbarer Mann, aber Lucie traut sich nicht ihm ihre Gefühle zu gestehen, da sie sehr zurückhaltend ist und die Gefahr besteht, das eine andere seine Mate ist. Dennoch klammert sie sich an die Hoffnung, eines Tages seine Auserwählte zu sein. Julian räuspert sich und deutet mit dem Kopf in Richtung Haus. ,,Ihr Vater erwartet Sie, Prinzessin." ,,Natürlich", gebe ich widerwillig von mir und er hebt mich auf das Pferd. Kurz darauf nimmt er die Zügel und wir machen uns auf den Weg. Verträumt sehe ich zu den Baumkronen hinauf und bemitleide mich vom feinsten. ,,Julian?", frage ich ihn, während er vor dem Pferd hergeht. ,,Ja Prinzessin?" ,,Denkt ihr mein Bruder wird bald zurück sein? Ich habe erst vor wenigen Tagen einen Brief an ihn geschrieben, doch bisher keine Antwort erhalten", murmele ich besorgt und warte gespannt seine Antwort ab. ,,Nun, euer Bruder kümmert sich um die Grenzüberschreitungen des Shadow-Packs, das ist eine ernste Angelegenheit, wie ihr wisst. Aber ich bin davon überzeugt, das er bald zurückkehren wird." Beruhigt nicke ich und denke an die angespannte Situation der Rudel nach. Das Shadow-Pack und das Moon-Pack sind seit mehreren Jahrzehnten verfeindet und nur die Mondgöttin weiß wieso. Diese Fehde über die es nur Gerüchte gibt hat die Werwölfe gespalten und seither existieren zwei große Rudel, die sich auf das Blut nicht ausstehen können. Gerüchteweise lebt das Shadow-Pack wie Monster und sind weit von tadellosen Benehmen entfernt. Die Menschen wissen nichts von uns Werwölfen, sie halten uns einfach für zwei verfeindete Königreiche. Ich selbst bin kein richtiger Werwolf, sondern ein Mischling. Halb Werwolf und halb Fee, wobei das Werwolfsgen von meinem Vater und das Feengen von meiner Mutter-. Ich schließe die Augen und versuche ihr Bild vor Augen zu haben. Meine Mutter ist, beziehungsweise war die freundlichste und schönste Frau in unserem Rudel. Jeder war von ihr verzaubert, genau wie mein Vater, der sich augenblicklich in sie verliebt hat. Sie haben den Treueschwur geleistet, was bei den Menschen mit dem Heiraten gleichkommt und haben zwei Kinder bekommen, meinen Bruder Landon, der ein richtiger Werwolf ist und mich, den Mischling. Mein Leben war perfekt, bis meine Mutter bei einem Spaziergang plötzlich verschwand. Das gesamte Rudel hat geholfen, sie zu finden, doch vergebens. Daraufhin hat mein Vater das Shadow-Pack für ihr Verschwinden verantwortlich gemacht, was die Fehde nur verschlimmert hat. Seither sind neun Jahre vergangen und wir haben kein Lebenszeichen von ihr erhalten. Viele haben sie nach einer Weile für tot erklärt, doch ich kann das einfach nicht wahrhaben. Mein Vater ist der Beta dieses Rudels und hat verstärkte Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, weshalb ich das Gelände nur mit Begleitung verlassen darf. Ab und zu gibt es Grenzüberschreitungen beider Rudel, entweder von Kindern, die es nicht besser wissen oder Jugendlichen, die sich beweisen wollen. Diesmal scheint es sich aber um ein größeres Vergehen zu handeln, weshalb mein Bruder als zukünftiger Beta zur Grenze gereist ist, um sich um das Problem zu kümmern. Jetzt ist er schon einen Monat fort und seine Abwesenheit macht mich verrückt, da mir niemand etwas erzählt. ,,Prinzessin, wir sind angekommen. Erlaubt ihr?", durchbricht Julians Stimme die Stille und hilft mir von Fergus. Vor mir erstreckt sich die Blumenanlage, die ich meiner Mutter zu Ehren habe erbauen lassen und nehme mir eine der unzähligen Schönheiten. Vergnügt rieche ich daran, bis ich eine vertraute Stimme höre. ,,Prinzessin! Wie wundervoll euch zu sehen!", ertönt die liebliche Stimme meiner Zofe, die auf mich zugerannt kommt. Ich muss kichern, denn wenn wir alleine sind, duzen wir uns mit Namen. Doch in der Öffentlichkeit gehört sich das nicht, weshalb mir hier die Fassade aufrecht erhalten. Sie erreicht mich und reicht mir einen Umgang. Erst jetzt bemerkt sie Julian und eine zierliche Röte macht sich in ihrem Gesicht breit. ,,Sir Julian", begrüßt sie ihn mit zittriger Stimme. Er lächelt und ich muss mich zusammenreißen, nicht zu lachen, da Lucie beinahe in Ohnmacht fällt. ,,Zofe Lucie. Ich übergebe ihnen Prinzessin Elaisa, sie ist etwas unterkühlt und braucht warme Kleidung." Hektisch nickt Lucie.
,,Selbstverständlich. Kommen Sie, Prinzessin. Wir lassen ihnen jetzt ein Bad ein. Mit Rosenblättern, wie Sie es bevorzugen?", bombardiert sie mich zum Schein, als wir uns in Bewegung setzen. Julian verabschiedet sich und führt Fergus zu den königlichen Ställen. Lucies Gesicht ist knallrot und sie fechelt sich Luft zu. ,,Heilige Mondgöttin, er ist ein solcher Gentleman. Meint ihr nicht auch, Elaisa?" Nun muss ich wirklich anfangen zu kichern und sehe sie an. ,,Da ich ihn nicht vergöttere wie andere Mädchen am Hofe, kann ich dazu keine Meinung äußern, Lucie." Wie aus einer Trance erwacht fängt sie auch an zu lachen. ,,Er ist nur so wunderbar in allem was er tut und während er diese Dinge tut, sieht er auch noch so hinreißend aus", schwärmt sie, als wir das Haus erreichen. Ich nicke spielerisch begeistert. ,, Absolut, meine Rede. Und dieses Benehmen, so fürsorglich und verantwortungsvoll, das ist ja so, ach ich bin sprachlos, von so viel Perfektion überwältigt, sage ich dir." Grinsend schüttelt sie den Kopf, wirkt dann immer nachdenklich. ,,Elaisa?", fragt sie dann abwesend, was mir etwas seltsam vorkommt. Stirnrunzelnd bedeute ich ihr, weiterzusprechen. ,,Nun, hoffentlich trete ich dir nicht zu nahe, aber... Wünscht du dir nicht einen Mate, der perfekt ist?" Sprachlos starre ich sie an und mein Kopf dreht sich. ,,Ich meine, du hast noch nie über einen Mann gesprochen, der dir gefällt oder mir gesagt, wie du dir deinen Mate vorstellst." Ich halte mir überwältigt den Kopf und beiße mir auf die Lippe. Nachdenklich starre ich auf mein Spiegelbild, das sich in den Fenstern zeigt. Mein Mate? Darüber habe ich mir wirklich noch nie Gedanken gemacht. Lucie tritt hinter mich und sieht mit mir in den Spiegel. ,,Du bist doch wunderschön und perfekt, also wieso sollte es dein Mate nicht auch sein?" Mir wurde oft gesagt, wie schön ich sei, doch das hat mir nie etwas bedeutet. Es von meiner Freundin zu hören, bedeutet mir etwas. Ich habe geschwungene, volle Lippen, beinahe goldenes Haar und grüne Augen. Ich bin das Ebenbild meiner Mutter, die eine Schönheit war. Deshalb begegne ich meinem Vater nicht gerne, da mir der traurige Ausdruck in seinen Augen nie entgeht. Ich drehe mich um und sehe in die braunen, vertrauenswürdigen Augen meiner Freundin. ,,Mein Mate sollte- ja ich weiß nicht, ich will vieles noch erleben und sehen. Dabei sollte er mich unterstützen und liebevoll sein. Außerdem möchte ich mit ihm reisen und Spaß haben. So schön Perfektion auch sein mag, ich habe reichlich genug davon gesehen. Ich will hier raus und etwas erleben. Auch die schlimmsten Seiten des Lebens kennenlernen und versuchen etwas gegen Ungerechtigkeit zu tun. Julian ist perfekt, aber könntest du dir vorstellen, das er spontan in ein anderes Land reist? Eher nicht, oder?" Lucie nickt langsam, wie um ihr Verständnis kundzutun. ,,Da hast du Recht, er wohl nicht. Also brauchst du einen abenteuerlichen Mate, mit dem du alles erleben willst. Einen, der nicht nur herumsitzt oder an der selben Stelle bleibt." Nickend gebe ich ihr Recht und wir betreten das luxuriöse Anwesen. Es ist nicht so groß wie der Palast des Alphas, aber da mein Vater der Beta ist, sind wir sehr wohlhabend. ,,Geh schon Mal vor und bereite das Bad vor. Ich begrüße noch meinen Vater", sage ich ihr und Lucie verschwindet, um alles vorzubereiten. Ich atme kurz durch und öffne dann die große Flügeltür, die zum Arbeitszimmer meines Vaters führt. Schon seit meiner Kindheit hat dieser Raum eine sowohl mächtige als auch bedrohliche Wirkung auf mich gehabt, da mein Vater manchmal stundenlang in diesem dunklen Zimmer war. Ich entdecke ihn an seinem Schreibtisch, fluchend und über alle Maßen angespannt. Langsam nähere ich mich um, wobei er mich nicht bemerkt. ,,Verdammt", schreit er auf und haut mit der Faust auf den Tisch. Ich räuspere mich, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Überrascht dreht er sich um und lächelt. Ich gehe auf ihn zu, stelle mich hinter ihn und lege die Arme um ihn. ,,Guten Morgen, Papa. Hast du gut geschlafen?" Er seufzt und nimmt meine Hände in seine. ,,Mehr oder weniger. Ich habe noch keine Nachricht von deinem Bruder erhalten und das macht mich verrückt." Beunruhigt sehe ich auf ihn herab. ,,Denkst du, ihm ist etwas zugestoßen?", spreche ich meine Bedenken aus, doch er schnaubt nur. ,,Mitnichten. Dein Bruder ist ein starker Mann und außerdem", er dreht sich zu mir herum, ,,würde es das Shadow-Pack niemals wagen, dem zukünftigen Beta zu schaden." Augenblicklich denke ich an Mama, da sie ja auch die Frau des Betas entführt haben, aber mein Vater wirkt sich seiner Worte so sicher, das ich versuche, diese negativen Gedanken beiseite zu schieben. ,,Heute kommt mein Kurier, er wird bestimmt etwas zu berichten haben. Du bist vermutlich wieder dabei?" Nickend lächle ich ihn an und gebe ihm einen Kuss auf die Wange. ,,Dann ist ja gut. Wasch dich, dann können wir frühstücken. Bis gleich, Prinzessin." Ich wende mich ab und nicke der Wache zu, die sich vor dem Zimmer positioniert hat. Die Treppen wirken beschwerlich und ich betrete nur widerwillig mein Gemach, wo mir sofort Lucie entgegenkommt. ,,Das hat aber lange gedauert. Komm, ich habe alles vorbereitet." Ich entkleide mich und steige in die Wanne. Ich nehme meine Finger in Augenschein und spiele nachdenklich mit dem Schaum. Lucie bemerkt meine düstere Stimmung und beugt sich zu mir herunter. ,,Macht dir etwas zu schaffen, Elaisa? Du siehst aus, als würdest du die Last der Welt auf deinen Schultern tragen." Ich sehe aus dem Fenster und antworte verspätet. ,,Es ist nichts, Lucie, ich habe nur ein seltsames Gefühl bei der ganzen Sache."
Wie Recht ich doch haben sollte.

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