Pov. Xavier
Elaisa rappelt sich auf und läuft hektisch durch den Raum, während ich sie abwägend beobachte. Aaron, mein innerer Wolf und ich sind sehr angespannt, denn sie sieht aus, als würde sie bald in die Luft gehen. ,,Du bist mein Halbbruder", verkündet sie schockiert und ich erhebe mich ebenfalls. ,,Das ist wahr. Meine Schwester und ich-", versuche ich mich zu erklären, doch sie unterbricht mich. ,,Schwester?!", kreischt sie auf und ich verziehe das Gesicht. ,,Ja, sie heißt Katie." Danach herrscht kurze Stille. Doch dann runzelt sie die Stirn. ,,Das passt doch gar nicht. Du bist mindestens so alt wie ich, aber meine Mutter hat kein geheimes Doppelleben geführt oder so", sagt sie langsam und sieht mich argwöhnisch an, doch ich grinse sie nur an. ,,Ich bin älter als du, Schwester", erkläre ich und sie setzt sich auf einen Stuhl. ,,Ich glaube mein Kopf explodiert gleich", jammert sie und ich setze mich neben sie. ,,Lass es mich erklären, okay?" Sie nickt und sieht mich erwartungsvoll an. Ich hole tief Luft. ,,Mein Vater und unsere Mutter haben sich kurz vor Ausbruch des großen Krieges getroffen. Sie waren sehr glücklich, als unsere Mutter mit mir schwanger war. Getrübt wurde ihr Glück aber von dem Krieg, der jeden betroffen hat. Mein Vater ist ein Krieger und hat im Krieg gekämpft. In der Zeit wurde ich geboren. Unsere Mutter ist eine Fee, wie du weißt und wurde als Heilerin gebraucht. Also ist sie zur Grenze gegangen und hat die Verletzten behandelt. Dort hat sie erfahren, dass mein Vater während der Schlacht gefallen ist. Sie wollte das nicht wahrhaben, denn als Mate spürt man, wenn der andere stirbt. Deshalb hat sie weiter gesucht, ihn aber nicht mehr gefunden. Sie hat sich so sehr in ihre Verzweiflung und Trauer reingesteigert, dass sie tatsächlich glaubte, dass ihr Mate gestorben ist. Außerdem spürt sie als Fee den Schmerz nicht so stark wie ein Werwolf, darauf hat sie es geschoben. Sie hatte mich bei Erics Eltern abgegeben, doch dann hat sie erfahren, dass die Familie angegriffen und vollständig ausgelöscht wurde. Auch ich. Voller Trauer hat sie bei ihrer Schwester Zuflucht gesucht und die hat sie zusammen mit ihrem Mate bei sich wohnen lassen. Ich weiß nicht, wann sie dann euren Vater getroffen hat, jedenfalls spricht sie nicht gerne darüber, aber mein Vater hat mich gefunden, kurz nach Ende des Krieges. Sie müssen wissen, dass jeder sofort den Tod fand, der sich auch nur in der Nähe der Grenze aufgehalten hat. Somit konnte mein Vater auch nie nach meiner Mutter suchen. Aber ich habe die Rudelreisen genutzt, die mein Rudel angeboten hat, weshalb ich nah an die Grenze durfte. Dort habe ich dann mit jemandem Kontakt aufgenommen, der für mich nach meiner Mutter gesucht hat. Und ich wurde fündig. Drei Tage später habe ich sie getroffen, heimlich und wir haben versucht uns kennenzulernen. Ich war damals elf und hatte nur Geschichten von ihr gehört. Sie wollte mir zuerst nicht glauben, dass mein Vater und ich noch am Leben waren, bis ich meinen Vater an die Grenze locken konnte. Kurz darauf hat sie ihre Sachen gepackt und ist mit uns in das Shadow-Pack zurückgekehrt." Elaisa nickt und sieht mich mit trüben Augen an. Dann reibt sie sich die Augen. ,,Dann seid ihr wohl ihre Familie, nicht mein Vater, Landon und ich." Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und widerspreche. ,,Ihr seid auch ihre Kinder. Natürlich gehört ihr dazu." Doch sie schüttelt den Kopf, mit traurigen Augen. ,,Ist schon gut, Xavier. Ich komme darüber hinweg. Wenn alles vorbei ist, kehre ich in mein Rudel zurück und belästige sie nicht mehr." Sie erhebt sich und will zur Tür, doch ich packe sie an der Schulter und wirble sie herum. ,,Wo wollt ihr hin?", frage ich besorgt und sie lächelt mich an, dennoch traurig. ,,Ich muss mich für mein Handeln verantworten. Ich habe den Alpha bestohlen", meint sie, zuckt mit den Schultern und öffnet die Tür. Bevor sie geht, wendet sie sich mir nochmal zu. ,,Außerdem sind wir jetzt Halbgeschwister. Also duzen mir uns, Xavi." Mit diesen Worten zieht sie die Tür hinter sich zu. Haare raufend laufe ich ihr nach, doch sie geht schon die Treppe hinauf. ,,Elaisa!", rufe ich noch, als sie eine Wache mit zum Alpha nehmen will. Elaisa sieht zu mir und ich schlucke. ,,Sie liebt euch, Landon und dich." Sie lächelt, ein ehrliches Lächeln und lässt sich dann von der Wache zum Alpha führen. Erschöpft setze ich mich auf die unterste Stufe und vergrabe das Gesicht in meinen Händen. Das war eine dumme Idee. Aber sie kam von Aaron, was soll ich auch erwarten. Hey. Murmelt Aaron, mehr enttäuscht von der Situation, als wütend und ich seufze auf. Elaisa ist das Ebenbild meiner Mutter und genauso freundlich. Wenn sie nicht gerade eine Lebenslüge aufdeckt. ,,Xavier!", höre ich meine Mutter. Ich nehme die Hände von meinem Gesicht und sehe, wie sie auf mich zustürmt. ,,Wo ist Elaisa?", keucht sie und ich deute die Treppe hinauf, weshalb sie sofort hochrennen will. Ich packe sie jedoch am Arm und schüttle den Kopf. ,,Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist", versuche ich sie zu überzeugen und sie sieht mich verzweifelt an. ,,Sie ist meine Tochter! Was immer sie auch getan hat, um im Arbeitszimmer unseres Alpha zu sein, ich muss sie unterstützen!" Wütend knurre und sie weicht zurück. Dann hole ich die Mappe hervor und schleudere sie ihr vor die Füße. Erschrocken fällt ihr Blick auf ihren Namen, der in feinsäuberlicher Schrift auf der Mappe prangt. Sie schlägt die Hand vor den Mund und stellt mir stumm die Frage. Ich schnaube. ,,Sie hat nach dir gesucht, die ganze Zeit über. Bisher hatte sie in ihrem goldenen Käfig nicht die Möglichkeit zu recherchieren, doch hier hat sie die einmalige Chance genutzt und sogar den Alpha bestohlen, nur um endlich Gewissheit zu haben." Viel zu oft habe ich meine Eltern nach meinen Halbgeschwistern gefragt, doch sie sind stets ausgewichen. Mein Vater tritt zu meiner Mutter und nimmt sie in den Arm. ,,Warum quälst du sie, Xavier? Als hätte sie heute nicht schon genug Demütigung ertragen müssen." Ich verschränke die Arme und presse die Lippen aufeinander. Dann sieht meine Mutter mich an, mit zornig funkelnden Augen. ,,Deshalb hast du unbedingt gewollt, dass wir zum Ball erscheinen. Damit mich Elaisa sieht... Willst du etwa, dass sie mich hasst?!", kreischt sie aufgebracht und wie bei Elaisa muss ich an mich halten, um mir nicht die Ohren zuzuhalten. Trotzig sehe ich sie an. ,,Ja, deshalb solltet ihr kommen, aber ich wollte das alles in Ruhe planen, sodass es nicht zu einem Eklat kommt. Woher sollte ich wissen, dass sie die Treppe runterkommt, wenn ihr gerade ankommt?" Mein Plan war es meine Schwester kennenzulernen und ihr die Chance, endlich ihre Mutter wiederzusehen. Das Ganze war definitiv nicht so gelaufen, wie erhofft. Mein Vater seufzt. ,,Xavier, du kannst dich nicht immer in alles einmischen. Deine Mutter hatte sich entschieden, Elaisa die Wahrheit zu sagen, wenn die Situation der beiden Rudel friedlicher geworden ist, nicht, wenn gerade ein Tausch stattfindet, der alles entscheiden könnte", knurrt er mich an und ich verdrehe die Augen. ,,Wie gesagt, es war nicht mein Plan, jemanden zu verletzen. Die Situation entzog sich meiner Kontrolle." Stille. Dazu sagt keiner der beiden etwas. ,,Was wird jetzt mit ihr geschehen? Sie hat schließlich den Alpha bestohlen", haucht meine Mutter entsetzt und wir sehen zu meinem Vater, der sehr nachdenklich aussieht. Dann seufzt er ergeben. ,,Ich will ganz ehrlich sein, die ganze Sache ist äußert kompliziert. Es kommt darauf an, ob der Alpha die Sache öffentlich machen will." Ich lenke ein. ,,Allerdings stehen sich der Alpha und Elaisa sehr nahe. Sie nennen sich sogar beim Vornamen. Eine Wache berichtete, dass er die beiden händchenhaltend gesehen hätte." Meine Mutter sieht verwirrt auf. ,,Nicht, dass er sie ausnutzt", meint sie besorgt, doch das denke ich nicht. ,,Er hat sie gern, dass merkt man. Und sie mag ihn auch, daran besteht kein Zweifel. Vor eurer Auseinandersetzung hat der Alpha sie in den Arm genommen, obwohl ihm einen Moment zuvor gesagt worden ist, dass sie ihn bestohlen hat." ,,Aber er muss sie irgendwie bestrafen, schließlich weiß das ganze Schloss Bescheid, ansonsten würde das seine Autorität als Alpha und König untergraben", wirft mein Vater ein und meine Mutter wird nervös. ,,Ihr darf nichts passieren, sie ist doch mein kleines Mädchen", weint sie sich an der Schulter meines Vaters aus, der sie beruhigt. Ich ziehe mich zurück und treffe im Speisesaal auf Eric, der mit einem Glas Whiskey auf einem der Stühle sitzt. ,,Komm, trinke mit mir einen", meint er und zeigt neben sich. Ich setze mich ebenfalls und er schenkt mir ein. ,,Also, Elaisa ist deine Halbschwester und die Tochter meiner Tante", fasst Eric die Situation zusammen und ich nicke. ,,Ich habe sie vor zwei Tagen auf dem Schlossgelände gesehen und direkt die Ähnlichkeit zu meiner Mutter bemerkt. Nachdem ich mich nach ihr erkundigt habe, wusste ich sofort Bescheid." Eric schüttelt hicksend den Kopf. ,,Und dann fabriziert du ein einziges Chaos, Cousin, oje", kichert er und scheint gar nicht angespannt angesichts der Lage zu sein. ,,Was denkst du, was passiert mit ihr?", frage ich nervös und sehe in mein Glas. Eric rümpft die Nase und schnaubt. ,,Derek hat sich schon lange entschieden. Als Strafe muss sie ihm einen Tanz auf dem Ball schenken." Abrupt hebe ich den Kopf und sehe sein breites Grinsen. ,,Ist das ein Scherz oder wirklich wahr? Die Strafe soll ein Tanz sein?", betone ich Strafe und Tanz, die ich nicht miteinander vereinbart kriege. Doch Eric zuckt nur mit den Schultern. ,,Er wird erzählen, dass es sich um ein Missverständnis handelt, doch hintenrum bekommt er einen Tanz von seiner Lieblingsdame." Verblüfft sehe ich ihn an. ,,Lieblingsdame?", frage ich zögernd und Eric beugt sich vor. ,,Als ob du nicht bemerkt hast, dass Derek über beide Ohren in deine Halbschwester verknallt ist. Und mit ihr eine Menge Zeit verbringt, wenn du verstehst, was ich meine", kichert er und wackelt mit den Augenbrauen. Ich spüre plötzlich einen inneren Drang meine Schwester zu beschützen und hebe trotzig die Augenbraue. ,,Und du glaubst, dass sie seine Gefühle erwidert?" Zu meiner Überraschung fängt er wild an zu nicken. ,,Aber sicher! Sie verschlingt ihn beinahe am Frühstückstisch. Abgesehen davon würde es mich keineswegs wundern, wenn die beiden Mates sind. Aber das sehen wir ja an Dereks Geburtstag." Er prostet mir zu, doch mir ist der Appetit vergangenen. Das mein Halbbruder die Schwester des Alphas als seine Mate hat ist für beide Rudel nur schwer ertragbar, aber dass die Tochter des feindlichen Betas die Mate und somit auch Luna des Alphas wird ist unvorstellbar. Nicht auszudenken, was für Turbulenzen das auslösen würde. Hoffentlich vergeht bald wieder dieser Anflug kindlicher Verliebtheit und Elaisa kehrt unversehrt in ihr Rudel zurück.
Und das hoffentlich nicht mit gebrochenen Herzen. Plötzlich lacht Eric schallend auf und deutet aus dem Fenster, gegen das der peitschende Wind schlägt. Ich erhebe mich und trete näher heran und entdecke, was ihn so zum Lachen bringt. Elaisa und Derek stehen eng umschlungen im Regen und küssen sich mit feuriger Leidenschaft. Oh nein. Murrt Aaron, denn scheinbar sind die Gefühle noch immer nicht verschwunden. Im Gegenteil. Lachend folgt er ihr durch den Garten, während sie vor ihm davon rennt. Zwei Glastüren neben Erics und meiner Position geht die Tür zum Garten auf und zwei nasse Gestalten kommen ins Schloss. Ihr Lachen hallt durch das gesamte Schloss und ich sehe, wie Elaisa ihre Arme hinter Dereks Nacken verschränkt. Kichernd wie Schulkinder kommen sie in unsere Richtung und entdecken uns, weshalb sich beide räuspern. ,,Hallo, Xavi", grüßt mich meine Schwester, doch ich starre das ungleiche Paar an, als hätten sie den Verstand verloren. Wenn sich der Alpha so benimmt, kann von einer kleinen Schwärmerei keine Rede sein, das ist viel mehr und das beunruhigt mich. Elaisa umarmt den Alpha mit roten Wangen zum Abschied und er drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Eric zieht ihn weiter, doch der Alpha sieht immer wieder zu meiner Schwester zurück. Diese schrumpft unter meinem Blick. ,,Elaisa, was wird das? Er ist der Alpha und findet bald seine Mate, ist dir das bewusst?", frage ich sie mit einiger Strenge in meiner Stimme und verschränkt erneut die Arme. Sie seufzt. ,,Du benimmst dich wie Landon", kommentiert sie mein Auftreten und meine Mundwinkel zucken belustigt. ,,Gut", fahre ich fort, doch sie unterbricht mich. ,,Xavier, ich will im Moment nicht an das Später denken. Derek und ich genießen den Moment." Wegen ihrer Aussage hebe ich eine Augenbraue. ,,Wie sehr genießt ihr denn eure gemeinsame Zeit?" Sie errötet und schlägt spielerisch nach mir. ,,So intim sind wir auch nicht. Derek und ich hoffen, dass wir Mates sind und bis wir das wissen, zügeln wir uns, einverstanden?" Sie lässt mich nicht antworten, drückt mir nur einen Kuss auf die Wange und hüpft dann völlig durchnässt durch die dunklen Flure.
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You will forever be my always
Hombres LoboUnter den Menschen leben übernatürliche Wesen, darunter Werwölfe und sogenannte Mischlinge. Zwei große Rudel beherrschen diese Welt, das Shadow-Pack und das Moon-Pack und diese beiden sind bis auf das Blut miteinander verfeindet, bis eine schicksalh...