Kapitel 5

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Ich bin um halb elf bei dir. Sei vorbereitet.

Ich muss mir den Text mehrmals durchlesen, um zu realisieren, was gerade passiert ist: Kai Diaz hat mir gerade wirklich eine Nachricht über einen Einbruch, den wir zusammen durchführen werden, geschickt.

Dann schalte ich mein Handy wieder auf Standby Modus und klappe das Buch zu, auf das ich mich sowieso nicht richtig konzentrieren konnte. Aus irgendwelchen Gründen haben wir Kai die Planung unseres Amateur-Einbruches überlassen. Ich glaube, weil er einfach so wirkt, als könnte er das von uns am besten. Und er scheint zu wissen, was er tut, was mich ein wenig beunruhigt. Wieso kann er so etwas?

Ich lasse meinen Kopf in mein Kissen fallen und starre meine Zimmerdecke an. Wieso muss genau mir so etwas passieren? Wieso muss ausgerechnet mir so etwas passieren? Nach einiger Zeit stehe ich auf, weil ich das Herumliegen gerade nicht ertragen kann. Nervös gehe ich in meinem Zimmer auf und ab und schaue alle fünf Minuten auf die Uhr.

Es ist erst halb sechs, das heißt ich muss noch etliche Stunden und ein Abendessen mit meinen Eltern hinter mich bringen. Wie aufs Stichwort sehe ich vom Fenster aus, wie das Auto meiner Mutter in die Einfahrt fährt. Ich seufze laut und verlasse mein Zimmer.

Nicht falsch verstehen: Ich liebe meine Eltern, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sie sich nicht für mich interessieren. Wir sprechen nie über mein Leben und niemand scheint daran etwas ändern zu wollen. Inzwischen finde ich das aber okay. Immerhin ist es mein Leben und nicht ihres.

Wie erwartet verläuft das Abendessen ereignislos wie immer. Dad redet über die Strafzettel, die er verteilt hat und Mum hört ihm mehr oder weniger aufmerksam zu. Ich habe das Glück, dass wenigstens ihnen nicht auffällt, dass etwas anders ist. Der Gedanke lässt ein leichtes Grinsen über meine Lippen huschen: Donna fällt es auf und meinen eigenen Eltern nicht.

Nachdem ich auch das Eis zum Nachtisch verdrückt habe, stehe ich auf und stelle meinen Teller in die Spüle.

„Wo willst du denn hin?" Mum hebt dabei eine Augenbraue und legt den Kopf schief. Ich hasse diesen Blick. Es ist der Blick, den sie aufgesetzt hat, wenn sie irgendwo eine Sensation riechen kann. Vielleicht hat sie doch etwas bemerkt?

„In mein Zimmer, es sind noch ziemlich viele Hausaufgaben zu machen und so.", antworte ich.

„Ach so, dann geh nur." Mit einer abwegigen Geste mit der Hand deutet sie mir, dass ich mich entfernen darf. Ich verdrehe innerlich die Augen und gehe hinauf in mein Zimmer, wo ich die Tür zusperre und mich in mein Bett fallen lasse. Noch vier Stunden, wie soll ich das aushalten?

Etliche Minuten vergehen, bis ich mich dazu entschließe, ein paar Serien anzugucken. Sie lenken mich gut ab: Als ich das nächste Mal Schokolade kauend auf die Uhr schaue, ist es kurz vor zehn. Meine Eltern sind inzwischen schlafen gegangen, was Kai und mir das Ganze wesentlich einfacher macht. Während ich meinen Laptop zuklappe, überlege ich, wie das alles jetzt ablaufen wird. Soll ich wieder aus dem Fenster klettern?

Und was soll ich anziehen? Schnell gehe ich zu meinem Kleiderschrank und krame darin nach irgendwelchen schwarzen Sachen. Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich mich endlich für eine schwarze, enge Jeans und ein schwarzes T-Shirt entschieden. Meine Haare binde ich mir einfach zu einem Pferdeschwanz zusammen und streife mir Handschuhe wegen der Fingerabdrücke über. Meinte Kai das mit „sei vorbereitet"?

Die Minuten vergehen, in denen ich auf meinem Fensterbrett sitze und die Sterne beobachte. Heute ist Neumond, das heißt, ich kann sie viel besser sehen als sonst. Ich muss grinsen: Seit meinem Mittagessen gestern im Diner mit Luna muss ich immer an sie denken, wenn ich an den Mond denke.

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