Kapitel 26

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Noch bevor ich aufwache weiß ich, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Ich kann das Brummen eines Motors hören und leise Musik, die ab und zu durch ein Rauschen unterbrochen wird. Hin und wieder macht es einen abrupten Ruck, der dazu führt, dass ich unsanft herumgerissen werde.

Meine Schläfen tun unglaublich weh und mir ist leicht schwindelig. In der Magengrube habe ich ein unwohles Gefühl, aber ich weiß nicht, warum. Irgendetwas belastet mich, es schreit förmlich danach, dass ich in großer Gefahr bin.

Angestrengt versuche ich, mich an das Letzte, was mir passiert ist, zu erinnern. Ich war in Rom, im Flugzeug, in Ponville, zuhause... Langsam kann ich die Bilder, die mir durch den Kopf gehen, zuordnen und ich beginne, wieder klar zu denken: Mein Zimmer... Der Brief... Das Klingeln der Tür... Tyler!

Sofort schlage ich meine Augen auf, nur um sie danach wieder vor Schmerz zu zukneifen. Mein Kopf macht mir gerade wirklich zu schaffen.

Als es mir endlich ein bisschen besser geht, öffne ich meine Augen ein zweites Mal. Mir ist zwar immer noch schwindelig, aber es ist diesmal in Ordnung.

Nun ergibt alles Sinn. Ich sitze auf der Rückbank eines alten Autos, in dem es nicht sehr angenehm riecht. Es fährt gerade eine holprige Bergstraße hinauf, weshalb mein Kopf, als ich noch bewusstlos war, mehrmals gegen die Fensterscheibe geknallt ist. Der Fahrer des Autos ist Tyler, ich erkenne ihn an den schwarzen Haaren.

Ich will mir meine schmerzenden Schläfen massieren, doch da bemerke ich, dass meine Hände mit Panzertape zusammengebunden sind.

Tyler hat meine Bewegung wohl mitbekommen, denn er sieht mir nun durch den Rückspiegel direkt in die Augen. Ich will mit ihm Blickkontakt halten, aber ich schaffe es nicht und sehe weg. Seine Mundwinkel zucken nach oben:

„Guten Morgen, Dornröschen."

Seine Stimme klingt so schmierig und doch so kalt, dass es mir eiskalt den Rücken hinunter läuft. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals.

„Hat es dir die Sprache verschlagen, wie beim letzten Mal, als wir uns gesehen haben?"

Ich will nicht mit ihm reden. Bei unserem letzten Zusammentreffen hat er mehrmals mein Leben bedroht und wegen ihm hätte mich Thymon wirklich fast umgebracht.

Die Situation ist jetzt zwar anders, aber trotzdem fühlt sie sich genau gleich an. Ich bin wieder in seiner Gewalt und kann mich nur schlecht bis gar nicht wehren. So war es letztes Mal auch, nur dass mich dort Kai und die anderen gerettet haben. Jetzt bin ich jedoch irgendwo im nirgendwo und ich bezweifle, dass mir hier irgendjemand hilft.

„Was hast du vor?", frage ich und versuche dabei, monoton zu klingen. Ich werde ihm nicht die Genugtuung gönnen und ihm zeigen, dass ich Angst vor ihm habe. Tyler zieht die Augenbrauen nach oben und antwortet:

„Wirst du noch früh genug sehen."

„Und wo bringst du mich hin?"

„Wirst du auch bald sehen."

Damit ist das Gespräch für mich beendet. Ängstlich starre ich hinaus aus dem Fenster und bin froh, dass Tyler mich in Ruhe lässt. Kurz spiele ich mich den Gedanken, mich irgendwie zu befreien, aber er hat seine Waffe immer griffbereit und ich weiß nicht, wie weit er gehen würde.

Draußen ist es komplett dunkel, nicht einmal der Mond sorgt für ausreichend Licht. Ich weiß nicht, welchen Berg wir hinauf fahren, doch es wird immer höher und gruseliger. Wo bringt Tyler mich hin und warum? Ist es Rache oder hat es etwas mit dem Brief heute Abend zu tun?

Doch all diese Fragen sind auf einmal unwichtig, als das Auto stehen bleibt und Tyler sich abschnallt. Ich fühle nichts außer reine Panik, als er meine Autotür öffnet und mir mit einem Blick zeigt, dass ich aussteigen soll.

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