Kapitel 17

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Genau als es zur Mittagspause klingelt sind Luke und ich wieder in der Schule angekommen. Unsicher gehen wir die Treppen hinauf, dabei haftet mein Blick auf dem Boden. Wir werden uns gleich vor den anderen beiden rechtfertigen müssen, und darauf habe ich jetzt schon keine Lust mehr.

„Fuck.", entfährt es Luke neben mir, sodass ich aufsehe und gerade noch rechtzeitig Lu entdecke, die auf uns zugestapft kommt. Sie sieht so wütend aus, dass sie sogar ihre Angst vor Luke zu ignorieren scheint.

„Mina, was zur Hölle sollte das?", ruft sie schon aus weiter Entfernung. Ihre Augenbrauen hat sie eng zusammengezogen, ihr ganzer sonst so zarter Körper ist angespannt. Auf der Stelle klagen mich Gewissensbisse. Wenn sie einfach so mit Luke verschwunden wäre, wäre ich vor Sorge um sie ganz krank geworden. Wieso also sollte es ihr anders gehen?

„Ist dir bewusst, was für Sorgen ich mir gemacht habe?", bestätigt sie meine Vermutung, als sie einen Schritt vor mir stehen bleibt. Tränen sammeln sich in ihren Augen.

„Lu, es tut mir-" Weiter komme ich nicht, da zieht sie mich schon in eine stürmische Umarmung.

„Mach das nie wieder.", murmelt sie und lässt mich wieder los. Erst jetzt schenkt sie Luke Beachtung. Ihre grünen Augen weiten sich vor Schreck und sie fasst meine Hand, um mich ein Stück von ihm wegzuziehen. „Was... Was habt ihr gemacht?"

Luke will einen Schritt auf uns zugehen, doch sie schüttelt den Kopf und weicht zurück. Er lässt die Arme sinken und schaut mich hilflos an. Jetzt, wo ich seine Geschichte kenne, tut er mir leid. Er hat es nicht verdient, dass seine Freunde vor ihm Angst haben müssen.

Also spreche ich für ihn:

„Lu, er hat mir gerade alles erklärt. Gib ihm eine Chance, bitte."

Für einen Moment herrscht Stille zwischen uns dreien. Lus Blick springt nachdenklich von mir zu Luke und wieder zurück, bis sie schließlich seufzt:

„Letztendlich müssen wir sowieso zusammenhalten, wenn wir hier heil wieder rauskommen wollen. Treffen wir uns alle nach der Schule bei mir? Kai hat vorher mit mir gesprochen, er hat etwas herausgefunden."

-

„Also, dann schieß mal los.", fordert Kai Luke auf und lehnt sich erwartungsvoll in seine Richtung. Seine Gesichtszüge sind unnatürlich hart und seine braunen Augen blitzen gefährlich auf. Kai verlangt jetzt eine Erklärung, und er wird sie verdammt nochmal bekommen.

Dessen ist sich auch Luke bewusst. Er kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Er atmet einmal tief ein und aus und nippt an seinem Eistee, ehe er beginnt, seine Geschichte ein zweites Mal zu erzählen.

Wir sitzen wieder in Lus Garten am Pool. Heute ist es sehr warm, weshalb das glänzende Wasser noch verlockender aussieht als sonst. Seufzend verliere ich mich in der Reflexion der Sonne im Wasser, bis mich Lukes Erzählung wieder aus meinen Träumen holt. Inzwischen ist er beim Höhepunkt der Geschichte angekommen, also konzentriere ich mich ganz bewusst auf etwas anderes. Ich will nicht noch einmal hören, wie er jemanden absticht.

Als er fertig ist, starrt Lu ihn fassungslos an und wischt sich eine einzelne Träne weg. Sie braucht einen Moment, um sich zu sammeln, ehe sie murmelt:

„Naja, man könnte es als Selbstverteidigung sehen." Sie klingt, als wollte sie mehr sich selbst als uns überzeugen.

„Ich will nicht sagen, dass das, was du gemacht hast, gut war. Aber ich hätte es wahrscheinlich genauso gemacht.", gibt Kai zu. Diese Antwort überrascht mich nicht. Was das angeht, sind sich die beiden ähnlicher, als sie vielleicht selbst wissen. Denn Kai hätte genau gleich gehandelt wie Luke.

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