Kapitel 11

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„Die Besitzerin mehrerer Immobilien in ganz Amerika Lucy Edwards aus Ponville befindet sich momentan in Untersuchungshaft. Gestern sind sämtliche Dokumente, die illegale Aktivitäten ihrerseits beweisen, aufgetaucht, darunter Erpressungen und sogar Morddrohungen. Noch unklar ist, woher diese Papiere sind, wobei ein Angestellter Edwards' an jenem Abend, an dem sie aus dem Haus entwendet wurden, zwei Jungen gesehen haben soll."

Weiter kann ich nicht hören, denn meine Mum dreht die Lautstärke etwas zurück und springt auf:

„Ich wusste es! Ich habe schon immer gefühlt, dass mit ihr etwas falsch ist!"

Zwar würde ich gerade am liebsten im Boden versinken, ich muss mich aber damit begnügen, mich hinter meinem Geschichtsbuch zu verstecken.

„Vielleicht kann ich die im Gefängnis um ein Interview mit Edwards bitten... Wenn nicht, vielleicht, wenn ich ihnen ein paar Scheinchen gebe..."

„Schatz, kannst du das bitte machen, wenn ich nicht anwesend bin?"

Mum verdreht spielerisch ihre Augen und setzt sich wieder zu Dad auf die Couch. Es ist ein normaler Nachmittag: Ich hocke in der Küche und mache meine Geschichtshausaufgaben, während meine Eltern fernsehen. Gerade zeichne ich viele kleine Sonnen um das Bild von George Washington und spiele mit dem Gedanken, auch sein Gesicht etwas zu verschönern.

Insgeheim konzentriere ich mich aber auf das Gespräch meiner Eltern, denn ich weiß, dass Mum es schaffen wird, Dad ein paar Insiderinformationen über die Ermittlungen zu entlocken. Sie dürfen nur nicht mitbekommen, dass ich zuhöre.

„Apropos, wisst ihr schon, wer die beiden Teenager waren?"

„Du weißt, dass ich dir das eigentlich nicht erzählen darf, Schatz."

Draußen donnert es so laut, dass ich vor Schreck zusammenzucke. Seit unserem Einbruch in der Villa regnet es ununterbrochen in Strömen.

„Eigentlich." Mums Lippen umspielt ein verführerisches Lächeln.

Das funktioniert bei Dad immer: Er zögert kurz, dann seufzt er genervt. Auch das tut er immer, wenn sie ihn zu  etwas überredet hat, wo er eigentlich dagegen ist. Ich muss mir ein selbstgefälliges Grinsen verkneifen, als er zu erzählen beginnt:

„Nun ja, wir haben nach Fingerabdrücken gesucht und die Überwachungskameras abgecheckt, das Übliche halt."

„Und? Habt ihr was gefunden?"

„Nein, die sind den Kameras echt gut ausgewichen. Wir haben auch mit dem Angestellten gesprochen, aber er kann sich nicht mehr richtig erinnern. Wenn er nicht so eine Riesenbeule auf seinem Kopf hätte, wäre ich mir sicher, dass er das nur geträumt hat."

Hmm. Luke hat schon in der Villa vermutet, dass seine Kopfverletzung zu einem Problem werden könnte. Aber was hätte ich denn tun sollen? Oh Gott, wenn Dad wüsste, dass ich das war... Meine Finger verkrampfen sich um den Bleistift und trotz dem warmen Hoodie läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.

„Also wissen wir gar nichts?" Mum klingt enttäuscht und lehnt sich zurück in das Sofa.

„Ich muss zugeben, die meisten meiner Leute knien sich in die Sache auch nicht so wirklich rein."

„Warum? Die Menschen wollen wissen, wer das getan hat! Sie sind sozusagen Helden!"

Ein nächstes Grinsen schleicht sich an, aber ich trinke schnell einen Schluck Orangensaft. Helden. Wenn die wüssten, wie die Sache wirklich abgelaufen ist, würden sie das wohl anders sehen. Trotzdem kann ich nicht anders, als ein bisschen stolz zu sein. Dank uns ist ein furchtbarer Mensch hinter Gittern.

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