Kapitel 2

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Am nächsten Tag schrecke ich aus meinem Schlaf hoch. Meine Hände krallen sich in die Bettdecke und ich atme schnell aus und ein. Ein Blick auf den Wecker neben meinem Bett verrät mir, dass es erst fünf Uhr morgens ist. Normalerweise würde ich mich nun einfach wieder in mein Kissen werfen, doch ich bin hellwach.

Ich strecke mich und schaue verschlafen durch mein Zimmer; durch die weißen Vorhänge fallen die ersten Sonnenstrahlen in mein Zimmer. Sie beleuchten meine Zeichnungen, die an der Wand hängen und meine Pflanzen. Ich richte mich langsam auf und tapse ins Bad: Dort stelle ich fest, dass meine Augenringe mich wie einen Panda aussehen lassen. Seufzend greife ich zum Makeup und versuche sie zu überdecken. Das funktioniert mehr schlecht als recht, weshalb ich mich nach einiger Zeit geschlagen gebe und mich auf den Weg in die Küche mache.

Dort duftet es nach Kaffee. Meine Mutter sitzt schon am Tisch und umklammert mit der einen Hand eine Tasse vollgefüllt mit der braunen Brühe. Mit der anderen blättert sie in ihrer Zeitung, wie sie es jeden Morgen tut. Vermutlich hat sie darin nur Augen für ihre eigenen Artikel.

„Guten Morgen.", begrüßt sie mich, ohne von den aktuellen Schlagzeilen aufzusehen.

Ich nicke ihr zu und schenke mir eine Tasse Kaffee ein. Dank ihrer Arbeit bekomme ich sie nur selten zu Gesicht- sie ist Journalistin und kommt deshalb immer spät oder gar nicht nachhause. Mein Dad ist Polizist, ihn sehe ich jeden Abend und an seinen freien Tagen. Heute ist so ein Tag, weshalb es mich nicht wundert, ihn heute nicht beim Frühstück zu treffen. Immerhin will er ausschlafen.

„Heute irgendwas Besonderes in der Schule?" Ihre Stimme trieft vor Desinteresse, weshalb ich mit den Schultern zucke und schlicht antworte:

„Nein."

Ich setze mich neben sie und kippe Milch in meine Tasse. Ich bin froh, dass niemand mit mir sprechen will, denn so kann ich in Ruhe nachdenken. Ich stütze meinen Kopf an meiner Hand ab und rühre in meinem Kaffee. Mein Treffen mit den drei anderen gestern geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.

Irgendjemand weiß von der Sache mit dem Unfall. Irgendjemand hat schreckliche Dinge gegen mich in der Hand.

-

Dieses Wissen führt dazu, dass ich auf dem Weg zur Highschool fast überfahren werde. Ich kann mich nicht mehr richtig konzentrieren. Auch auf dem Weg zum Unterricht bin ich immer noch so in Trance, dass ich alles um mich herum nur am Rande mitbekomme.

Erst, als ich kurz vor der Klasse bin, fällt mein Blick auf jemanden und erinnert mich daran, im Hier und Jetzt zu leben. Kai steht an den Spind gelehnt dort und spricht mit einem aus der Football- Mannschaft. Seine Hände hat er in den Hosentaschen vergraben und er muss immer wieder charmant lächeln. Natürlich stehen zwei Mädchen neben den beiden, die aufgeregt kichern. Wer würde schon die Gelegenheit verpassen, mit Kai Diaz zu sprechen?

Wieder muss ich mich wundern, was ich mit diesem Kerl vor mir gemeinsam habe. Wir sind so verschieden! Ich zähle mich zu den Außenseitern, während er zu den beliebten Sportlern gehört. 

Als ein Mädchen neben ihm besonders laut kichert, verdrehe ich innerlich die Augen. Da fällt sein Blick auf mich. Ich sehe ihn kurz unsicher an, da blickt er schon wieder weg und widmet sich seinen Freunden. Ohne darüber zu sprechen haben wir wohl beschlossen, kein Wort über gestern zu verlieren. Wir werden unsere Leben weiterführen, als wäre das alles nie passiert. Wenn Kai das kann, kann ich das auch.

Mit diesem Gedanken öffne ich die Tür des Klassenzimmers und lasse mich auf meinen gewohnten Platz fallen. Wir haben jetzt Geschichte. In diesem Kurs sitze ich allein, weil weder Joey, noch Olivia oder Donna besonders interessiert in Historisches sind. Ich fische einen Zeichenblock aus meinem Rucksack und beginne, auf dem karierten Papier herumzukritzeln.

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