Kapitel 19

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Ich halte den Atem an. Bewegen kann ich mich nicht, sonst drückt er mir die Klinge noch tiefer an den Hals.

„Ein Wort und du bist tot."

Hundert Gedanken schießen mir in den Kopf, trotzdem kann ich nur schwach nicken.

„Gut. Du schnüffelst hier schon ziemlich lange herum, hab' ich nicht Recht?"

Ich bringe kein weiteres Wort heraus, sondern bemühe mich nur vergebens, mich in eine Position zu bringen, in der ich besser atmen kann. Die Stimme meines Angreifers ist eindeutig männlich, ich schätze ihn auf ungefähr Mitte zwanzig.

„Was machst du hier? Willst du zu Thymon?"

Wieder schweige ich und starre stur in die Nacht hinein, was meinen Angreifer zu einem dreckigen Lachen bringt, das mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Mein Herz hämmert so laut gegen meine Brust, dass ich es beinahe hören kann. Er drückt mit dem Messer noch etwas tiefer und ich weiß, dass er den Druck nur noch ein kleines bisschen erhöhen muss, dann blute ich.

„Am besten bringe ich dich einfach zu ihm. Er liebt Besuch."

Mit diesen Worten schafft er es doch, mir ein kurzes hysterisches Quietschen und panisches Kopfschütteln zu entlocken.

Er lacht nur noch lauter:

„Du kannst also doch sprechen."

Ich wehre mich gegen ihn, aber er schubst mich mit Leichtigkeit nach vorne und setzt uns somit in Bewegung. Das Messer ist immer noch an meiner Kehle. Scheiße, scheiße, scheiße! Das zerstört den ganzen Plan!

Widerwillig gehe ich mit ihm mit, bis wir bei dem Gartentor angekommen sind. Er öffnet es und wir betreten das Grundstück des gefährlichsten Mannes in ganz Ponville. Juhu. Sein Vorgarten ist komplett überwuchert und während wir hinauf zu der Haustür gehen, stolpere ich über die unzähligen Zweige und Äste auf dem Gehweg.

„Mach du auf."

Endlich lässt der Angreifer locker. Reflexartig hole ich tief Luft und fasse mir an den Hals. Der Mann ist Mitte zwanzig, hat schwarze Haare und grinst mich mit seinen dunkelbraunen Augen schadenfroh an. Er ist größer als ich, also kann ich sein Gesicht nicht genau erkennen, aber er scheint einen Drei- Tage Bart und auf seinem Hals eine Tätowierung zu haben. Im Halbdunklen kann ich sie nicht genau erkennen, aber ich glaube, es ist das Wort fuck. Er baut sich vor mir auf. Ich kann nicht mehr weglaufen, denn es gibt nur noch zwei Richtungen: Thymons Haustür oder der Angreifer.

Zitternd wandert meine Hand zur Türklinke und drückt sie nach unten. Offensichtlich gefällt es ihm, dass er mich praktisch dazu zwingt, mich selbst auszuliefern, wenn ich die Tür öffne. Er schubst mich grob in das Haus, sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck entgeht mir dabei nicht.

„Boss?", ruft er fragend in den leeren Gang.

Nichts rührt sich. Erst jetzt fällt mir der widerliche Gestank hier auf: Es riecht nach Zigaretten, Alkohol, Schimmel und sonst noch allen möglichen Drogen. Angestrengt unterdrücke ich ein Husten. In diesem Moment tritt eine Person aus dem Schatten. Sofort wandert die Klinge meines Angreifers wieder an meine Kehle und er drückt mich an sich.

„Was willst du? Der Boss schläft.", diesmal ist es eine ältere Männerstimme.

„Ich bin's, Tyler. Ich habe ein Mädchen gefunden, sie hat hier schon den ganzen Abend herumgeschnüffelt."

Er tritt mit mir vor, sodass der zweite Mann mich besser ansehen kann. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Er mustert mich interessiert von oben bis unten, dann grinst er:

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