Kapitel 21

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Ich schlage meine Augen auf. Verschlafen sehe ich mich in meinem Zimmer um und blinzle zum Fenster. Ein schwaches Licht fällt in den Raum, aber im Großen und Ganzen ist es noch relativ dunkel. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es erst kurz nach fünf ist. Ich strecke mich ausgiebig und will mich zurück in das weiche Kissen fallen lassen, weiß aber, dass ich bereits zu wach bin.

Also trotte ich hinüber zum Fenster und sehe hinaus. Glücklich stelle ich fest, dass gerade der erste Sonnenstrahl hinter den Bergen in der Ferne hervorkommt. Schnell schnappe ich mir mein Handy mit Kopfhörern, meinen Notizblock und den Bleistift. Dann klettere ich leise aus meinem Fenster auf unser Garagendach. Von dort aus komme ich locker auf das Hausdach. In Kürze hab ich den höchsten Punkt des Daches erreicht und lehne mich gegen den Schornstein.

Zufrieden schalte ich die Musik ein und sehe über die Hausdächer Ponvilles hinüber zu den Bergen, hinter denen gerade die Sonne hinauf klettert. Ich liebe den Sonnenaufgang.

Als die ersten Sonnenstrahlen Ponville erleuchten, muss ich lächeln. Es ist eine schöne Kleinstadt, auch wenn hier in letzter Zeit ziemlich viel Scheiße passiert ist. Kurz kommen die Erinnerungen und Ereignisse von heute Nacht wieder hoch und ich sehe meine besten Freunde, Thymon und Tyler vor meinem inneren Auge. Nachdem wir sie in dem Raum im Keller eingesperrt haben, sind wir so schnell wie es nur ging wieder nachhause gefahren. Ich hatte insgesamt sicher nur zwei Stunden geschlafen, deshalb wundert es mich nicht, dass mein Kopf heute etwas wehtut.

Was die angeles negros jetzt wohl mit Thymon machen werden... Haben sie unsere anonyme Nachricht mit der Beweisaudioaufnahme im Anhang schon gesehen? Wie und wann werden wir darüber Bescheid bekommen?

Seufzend schnappe ich mir meinen Notizblock und den Bleistift und fange an, die Silhouetten der Häuser im Sonnenaufgang abzuzeichnen. Ich versuche die Gedanken an gestern zu verdrängen, bekomme sie aber nie ganz aus meinem Kopf.

Je höher die Sonne steigt, umso mehr verliert sie ihren Reiz. Inzwischen ist es schon fast ganz hell, der funkelnde Morgentau weggetrocknet und der Lärm der Stadt erfüllt die Morgenluft. Ich schüttle den Kopf und klettere wieder hinunter in mein Zimmer, wo ich mich fertig für den heutigen Schultag mache.

„Minaaa!", kommt es auf einmal von der Küche. Ich seufze und gehe nach unten.

„Wow, wie siehst du denn aus?", fragt mich meine Mutter und hebt eine Augenbraue, als ich dort bei ihr auftauche. Ich runzle kritisch die Stirn, offenbar sind meine Augenringe mehr als nur auffällig.

„Dir auch einen guten Morgen.", murmle ich und versuche dabei nicht genervt oder verletzt zu klingen. Nachdem ich mich mit einer vollen Müslischüssel neben sie an den Tisch gesetzt habe, lächelt sie mich plötzlich an. Wow, so viel Aufmerksamkeit bekomme ich selten von ihr.

„Wie läuft's denn so mit deinen Freunden?", fragt sie und legt ihre Zeitung beiseite. Ich zucke mit den Schultern:

„Eigentlich richtig gut, heute nach der Schule treffe ich Luna."

Ihr Grinsen wird breiter:

„Bei ihr zuhause?"

Ich zucke wieder mit den Schultern:

„Vielleicht, vielleicht gehen wir aber auch ins Diner."

„Wenn du bei ihr zuhause bist, siehst du da eigentlich ihren Dad manchmal?"

Ich hebe kritisch eine Augenbraue:

„Nein, wieso?"

Sie sieht mich unschuldig an:

„Nur so."

In diesem Moment wird mir bewusst, worauf sie eigentlich hinaus wollte. Entrüstet knalle ich meine Teetasse wieder auf den Tisch uns sehe sie mit offenem Mund an:

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