Prolog

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„Wir sind alle schriftlichen Bewerbungen für die Reise nach Japan durchgegangen und ich kann freudig verkünden, dass zwei aus der Klasse ihre Koffer packen können.", sagte unsere Klassenleiterin und schlug die kleine Mappe vor sich auf dem Pult auf. Ich stützte meinen Kopf und seufzte. Jeder wusste, wer die einjährige Reise bekam. Nur keiner sprach es aus, dementsprechend war die gesamte Stimmung in der Klasse niederschmetternd zum Nachteil unserer Klassenlehrerin, die mit einem Lächeln den dicken Stapel an Zetteln heraus holte.
„Wieso gucken sie denn so niedergeschlagen?"
Während ihr Blick durch die Reihen schweifte, blieb dieser an mir hängen. Ich kniff meine Augen leicht zusammen und kaute vor aufsteigender Nervosität auf meiner Unterlippe. Vielleicht habe ich Glück? Mir würde es schon reichen, wenn nicht sie, unsere Diva, sondern jemand anderes das Pflegejahr absolvieren wird. Ich musste nur hoffen. Sie blätterte durch den Stapel bis sie eine Seite beiseite legte und uns noch einmal ansah bevor sie die Namen der glücklichen Gewinner verkündete: „So viel kann ich schon mal sagen; es sind zwei Mädels." Wir mussten lachen. Es war schlecht zu übersehen, dass wir eine reine Mädchenklasse waren. Schade, eigentlich. Denn ein junger Bursche hätte diesem Hühnerhaufen so einige Streitigkeiten erspart. Ich wartete immer noch gespannt, nervös aber ruhig ab. Schon als ich die schriftliche Bewerbung um einen Platz mit meiner besten Freundin Sarah abgab, taten wir es zum Spaß, weil wir unsere Chancen niedrig einschätzten. Sarah hatte ihren Freund hier, den sie ungern allein lassen wollte und ich hatte meine Wohnung. Ein wahres Dilemma.

„Im Namen der Lehrer möchten wir nochmal betonen, dass niemand darüber traurig sein braucht, wenn sie nicht nach Japan fliegen. Wir haben uns als Gegenleistung die freie Wahl über ihre nächsten Praxiseinsätze geeinigt. Ich denke, damit werden wir ganz gut fahren, wenn wir zwei weniger sind", sagte sie und schaute auf das Papier, „und um sie nicht noch weiter auf die Folter zu spannen..." Ich merkte, dass auch sie angespannt über das Ergebnis war.
„Unter Berücksichtigung der aktuellen theoretischen und praktischen Noten und der schriftlichen Bewerbung möchten ich und die Lehrerschaft der Schule sie, Sarah und Angélique, herzlichst zu ihrem Pflegejahr nach Japan beglückwünschen und hoffen, sie kommen gut an. Es erwartet sie ein Mentor, der ihnen täglich bei Fragen zur Seite steht und ihnen wird ein Apartment in der Nähe ihres Einsatzbereichs gestellt wie schon während der Veranstaltung geklärt wurde. Weitere Informationen besprechen wir nach dem Unterricht."

Ich und Sarah. Wir schauten uns mit offenden Mund an. Niemals hätten wir an einen Sieg geglaubt, niemals. Ich konnte es kaum glauben, dass ich unsere Klassenbeste aus dem Rennen geschmissen hatte. Als ich mich kurz umsah, schaute ich in viele lächelnde Gesichter. Das beruhigte mich. Selbst das der Besten schien erleichtert. Warum lächelte sie? Sonst wollte Miss Schönheit auch alles haben und sein. „Supi.", hörte ich flüsternde Stimmen aus den hinteren Reihen. Bei ihnen wusste ich, dass sie sich aufrichtig freuen ohne einen bösen Hintergedanken.

„Ich hoffe, sie nehmen die Reise an, so wie sie geschaut haben!"
Ich sah unsere Lehrerin an.
„J-Ja, klar!" Sarah lächelte. Ihr Lippenbändchenpiercing funkelte in den einfallenden Sonnenstrahlen. Ich nickte nur kräftig, konnte mir ein anmutiges Lächeln nicht verkneifen. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass mehr hinter dieser Entscheidung steckte.

Aber jetzt hieß es Koffer packen und: Hallo Japan!
Aber was soll ich einpacken?

RED EYES - HQ!!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt