- Teil 4

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Daichi hatte mit Noya's Eltern ausgemacht, dass er zuerst ins Krankenhaus fahren wird und sie im Anschluss per Telefon informiert, damit er abgeholt werdeb konnte. Da er noch nicht volljährig war, musste bei Entlassung wenigstens ein Erziehungsberechtigter dabei sein.
Er parkte mit seinem Auto auf den krankenhauseigenen Parkplatz, der für Besucher und Angehörige war. Es war mittlerweile kurz vor 12 als er die kleine Klinik betrat. Angie hatte sich seit dem Telefonat am Abend auch nicht mehr gemeldet gehabt. Vielleicht schlief sie noch oder hatte besseres zu tun. Daichi grüßte die Schwester, die ihn für einen Moment aufhielt.
„Er hat schon Besuch.", sagte sie und wollte ihn nicht durch die Tür treten lassen.
„Besuch?", fragte er verwirrt.
„Ja, eine junge Dame. Sie tauchte schon zur Morgenrunde auf und ist die ganze Zeit über bei ihm.", erklärte sie und konnte Daichi nicht mehr aufhalten, der sich an ihr vorbei in das kleine Einzelzimmer drängte. Er traute zuerst seinen Augen nicht. Sie saß auf einen Stuhl, mit dem Oberkörper liegend auf dem Bett dicht bei Noya. Gesicht an Gesicht.
„Sie kennen die Person?", fragte sie.
Daichi nickte und schloss nochmal die Tür, um die beiden nicht zu wecken.
„Ja, sie geht auf unsere Schule."
„Wirklich? Uns sagte sie, dass sie eine Verwandte sei.", sagte die Schwester und wurde etwas sauer.
„Ich gehe rein und werde die beiden wecken.", sagte Daichi und betrat zum zweiten Mal das Zimmer.

Stimmen hatten ihn aus dem Schlaf gerissen und Noya schlug seine müden Augen auf. Sein Blick fiel direkt in Angie's Gesicht, das nur um ein Haaresbreite von seinem entfernt war. Ihr Atem streifte sanft sein Kinn. Er erinnerte sich an die Situation am Morgen und konnte immer noch nicht begreifen, dass sie nur für ihn aus Tokio gekommen ist und ihn besuchte, obwohl sie arbeiten musste. Er wusste, er musste ihr mehr bedeuten, aber er traute sich nicht sie darauf anzusprechen und seine Gedanken frei zu äußern. Er wollte nicht abgewiesen werden. Kein weiteres Mal.
Die Stimmen in seinem Kopf klangen leicht verzerrt bevor er wacher wurde und neben der Stimme der Schwester auch Daichi's erkannte. Als er hörte wie die Tür aufging, sah er über Angie hinweg und setzte sich auf als er auf die beiden zu kam. Er ließ ihre Hand los.
„Was ist denn hier los?", flüsterte Daichi etwas wütend und zeigte auf ihren schlafenden Körper. Noya fuhr sich durch sein verwuscheltes Haar.
„Seit wann ist die denn schon hier?"
„Heute morgen.", murmelte er und sah zu ihr runter. Sie sah so friedlich aus.
„Ich mache sie jetzt wach. Sie muss arbeiten.", sagte er und sah auf die Uhr. „Selbst wenn ich sie fahre, schafft sie es nicht mehr rechtzeitig."
„N-Nein!" Noya beugte sich vor ihr und stellte sich Daichi somit in den Weg.
„Ach, Noya!", brummte er und wollte ihn zur Seite drängen. „Hör' auf mit den Spielchen."
Noya aber versuchte Stand zu halten, musste aber seine körper Schwäche eingestehen und warf Daichi einen bösen Blick zu.
„Du weißt wie ich mich fühle!", fauchte er und kämpfte mit den Tränen.
„Ja, ich weiß das."
„Und warum tust du das dann?"
„Was denn?"
„Na das!", sagte er laut und zeigte auf sie. „Wir waren uns näher als je zuvor und du willst mir das kaputt machen."
Daichi schüttelte sofort mit dem Kopf.
„Nein, Noya, es ist toll, dass sie gekommen ist. Aber sie ist die ganze Nacht durchgefahren und muss eigentlich in zwei Stunden auf Arbeit sein. Wenn ich sie nicht wach machen soll-...", er wurde von Noya unterbrochen.
„Ach, mach doch was du willst.", sagte er leise und setzte sich an die andere Bettkante, die zum Fenster gerichtet war. Er sah in den bewölkten Himmel. Nebenbei lauschte er Daichi wie er sie sachte weckte.
„Was? Wie?", murmelte sie und rieb sich die Augen. „Bin ich echt eingeschlafen? Wie lang habe ich denn geschlafen?"
Daichi zuckte unwissend mit den Schultern und warf Noya einen Blick zu, der über seine Schulter zu den beiden schielte. Er musterte Angie und biss sich auf die Unterlippe. Er wäre am Liebsten wieder in Tränen ausgebrochen. Wieder erfüllte die schwere Leere seinen Körper, die ihn auslaugte und schlapp machte.
„Ich muss zur Arbeit.", sagte sie verschlafen und nahm sich ihren Rucksack und wollte los ohne sich von Noya zu verabschieden.
Doch Daichi hielt sie auf.
„Nein, das schaffst du nicht mehr und außerdem hast du kaum geschlafen. Melde dich für heute krank. Ich bringe dich zurück in dein Apartment, wo du ausschlafen kannst.", schlug er vor und wählte mit Bedacht seine Worte. Sie drehte sich zu Noya um.
„Und du?"
„Seine Eltern sind unterwegs. Ohne sie kann er nicht entlassen werden.", sagte er und folgte ihrem Blick.
„Okay.", sagte sie leise und ging auf den Libero zu. Sie beugte sich leicht nach vorn, wuschelte ein bisschen durch sein pechschwarzes Haar. „Ich fahre mit Daichi mit. Deine Eltern kommen sicher auch gleich. Wir werden uns nochmal sehen." Sie lächelte sanft und verlor sich einen Moment in seine Augen, wo sie glaubte etwas merkwürdiges zu sehen, was sie sofort wieder vergaß.
Noya schluckte schwer und wäre am Liebsten mitgefahren. Er wollte auch mal ihr Apartment sehen und Zeit mit ihr verbringen, was sehr viel bedeutete. Eine Kraft, die direkt von ihr aus ging, zog Noya wie ein Magnet magisch an.
„Bis später. Ich komme nachher mal rum.", sagte Daichi und verließ mit ihr das Zimmer.

RED EYES - HQ!!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt