- Teil 2

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„Der Ball flog haarscharf über das Netz vorbei an den Blockern und niemand konnte ihn halten. Das war unser Sieg gewesen... durch meinen Aufschlag.", erzählte Oikawa stolz und zog an seinem Plastestrohhalm seines Vanillemilchshakes. Ich blieb wegen Sarah bei den beiden und verbrachte den ganzen Nachmittag mit ihnen, nur ihr zu Liebe. Sonst hatten wir nie Zeit sich zu sehen und zu quatschen, was eh eine hoffnungslose Mission war. Aber ihr japanisch war genauso gut wie meins. Oikawa's Stimme reizte meine Ohren. Ich hörte immer nur Ich, Ich, Ich und bevor ich es vergaß; nochmals Ich. So ein selbstverliebtes Arschloch.
„Du bist einfach klasse.", kicherte Sarah und sie küssten sich schon zum x-mal. Ich hatte schon aufgehört mitzuzählen und den beiden dabei zusehen, tat ich sowieso nicht. Mein Blick fiel aus dem Fenster des Autos. Wir standen auf eine Art Feldweg nahe der Stadt. Hier schlürften wir unsere Milchshakes. Ausnahmsweise hatte ich mir auch einen gekauft und hoffte auf keine weiteren dummen Kommentare oder Beleidigungen, die aufgehört hatten als wir den Park verließen. Trotzdem wollte ich den beiden den Tag nicht vermiesen. So eine scheiß Freundin war ich dann auch nicht. Ich meine, sie passten gut zusammen. Beide eitel, waren schrill und laut, waren gutaussehende junge Menschen, die ihr Leben genossen während ich, elendes Stück Dreck, wie ein verlassender Grashalm am Straßenrand hinten auf der Rückbank saß und darüber nach dachte, was ich heute zum Abendbrot esse. Na ja, irgendjemand musste sich die Gedanken machen.
„Alles gut?", fragte Sarah erst auf japanisch und sah zu mir. Ich schreckte aus meinen minderwertigen Gedanken und blickte in ihre strahlend blauen Augen.
„Ähm, ja. Alles gut.", erwiderte ich und knabberte nervös an dem Strohhalm.
„Ich weiß, das was ist." Sie sprach mit mir auf deutsch, damit Oikawa nichts verstand. Das sah man ihn auch an.
„Nö, alles jut. Ich denk' nur'n bisschn nach. Wat soll sein? Scheiß Tach heute.", murmelte ich in meinem Dialekt, den ich niemals ablegen würde. Nur leider konnte ich diesen nicht ins japanische übertragen und verlor somit ein wenig meine witzige und humorvolle Art. Die Menschen in unserer Heimat lachten immer. Besser als zu heulen.
„Mh.", fing sie an, „Ich dachte, du freust dich."
„Ick freu misch doch och für dich. Dad kannste mir glauben.", sagte ich und starrte auf meinen Trinkbecher, der halbleer war.
„Fand did nur scheiße, wie er mich beleidigt hat, weil ich nich so schlank und rank wie du bin. Did tat weh."
„Ja, ich fand das auch scheiße. Werde mit ihm nochmal drüber reden.", erwiderte Sarah und lächelte sanft. Den Rest, dass ich mich auch nach Liebe und Zuneigung sehnte, verheimlichte ich ihr gekonnt. Ich wollte keinen Streit anzetteln, denn dazu war mir die Zeit mir ihr zu lieb.
„Babe?" Sarah sah zu Oikawa, der auf seinem Handy rumtippte. „Fährst du Angie bitte nach Hause?"
„Wäre es nicht sinnvoller, wenn sie läuft?", fragte er und drehte den Schlüssel um, der Motor startete.
„Fahre sie, bitte."
Ich seufzte und wäre am Liebsten aus diesem scheiß Wagen gestiegen. Was zur Hölle machte mich weniger attraktiv als Sarah? Meine Figur? Ich verstand den Sinn dahinter nicht und ärgerte mich innerlich. Am Liebsten hätte ich den scheiß Milchshake wieder ausgekotzt.
„Aber nur, weil du es bist, little Princess.", sagte er mit romatisch unterspielten Ton und fuhr los. Und genau jetzt hätte ich gern geheult und ihn welche um die Ohren gehauen. Konnte kein Kerl einmal nett zu mir sein?
Ich spielte die ganze Fahrt über mit dem Plastikbecher und verabschiedete mich herzlich von Sarah. Oikawa warf ich nur einen vielsagenden Blick zu, der ihn mit einem schiefen Grinsen begegnete.
Ich schaute den zwei Turteltauben hinterher und verkroch mich in meinem Apartment.

Die Schlüssel feuerte ich auf die im Flur stehende Kommode, meine Schuhe kickte ich in die nächste Ecke und den Trinkbecher warf ich in den Müll. Ich war so wütend, dass die ganzen Unsicherheiten und schlechten Gedanken meinen Kopf einnahmen. Sie quälten mich des öfteren, wenn ich dem Druck nicht mehr Stand halten konnte und meine aufgebaute Mauer zum Schutz vor bösen Worten in sich zusammen fiel. Es war mühsam sie wieder einigermaßen Stein für Stein aufzubauen und ihr die nötige Stabilität bieten zu können. Dafür bedarf es Zeit und fröhliche bunte Gedanken, die ich nur fand, wenn mein Hirn das auch wollte. Und das war nur das kleinste Übel.
Ich stampfte in die Küche und machte den Kühlschrank auf. Dort nahm ich mir eine Schokoladentafel raus und verkroch mich in mein Bett, wo ich wie ein kleines Kind auf der Decke saß und die Tafel Stück für Stück futterte. So konzentrierte ich mich auf das Essen anstatt auf die Gedanken, die es weiterhin versuchten mein Leben schwer zu machen. Aber nach nur drei kleinen Stücken schmiss ich die Tafel gegen die weiße Wand gegenüber meines Bettes und kroch unter die Decke, wo ich mein Gesicht in das Kuscheltier drückte und wieder einmal merkte, wie verloren und allein ich eigentlich war. Die sogenannte Freundschaft zwischen dem Team und mir kam mir vor wie eine schlechte Komödie, die ich mir vorstellte zu haben. Es mochte mich sowieso niemand. Sie waren nur so nett, weil ich Ausländerin war und sie ihre Gastfreundlichkeit unter Beweis stellen wollten.
Ich strengte mich an, aber das kleine Ich wurde wieder einmal in meinem Kopf von einem großen Stein zermalmt.
Mir flossen die Tränen.

RED EYES - HQ!!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt