KAPITEL IV - Teil 1

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Das Training

Nachdem ersten Date mit Nishinoya sind mittlerweile drei Wochen vergangen und seither ist der Kontakt nicht mehr so wie vorher. Er hat seine alte Frisur wieder und spielt viel energischer als vorher, das sich positiv auf das gesamte Team ausgewirkt hat. Doch zwischen mir und ihm läuft nichts mehr, weshalb ich mir leer und verlassen fühle. Oft wünschte ich, dass ich die Zeit zurück drehen könnte und das Treffen in eine ganz andere Richtung gelenkt hätte sodass er mich noch ansieht oder gar mit mir spricht. Den anderen ist sein verändertes Verhalten aufgefallen, doch keiner sagt so wirklich etwas. Ich fühle mich seitdem nicht mehr willkommen und falle deshalb in der Mädchenmannschaft stark zurück. Leider trainierte mich Noya nicht mehr womit eine große Chance für mich und das Team wegbrach. Daichi und Sugawara waren die einzigen, die sich noch um mich kümmerten neben Coach Ukai, der sowieso für mich zuständig war. Sie verhielten sich auch merkwürdig, was ich aus Angst auch noch die beiden zu verlieren sein ließ. Man könnte sagen, dass ich doch noch meine gute Freundin hier habe, aber das versickerte langsam im Sand. Sie schwebte mit Oikawa auf Wolke sieben, der ihr den Himmel zu Füßen legte und ihr die beste Zeit ihres Lebens bescherte. Und ich durfte in der ersten Reihe sitzen und zu gucken. Was gab es schlimmeres als ein Außenseiter zu sein, der sich nach wahren Freunden, Liebe und Freiheit sehnte? Jedoch borgen die letzten Wochen einige Überraschungen, die mir Hoffnung gaben. Für ein paar Oberschulen wurde ein einwöchiges Trainingscamp organisiert, damit sich die Mannschaften optimal auf das kommende Frühlingsturnier vorbereiten konnten und der Coach hatte die Information erhalten, dass auch ich mitfahren durfte. Vielleicht traf ich auf meine beste Freundin und konnte somit ein wenig Zeit mit ihr verbringen, um auf andere Gedanken zu kommen. Es sollte schon nächste Woche starten, weshalb ich über das Wochenende meine nötigen Sachen zusammen gepackt hatte und nur noch die restlichen Sachen zusammen packen musste. Der Wecker klingelte pünktlich um sechs Uhr morgens. Die Nacht war relativ schnell vorbei, aber ich hatte überraschend gut geschlafen und hüpfte aufgeregt und motiviert neue Leute kennenzulernen ins Bad. Daichi hatte mir ausführlich über die Erzählung der Karasuno-Oberschule erzählt, die ich anfangs nicht glauben konnte, weshalb man sich noch mit Ukai traf, der Daichi nur bestätigte. Ich fragte mich, ob es vom Schicksal so gewollt war oder ob ich wieder nur die Arschkarte gezogen hatte. Noch etwas müde nahm ich meine Zahnbürste, quetschte den Rest der Zahnpasta auf die harten Borsten und warf einen Blick in den Spiegel. Die Zahnbürste glitt mir aus der Hand und plumpste laut auf die kalten Fliesen vor meinen Füßen. Die roten Augen stellten sich als Begleiterscheinung heraus, sobald man Hand und Fuß in der Karasuno gegriffen hatte, was bei mir sehr früh schon der Fall gewesen ist und meine weiße dicke Strähne im Nacken zeugte von großer Barmherzigkeit und Güte. Je weißer das Haar, umso erfüllter der Mensch. Während der ganzen Zeit hatten sich ab und an schmale hellblonde bis weiße Strähnen in mein dunkles Haar gemischt, weshalb es immer schwieriger wurde diese zu verstecken. Doch nun gab es ein weitaus größeres Problem. Mit großen Augen betrachtete ich meine Haare, die von Ansatz bis in die Spitzen von sehr hellblond bis schneeweiß reichten. Es waren keine einzelnen Strähnen mehr, nun hatte es meinen ganzen Kopf eingenommen.
„Nein!", brüllte ich mein Spiegelbild an und hatte Angst, um das, was die Jungs und der Coach mir erzählt hatten. Neben meinen feuerroten Augen, die ich langsam zu kontrollieren wusste, gesellten sich nun helles Haar hinzu. Wie sollte ich das nur den anderen verklickern?! Ich ballte meine Hände zu Fäusten und atmete schnell. Ich wollte keine Flügel und Krallen, ich wollte keine roten Augen oder weißes Haar, ich wollte die beste Zeit meines Lebens!
„Scheiße!" Ich haute mit Wucht auf den Badewannenrand bevor ich die Zahnbürste aufhob und säuberte. Ich musste mir unbedingt eine Ausrede einfallen lassen und so tun als wäre ich beim Friseur gewesen, obwohl es glasklar auf der Hand lag. Daichi, Suga und Coach Ukai konnte ich nichts vor machen. Das stand schonmal fest. Deshalb war es jetzt wichtig die Ruhe zu bewahren. Nachdem ich im Bad unter Tränen meine Zähne geputzt und den Rest in die Kulturtasche verstaut hatte, zog ich mir den Trainingsanzug an und kramte meine Schminke und das Haarzubehör hervor. Ich hatte noch kurz Zeit, sodass ich mich dezent schminkte und meine mittlerweile langen bis zur Brust reichenden blond-weißen Haare lockte. Mir blieb nur ein kurzer Blick in den Spiegel bevor ich die große Sporttasche schnappte, die man auch als Reisetasche nutzen konnte und kontrollierte vorher alle Räume und machte mich dann auf den Weg zur Karasuno. Unterwegs entschied ich mich für einen hohen locker gebundenen Pferdeschwanz und zwei Strähnen, die mein Gesicht sanft umspielten. Ich musste zugeben mir gefiel der neue Anblick, mir gefiel mein neues Ich.
Kurze Zeit später traf ich an der Schule an, wo schon der kleine Reisebus stand, den Her Takeda mit Coach Ukai organisiert hatten. Zu meiner Überraschung waren nur die beiden Lehrer und Daichi zu sehen. Vielleicht saßen die anderen schon im Bus.
„Guten Morgen!", rief Daichi mir rüber als er mich von weitem erblickte. Ich winkte lächelnd zurück und wurde zunehmend nervöser. Ich wusste nicht genau, was mich erwarten würde, aber ich hätte mir nicht so einen Kopf machen sollen. Schließlich bestimmt das Schicksal über einen.
„Morgen, Angie.", sagte der Coach als ich am Bus ankam und starrte sofort meine Haare an. Ich lächelte meine Unsicherheit weg.
„Was ist denn mit deinen Haaren passiert?", fragte er überrascht. Ich wusste, dass er nur so tat, um den ganzen Fluchgelaber zu entkommen.
„Was soll denn passiert sein? Hatte Lust auf eine Veränderung und habe sie mir hellblond und weiß färben lassen. Das Wochenende war eben lang und langweilig.", erklärte ich gelassen und verstaute meine Tasche in den Stauraum des Reisebusses, der schon vollgestellt mit den restlichen Taschen war. Dann saßen die anderen wohl schon drin.
„Steht dir.", bemerkte Daichi und lächelte mir zu. Ich stieg wortlos in den kleinen Bus und setzte mich sofort neben Kiyoko, die mich geschockt musterte.
„Was ist denn mit dir passiert?"
„Ach, nur Haare gefärbt.", sagte ich schulterzuckend.
„Das sieht sehr schön aus.", bemerkte sie und kicherte leise. Ich warf ihr ein kleines Lächeln zu und holte meine Kopfhörer raus. Mir war es egal, ob ich den anderen einen Gruß zu rief oder nicht. Sie interessierten sich auch nicht mehr für mich, weshalb ich nur noch mein Interesse auf die Aufgaben für die Schule geworfen hatte. Ich musste zugeben, dass mir die Ignoranz im Herzen Leid tat und ich zu gern dagegen etwas unternehmen wollen würde. Aber es waren alles noch kleine Jungs, die sich im Volleyball gegen andere messen wollten. Während der Fahrt hörte ich immer wieder leises Tuscheln, das ich versuchte zu überhören. Ich stand kurz davor den ganzen Bus zusammen zu brüllen, doch steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und schaltete ab.

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