Kapitel 9

656 19 35
                                    

Sofort kam Samu zu ihr und stellte Charlie neben der Liege auf dem Boden ab. Die geröteten Augen machten ihm unheimlich Angst und sofort legte er seine Hände an ihre Wangen, um ihr vereinzelte Tränen zur Seite zu streichen. Ihr verweintes Gesicht konnte einfach alles bedeuten und besorgt sah er sie an. Sein Herz raste wie verrückt, zwar war sie nicht mehr so verkrampft und sah generell entspannter aus, doch das konnte auch an Medikamenten oder was auch immer liegen und so holte er Luft. Aber bevor er richtig fragen konnte, drängte sich Charlie vor ihn und klammerte sich an dem Arm seiner Mutter fest.

„Mami...", schniefte er ängstlich und die Sängerin versuchte sich aufzusetzen. Sofort war der Finne hinter ihr und stützte sie etwas, sie sah nicht mehr so aus, als hätte sie schwere Schmerzen, trotzdem würde er die schrecklichen Bilder von ihr nicht mehr vergessen und hielt ihre Hand fest in seiner. „Hast du immer noch Aua?", fragte der Dreijährige weinerlich und sah sie groß an. Auch für ihn war die letzte Stunde angsteinflößend gewesen, auch wenn er nichts von der Schwangerschaft wusste und so zwang sich Yvonne zu einem schwachen Lächeln. „Nein, nicht mehr Großer...", beruhigte sie ihn leise und räusperte sich. „Siehst du das?", sie deutete auf eine Infusion, welche neben ihr an einer Halterung befestigt war und neugierig sah der Kleine sich den Schlauch an, der an ihrer Hand angebracht war. „In diesem Schlauch ist Medizin drin und die macht mich wieder gesund...", auch wenn sie wusste, dass das nicht so ganz der Wahrheit entsprach, versuchte sie überzeugend zu klingen, denn sie sah seine Angst und Panik und streich ihm mit der anderen Hand kurz durch die Locken.

„Kommst du wieder mit nach Hause?", lautete die nächste Frage und auch Samu horchte auf. Das interessierte nun auch ihn, denn schon die ganze Zeit versuchte er irgendwie Blickkontakt mit ihr aufzunehmen. Er wollte wissen wie es ihr wirklich ging. Was mit ihr und dem Baby war und ob es ihr wirklich so gut ging, wie sie tat. Er konnte nämlich genau erkennen, dass etwas nicht so war wie es sein sollte und es machte ihn nervös. Hatte sie das Baby verloren? Stimmte etwas nicht? War sie schwer krank oder verletzt? Auch Yvonne selbst musste auf die Frage erstmal schlucken und versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. „Das dauert noch ein bisschen mein Großer...", meinte sie dann leise und der Kleine sah bedrückt auf. „Aber wie viel ist bisschen? Wir wollten Eislaufen gehen! Mit Papa!", ein Lächeln huschte über das Gesicht der Sängerin und sanft legte sie ihre Lippen an seine Stirn. „Das werden wir Charlie! Versprochen! Und wenn du so ungeduldig bist, geht der Papa bestimmt ganz bald auch mit dir hin!", Samu lächelte leicht. So groß auch die Unsicherheit und Panik in ihm war, sie als Familie hielten zusammen und die beiden gerade jetzt zu beobachten tat ihm irgendwie total gut.

Allerdings betrat wenig später eine Ärztin das Zimmer, welche auf Englisch erklärte, dass sie nun auf ein Zimmer verlegt werden würde. Yvonne nickte einverstanden und sah dann von der Ärztin zu Samu, diese verstand was sie von ihr wollte und fragte dann auf Finnisch, ob es für den Blonden okay wäre, noch kurz hierzubleiben. Unentschlossen sah Samu zu seiner Freundin, ihre Augen waren etwas glasig geworden und sie schenkte ihm ein kaum merkliches Nicken mit einem zustimmenden Lächeln. Wahrscheinlich wollte die Frau ihm nun erklären was sie hatte, doch nur schweren Herzens nickte er, wenn sie lächelte, sollte er hierbleiben. Zwar durfte Charlie bei ihr auf der Liege sitzen bleiben und wurde schließlich auch zusammen mit ihr rausgeschoben, allerdings hätte er sie am liebsten keine Sekunde aus den Augen gelassen, auch, wenn er unbedingt wissen wollte, was mit ihr und dem Baby war.

„Also Herr Haber...", die Ärztin führte die Unterhaltung auf Finnisch fort und bot ihm einen Stuhl an. Unsicher ließ sich der Musiker darauf sinken und knetete unruhig seine Hände, er war unruhig, das war ihm sicher anzusehen, doch es war ihm egal. Er wollte einfach nur wissen, was ein paar Stunden zuvor passiert war und vor allem, wie es Yvonne und ihrem gemeinsamen Kind ging. So sah er einfach nur aufmerksam zu seinem Gegenüber und kaute auf seiner Unterlippe.

Sei nicht so hart zu dir selbstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt