Kapitel 10

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Als Yvonne am nächsten Morgen erwachte, sah sie sich verschlafen um. Im ersten Moment wusste sie nicht wo sie war, denn das Zimmer war ziemlich weiß und hell. Auch das Bett fühlte sich irgendwie anders an, doch nachdem ihre Augen sich an das grelle Licht gewöhnt hatten, kam die Erinnerung zurück. Sie war immer noch in Helsinki, allerdings in einem Krankenhaus und nachdem sie sich erst einmal gestreckt hatte, legte sie ihre Hände auf ihrem Bauch ab. Die heftigen Schmerzen von gestern hatten sich total verändert, sie spürte nur noch ein leichtes Ziehen, welches die Ärztin ihr gestern genau erklärt hatte. Starke Schmerzmittel durften sie ihr durch die Schwangerschaft nicht mehr geben und doch schlich sich ein glückliches Lächeln auf ihr Gesicht. Samu wusste, dass sie ein Baby, sein Baby, in sich trug und so seufzte sie leise.

Im nächsten Moment hielt sie inne, dieses Gefühl, welches sich jetzt ihren Magen hochschlich, kannte sie nur zu gut von der Zeit, als Charlie noch in ihrem Bauch gewesen war und nervös schlug sie ihre Bettdecke zurück. Ihr war total übel, doch ihre Beine waren weich, sie wusste nicht wie sie sie nach dem ganzen Liegen und den Medikamenten tragen würden. Aber auf keinen Fall konnte sie sich ins Bett übergeben und so stützte sie sich auf der Matratze ab. Ihre Beine waren zwar etwas zittrig, doch sie konnte stehen und nachdem sie halbwegs eine Balance gefunden hatte, ging sie schwankend in das angrenzende Bad. Keine Sekunde zu früh, denn kaum hatte sie sich irgendwie abgestützt, zwang der Würgereiz sie in die Knie und mit einem Stöhnen übergab sie sich. So froh sie auch darüber war, dass der Finne bescheid wusste und sie sich auf ihr zweites Kind freuten, sie hatte diese anstrengenden Symptome nicht wirklich vermisst und so versuchte sie weiter Halt zu finden. Ihre Hände zitterten ein wenig, sie hatte bis auf das halbe Brötchen gestern nicht wirklich was gegessen und so tat das Würgen umso mehr weh.

Erschöpft lehnte sie sich knappe 10 Minuten später an die Wand und fasste sich an die Stirn. Sie verfluchte sich innerlich nicht sofort eine Schwester oder wenigstens nach Hilfe gefragt zu haben, denn egal wie früh es war, von einem auf den anderen Moment fühlte sie sich total entkräftet und spürte auch, wie ihre gute Laune dahinfloss. Genervt seufzend drückte sie sich an der Wand hoch und wankte zum Bett zurück. Sie fühlte sich wirklich mies und so sah sie auf ihren Bauch runter. Wieder einmal wuchs ein kleiner Mensch in ihr und eigentlich wollte sie sich darüber freuen, doch ihr schmerzender Magen und unterer Bauchraum mit der Blasenentzündung machten ihr einen fetten Strich durch die Rechnung. Wie als hätte jemand einen Schalter umgelegt, prasselten auf einmal negative Gedanken, Einflüsse und Szenarien auf sie ein. Zweifel überrollten sie und nervös rutschte die Sängerin weiter unter die Decke. Das war doch alles nochmal purer Stress! Zwar würde sie nicht alleine sein und hatte Samu bei sich, doch dieser hatte auch seine eigene Karriere! Er hatte seine Jungs, war erfolgreich, machte fantastische Musik! Sie schluckte schwer, die Jungs wollten in einigen Monaten auf Tour gehen. Die Club-Tour sollte bald starten und unwillkürlich schoss ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Sie würde im ungefähr 5. oder 6. Monat sein, wenn er weg war und auf einmal bekam sie wieder Angst. Zwar hatte sie sich über diesen Zeitraum freigenommen, doch nicht um sich für ihr zweites Kind und die Geburt vorzubereiten, sondern um sich um Charlie zu kümmern. Wenn ihr blonder Finne nicht da war, musste sie umso mehr auf den Kleinen achten und zitternd rutschte eine Hand auf ihren Bauch. Wie sollte sie das denn schaffen? Alleine, schwanger und jetzt auch noch mit einem Kleinkind?!

Natürlich machte sie niemandem Vorwürfe. Charlie und Samu waren ihr ganzes Leben, sie liebte sie beide mehr als alles andere, doch sie war doch vor 3 Jahren schon total hilflos gewesen, war nur durch die erfahrene Heide und ihre besten Freundin Saskia unbeschadet durch das alles gekommen. Aber jetzt? Ihr Freund würde auf Tour gehen, beschäftigt sein und brauchte seine Konzentration. Wegen ihr durfte er auf gar keinen Fall die Tour absagen oder seine Jungs vernachlässigen. Sie waren eine großartige Gruppe, eingespielt und glücklich. Auf gar keinen Fall durfte irgendetwas passieren und so schluckte sie wieder. An was er wohl gerade dachte? Vielleicht schlief er ja auch noch mit Charlie im Arm. Sie lächelte wehmütig, am liebsten wäre sie jetzt bei ihnen, würde sich dazu kuscheln. Samu würde bei ihr sein, sie könnten zusammen entscheiden, er würde ihr die Angst nehmen und sich nicht mehr so hilflos fühlen.

Sei nicht so hart zu dir selbstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt