27. Die Geiseln

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Die Stimmung des gesamten Teams war am Boden. Der Ehrgeiz und unsere Zuversicht waren verschwunden. Bei allen, bis auf Berlin.
Er war der Einzige, der noch immer bei bester Laune war und ich musste mir selber eingestehen, dass es auch mir schlechter gehen könnte.

Wie wir es vorausgesagt hatten, haben die Geiseln versucht zu rebellieren. Allerdings war das schon einkalkuliert, weswegen wir sofort mit dem Plan fortfuhren.
Die Geiseln wurden vor die Wahl gestellt: Geld oder Freiheit.

Ich stand vor dem Büro, in dem Berlin die Gespräche halten würde. Zeitgleich würde auch Nairobi ihm einen Teil der Geiseln abnehmen.
In einigen Momenten würde unser Anführer mir das Zeichen geben, die erste Geisel zu holen.

Nervös tippte ich auf meiner Waffe herum, die um meinem Hals mit einem Band befestigt war. Ich würde das erste Mal als Geiselnehmer auftreten.

"Hey, wie geht's?", ertönte plötzlich Berlins Stimme hinter mir. Er stand am Türrahmen gelegt da und lächelte.
"Mach' dir keine Gedanken, du bist da unten ja nicht allein."

Er kam einen Schritt näher und gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn.
"Du schaffst das. Meine Frau schafft alles!", flüsterte er und ich brachte ebenfalls ein kleines Lächeln zustande.

Mit seinen aufmunternden Worten schöpfte ich das nötige Selbstvertrauen und ging zur Eingangshalle.
Die erste Geisel war Mercedes...

Ich nahm einen tiefen Atemzug, bevor ich die Treppen nach unten ging. Sobald ich in Sicht kam, mit der Waffe in der Hand, klappten den Geiseln die Münder auf. Während ich an der ersten Reihe vorbeilief, konnte ich ihre ungläubigen Blicke nicht ignorieren.

"Du bist eine von denen?", ertönte die piepsige Stimme von Maddy, eine der Schülerinnen, mit der ich mich zuvor sehr gut verstanden hatte. Ohne auf sie zu reagieren, ging ich weiter.
"Hast du uns verraten?!", fragte ein älterer Herr, Pablo war sein Name.

Ich konnte die Blicke von Rio und Tokio in meinem Rücken spüren und schließlich blieb ich vor Mercedes stehen, die auf den Boden schaute.
"Aufstehen und mitkommen", befahl ich mit fester Stimme. Ich war selber darüber erstaunt, wie autoritär meine Stimme klingen konnte.

Ohne jegliche Form von Protest stand sie auf und ich griff ihren Arm, um sie nach oben zu bringen. Ihr Körper versteifte sich unter meinem Griff und ein unbehagliches Gefühl machte sich in meinem Magen breit.

"Du Verräterin!", brüllte jemand hinter mir und weitere Rufe ertönten. Ich warf einen Seitenblick zu meinen Kollegen und Tokio nickte mir dezent zu, bevor sie die Geiseln mit ein paar Warnschüssen zum Schweigen brachte.

Schließlich bogen wir um die Ecke und waren außerhalb des Sichtfeldes der anderen Geiseln.
"Was haben sie dir geboten?", murmelte Mercedes und blieb plötzlich stehen. Sie schaute mich vorwurfsvoll an und ich konnte den Schmerz in ihren braunen Augen erkennen. Ich seufzte. Der Griff um meine Waffe lockerte sich etwas.

"Sie haben mir nichts geboten, Mercedes", erklärte ich leise und musste dabei zusehen, wie die Erkenntnis sie traf, dass ich sie von Anfang an belogen hatte. Ihr Mund klappte auf und sie wich einen Schritt vor mir zurück.

"Du wusstest, dass dieser Ausflug in einer Geiselnahme enden wird? Das unsere Schüler in Gefahr gebracht werden und bedroht werden durch Maschinengewehre!?", hisste sie. Stumm nickte ich und die Lehrerin schüttelte ungläubig den Kopf.

"Wir müssen weiter", murmelte ich und griff die ältere Frau am Arm. Sie riss sich los und sah mich erzürnt an.
"Fass' mich nie wieder an, du Lügnerin." Ich verdrehte die Augen, griff sie forsch am Overall und schob sie vor mir her, ohne ihr die Chance zu lassen, sich zu befreien.

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt