4. Schießstand

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Wir reihten uns entlang des Übungsplatzes auf, immer drei in einer Reihe. Die anderen standen hinter uns. Neben mir standen Rio und Tokio, welche sich anzügliche Blicke zuwarfen. Genervt verdrehte ich die Augen, als die ersten Schüsse abgefeuert wurden. Vor mir standen nämlich Moskau, Denver und Nairobi, welche allesamt ohne Mühe die Scheiben trafen.

Der Professor ließ uns zuerst mit Pistolen, dann mit den schwereren Waffen schießen, damit wir uns erst einmal an die Waffen gewöhnen würden. Doch er schien mit den Dreien sehr zufrieden zu sein, da nun meine Reihe vor den Waffen stand.

So wie wir es geübt hatten, lud ich zuerst die Pistole, eine Glock. Ich merkte, wie meine Hände bereits begannen zu zittern, doch versuchte es so gut wie möglich zu verstecken. So konzentriert wie möglich hob ich die Waffe und zielte. Dann viel der erste Schuss, weit am Ziel vorbei. Ich atmete einmal tief durch und hob die Glock erneut. Zielen, Schießen, Feuer...doch erneut weit vorbei.

Von der Seite ertönte die Stimme des Professors. "Rio, Tokio, gut gemacht, geht ans Ende der Reihe. Valencia, du bleibst." Nun rückten Helsinki und Oslo vor, welche beide sofort nach der Waffe griffen und der Metallsilhouette in den Kopf und die Brust trafen.

Ich begann wieder zu zielen, doch da legte sich eine Hand auf meinen Unterarm. Ich roch Berlins Aftershave. Ohne ein Wort zu sagen, richtete er meine Körperhaltung und den Griff um die Waffe, während ich ihn stock steif machen ließ. Nachdem alles zu seiner Zufriedenheit zu sein schien, ging er wieder auf seine Position hinter mir. Ohne Stichelei, ohne Scherz, einfach wortlos und doch vertraute ich ihm bei dem, was er tat. Er kannte sich schließlich viel besser mit Waffen aus, als ich.

Ich setzte erneut zum Schuss an, ohne meine Position zu verändern und betätigte den Abzug. Und diesmal traf ich, zwar nur in den Arm der Figur, aber es wäre ein Treffer. Fragend sah ich den Professor an, der zufrieden nickte und mich mit einer Handbewegung ans Ende der Reihe schickte.

Als ich an Berlin vorbei ging, griff ich im Vorbeigehen seinen Unterarm und flüsterte: "Danke", aber so leise, dass es niemand sonst hören würde, da die anderen sich gerade sowieso lautstark unterhielten. Er sah mich für einen Moment nur an, doch dann weichten seine Gesichtszüge auf und er nickte mir zu. "Du hast deine Hand immer noch da", flüsterte er genauso leise. Er hatte recht, schnell nahm ich meine Hand wieder in meine Jackentasche und während ich nach hinten ging, hörte ich immer noch sein tiefes Lachen, welches mir eine Gänsehaut verpasste. Oder war es das kalte Wetter? Der Wind pfiff im Moment recht stark über das Grundstück hinweg, wahrscheinlich lag es daran.

Nachdem ein paar Durchgänge abgeschlossen waren, traf ich das Ziel immer sicherer und öfter, vor allem aber an den richtigen Stellen. Doch nun gingen wir an die M16. Die Waffe, die ich nie wieder anfassen wollte.

Während die anderen eine Pause machten, etwas aßen und tranken, ging ich möglichst unauffällig hinüber zum Professor, der alleine etwas abseits in Gedanken versunken auf einer Bank saß. Er hörte meine Schritte im Gras und wendete seinen Blick in meine Richtung. Ohne ein Wort klopfte er auf den freien Platz neben sich und ich setzte mich.

"Es geht um die M16, oder?" Perplex schaute ich zu dem Braunhaarigen, der mich nur ruhig ansah. Ich nickte. Ich wusste, dass der Professor viel über uns wusste, aber das? "Es tut mir Leid aber ich kann dich davon nicht befreien. Wenn es während des Überfalls nur noch eine M16 gibt, dann musst du dich im Ernstfall damit verteidigen können", meinte er.

"Es geht nicht, ich kann und will nie wieder mit einer M16 schießen. Ich verstehe Ihre Gründe, denke ich, aber es geht nicht, noch nicht." Ich schüttelte matt mit dem Kopf, während ich vor meinen Augen einen der schlimmsten Augenblicke meines Lebens vorbeiziehen sah. Schreie, Blaulicht, Blut, Tod...

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt