17. Nachricht

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Mein ganzer Körper stand unter Strom, denn in diesem Moment zielten mindestens drei Scharfschützen auf Berlins Brust, der keine Möglichkeit hätte, sich in Sicherheit zu bringen.
Im Kopf sprach ich den Text mit und zählte die Sekunden herunter.

Den Blick durchgehend auf die Tür gerichtet, ballte ich meine Hand zur Faust, so stark ich konnte, um keinen auffälligen Laut von mir zu geben.
Als ich auf meine Hand schaute, schauten meine Fingerknöchel bereits weiß unter der Haut hervor.

Der Krampf in meiner Hand entspannte sich erst, als ich die roten Overalls in der Tür sah und kurz darauf den maschinellen Vorgang der Türschließung.
Es geht ihm gut, musste ich mir immer wieder in Erinnerung rufen, damit meine Atmung ruhig blieb.

Wir wurden wieder in Reihen aufgestellt und die Arbeiter für den Tunnel wurden ausgewählt.
Plötzlich fing eine Frau neben mir an, immer hektischer zu werden.
"Ist alles in Ordnung bei Ihnen?", flüsterte ich besorgt und legte ihr einen Arm um die Schultern.

"Hören Sie, Sie müssen ganz ruhig atmen, okay?"
Doch die Frau reagierte nicht, eher verschlimmerte sich ihr Zustand.
"Sollen wir dir ein Beruhigungsmittel geben?" Plötzlich stand Berlin vor mir und während die Frau panisch begann zu nicken, wechselten wir stumm einen Blick.

"Nimmt hier sonst noch jemand Medikamente?", richtete er nun die Frage auch an die anderen Geiseln und einige Frauen hoben die Hand.
Es bildete sich ein Kloß in meinem Hals, als die blonde Frau, Monica, um eine Abtreibungspille bat.

In dem Moment trat Nairobi an Berlins Seite. Mit einem Nicken deutete sie in meine Richtung.
"Wir sollten ihr auch einige Magentabletten geben, nach dem Vorfall heute früh", hörte ich sie murmeln und der Braunhaarige nickte leicht.

Wir waren bereits drauf und dran, zum Büro des Direktors zu gehen, da erhob Alison die Stimme. Sie bat darum, ein Foto löschen zu können, doch der Wunsch wurde ihr natürlich abgeschlagen.
Ich war mir nicht einmal sicher, ob es nicht nur ein Trick sein sollte, um eine Botschaft an die Polizei abzusetzen, doch das würden wir wohl erst einmal nicht erfahren.

"Jeder von euch kann eine Nachricht an seine Familie absetzen", sagte Berlin, bevor er Nairobi das Kommando übergab und mit mir und den anderen Frauen zum Büro von Roman ging.

Uns wurde befohlen, dass wir uns auf das Sofa setzen sollten und Berlin ließ sich derweil hinter dem großen Schreibtisch nieder.
Die Frauen waren sichtlich nervös, wahrscheinlich, weil Berlin jede von ihnen genaustens unter die Lupe nahm.
"Eure Medikamente werden im Laufe des Tages eintreffen", erklärte er beiläufig.

Eine Weile saßen wir nur in Stille, während ich die weinende Frau von vorhin im Arm wiegte. Allmählich klang die Panikattacke ab und sie begann damit, wieder normal zu atmen.
Die ganze Zeit über spürte ich Berlins Blick auf mir liegen.

Kurze Zeit später kam Tokio in den Raum, um die erste Frau, Ariadna, abzuholen, damit sie ihre Nachricht sprechen konnte.

Diejenigen, die ihre Nachricht aufgenommen hatten, würden wieder nach unten zu den anderen gebracht werden, da vermutlich bald das Essen eintreffen würde.
Wie zur Bestätigung, begann mein Magen in diesem Moment zu knurren.

Nach und nach leerte sich der Raum und als die letzte Frau von Tokio abgeholt worden war, legte sich eine unangenehme Stille über das Büro.

Ich schaute hinüber zum Schreibtisch. Berlin war aufgestanden und schaute aus dem Fenster nach draußen.

"Ich war fünfmal verheiratet, doch jedes Mal habe ich wieder angefangen, an die Liebe zu glauben. Und wofür? Um von der Sechsten betrogen zu werden", murmelte er kopfschüttelnd und plötzlich wusste ich, was hier los war.

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt