31. Roulette

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Sie kam immer näher und mein Blick glitt zu dem Revolver in ihrer Hand. Tokio schien seltsamerweise in Hochstimmung zu sein.
Endlich hatte sie ein Druckmittel für Berlin, mich.

Ich stemmte mich gegen die Fesseln an, um irgendwie davon los zu kommen, doch es brachte nichts.
In meiner Verzweiflung schaute ich flehend zu den Jungs, allerdings schauten beide nur auf den Boden.

Schließlich hörte ich das Klicken vor mir und die Braunhaarige sah mich dezent lächelnd an.
Ich schaute über ihre Schulter und beobachtete Berlin dabei, wie er mit verzerrten Gesichtsausdruck an den Fesseln und Seilen rüttelte.
Sein Blick war so panisch, wie ich mich gerade fühlte.

In einem Sekundenbruchteil spürte ich das kalte Material an meinem Hals und jappste automatisch nach Luft.
Ich spürte das Adrenalin durch meinen Körper rauschen und starrte in Tokios Gesicht.
Nicht unbedingt das Letzte, was ich auf dieser Welt sehen wollte...

"Tokio, ich warne dich", murmelte Berlin von der Seite und ich konnte den Ärger, der in seiner Stimme mitschwang, nicht überhören. Mein Verlobter kochte von innen.
Ich versuchte meine Nerven zu beruhigen, um irgendwie Herr über die Situation zu werden.

"Das traust du dich nicht", flüsterte ich und brachte endlich den Mut auf, ihr in die Augen zu schauen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie alles riskieren würde, nur weil sie ein Wenig angepisst war.
In diesem Moment ertönte der Abzug. Ich zuckte zusammen, doch die Trommel drehte sich einfach um einen weiter.

Berlin keuchte auf und ich konnte das Scharen seiner Fesseln am Holz des Stuhls hören.

Ohne lange zu zögern, drückte sie ein zweites Mal ab und mein Kopf zuckte leicht zur Seite.
"Willst du mich etwa abknallen?", flüsterte ich, doch Tokio reagierte nicht.
Stattdessen klickte es ein drittes Mal.
"Was ist der Tschernobyl-Plan?", fragte sie erneut.

Meine Augen huschten zu Berlin, in der Hoffnung, dass er mir irgendwie helfen würde, doch er konnte es nicht.
"Du erfährt nichts von mir", zischte ich und kniff die Augen zusammen, als es das vierte Mal klickte.
Angst bereitete sich in meinem Körper aus.

Der einzige Ausweg, der mir momentan noch einfiel, war, dass die anderen uns fänden.
Doch die Druckerei war riesengroß, bis ihnen auffiel, dass etwas nicht stimmte, konnte es schon zu spät sein. Für mich und mein Kind.

Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, das kleine Wesen in mir zu verlieren, nur weil Tokio wieder einmal durchgedreht ist.
Komm schon Nairobi, dachte ich flehend. Sie hatte die seltsame Gabe, immer zu erahnen, sobald etwas schief lief.

Die Frau vor mir setzte den Revolver ein fünftes Mal an meinen Hals und inzwischen konnte ich Berlin nicht mehr ansehen. Der Ausdruck in seinem Gesicht brach mein Herz entzwei und ich hatte mehr sorgen, was mit ihm sein würde, wenn die Kugel treffen würde, als mit mir.
Ich konnte ihn doch jetzt nicht allein lassen, nicht während dieses Überfalls und auch nicht danach. Dafür würde ich sorgen. Ich musste bloß Zeit schinden.

"Du hältst dich für ganz taff, oder? Mir den Revolver an den Hals zu drücken, weil du bei einer gerechten Abstimmung verloren hast?", murmelte ich und versuchte so viel Hass in meiner Stimme mitschwingen zu lassen, wie ich im Moment empfand, "Wie erbärmlich kann man denn sein. Genau aus diesem Grund weißt du nämlich nichts über Tschernobyl, genau wie die anderen. Du würdest alles hier mit deinen komischen Komplexen in die Luft jagen!"

Die Worte waren hart, aber wahr und ich musste ihr Stoff zum Nachdenken geben. Wer nachdenkt, der handelt nicht. Ihr Blick zeigte mir, dass sie meinen Köder geschluckt hatte.
"Wegen dir werden wir noch alle drauf gehen, du hast dich nicht unter Kontrolle und ziehst uns noch alle mit in den Abgrund!" Meine Stimme wurde lauter. Bedingt durch meine Gefühle, aber auch durch die Hoffnung, dass man mich von draußen hörte.

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt