44. Die Flucht

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Es dauerte nicht lange, da hatten wir die restliche Wand aus Erde eingerissen. Ich wartete am Ausgang des Tunnels, zusammen mit den anderen. Irgendwann entdeckte ich dann wirklich den braunen Haarschopf unseres Anführers, das abgetragene und dreckige Hemd und seine Hornbrille, die er sich nur allzu gern auf die Nase schnipste.

Für einen kurzen Moment war der ganze Kummer und der Schmerz vergessen, bei uns allen. Als Berlin dem Professor hoch half, konnte ich das Funkeln und die Erleichterung in den Augen meines Verlobten sehen.
Die beiden vielen sich sofort in die Arme und automatisch musste ich grinsen.
Mit einem Seitenblick zu mir, löste sich Berlin langsam von dem Brillenträger und nickte dann in meine Richtung.
"Darf ich dir vorstellen, meine wunderschöne Verlobte", sagte Berlin lächelnd und die kurze Verwirrung im Gesicht des Professors löste sich rasch auf.

"Schön dich zu sehen Valencia", murmelte er und ohne weiter zu zögern, zog ich ihn in eine herzhafte Umarmung.
"Gleichfalls!"
Die Begrüßung dauerte ein paar Minuten, da auch Helsinki und Nairobi einen Teil der Zeit für sich beanspruchten, doch schon bald kehrten wir wieder in die knallharte Realität zurück und die freudigen Gesichter wichen einer leidenden Maske.
"Wo ist er?", fragte der Professor leise.

Nairobi zeigte ihm den Weg und schon bald verschwanden beide aus dem Tresor.
Arme schlangen sich von hinten um meine Hüfte.
"Wir sind durch! Wir kommen bald hier raus", raunte Berlin, wobei ich das Lächeln auf seinen Lippen beinahe aus der Stimmlage heraus hören konnte.

Ich legte meine Hände auf seine Unterarme und ließ meinen Kopf gegen seine Brust sinken.
"Naja, wir sollten das Geld vorher schon noch holen, oder?"
Ein kehliges Lachen entglitt seinem Hals, bevor er mir einen kleinen Kuss auf die Stirn gab.
"Natürlich nehmen wir das mit, wie sollen wir denn sonst die Hochzeit finanzieren."
Unwillkürlich lächelte ich.
Meine Gedanken in letzter Zeit waren nicht bei der Hochzeit oder dem Leben danach gewesen, sondern eher bei dem Thema, wie wir hier lebend wieder herauskommen sollten. Doch es gab mir Kraft zu wissen, dass uns das Schönste noch bevorstand.

"Also, wir sollten langsam die Geiseln zusammentrommeln, meinst du nicht?", flüsterte Berlin und ich nickte eifrig.
Ich gab meinem Verlobten einen raschen Kuss und begab mich dann zu dem Büro, in dem die Geiseln arbeiteten. Berlin holte die anderen.
Im Eiltempo stand eine Schlange aus allen Geiseln bereit, die das mit Geld gefüllte Büro nach und nach leerten. Dabei passte ich auf, dass niemand zu schlampig oder zu langsam arbeitete, immerhin wollten wir hier endlich raus.

"Valencia!" Ich hörte meinen Namen aus einem Nebengang und lugte um die Ecke. Berlin stand etwas gestresst am anderen Ende.
"Hast du Nairobi gesehen? Sie soll die Maschinen abstellen!", rief er. Kurz überlegte ich.
"Wahrscheinlich bei Torres im Büro hinten rechts!"
Nickend machte er kehrt und verschwand aus meinem Sichtfeld. Ich wusste, dass wir kurz vor der Milliarde standen und Nairobi diese unbedingt brechen wollte, aber unsere Sicherheit ging in diesem Moment vor.

Sack um Sack wurde aus dem Büro geworfen und bis zum Tresorraum gebracht, wo die Serben den Rest erledigten.
"Na los, schneller!", befahl ich den Geiseln. Einige von ihnen warfen sich die Geldsäcke so halbherzig zu, dass ich fürchtete, dass die Säcke auf den Boden fallen und uns wertvolle Sekunden kosten würden.
Doch angesichts der Tatsache, das wir bald verschwinden würden, hatten einige sogar wieder ein kleines Lächeln auf den Lippen, dass immer größer wurde, je leerer das Lagerbüro wurde.

Zwischendurch war auch der Professor vorbeigehuscht und ist zurück in den Hangar gegangen, um den Rest vorzubereiten.
Meine Teamkollegen übernahmen die Sicherung des gefälschten Fluchttunnels. Tokio und Rio würden überall C4 anbringen, damit wir die Polizei aufhalten konnten. In der Zwischenzeit hätten wir genügend Zeit zum Verschwinden.

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt