1. Der Professor

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Endlich konnte ich diesen Kittel ablegen, welchen ich seit knapp acht Stunden durchschwitzte. Es war eine lange Schicht mit einigen Notfällen. Ich war also heilfroh endlich diese trostlosen weißen Sachen auszuziehen, welche im Krankenhaus Pflicht waren. Ich zog mir meinen gemütlichen grauen Pullover über den Kopf und verließ schlussendlich meinen Arbeitsplatz. Als Ärztin hatte man es nicht immer einfach und allmählich nervte mich dieser Beruf einfach nur noch. Die Menschen, denen man hilft, nörgeln einen fast die ganze Zeit nur an, weil es ihnen nicht schnell genug ging und die Kollegen hielten sich sowieso für was Besseres.

Die Straßenlaternen erhellten die kleine Seitenstraße, in welcher sich meine Wohnung befindet. In Madrid an bezahlbaren Wohnraum zu gelangen war schwer, auch wenn ich mich mit meinem Gehalt eigentlich ganz gut über Wasser halten kann. Zwar verdiene ich als Ärztin nicht schlecht, aber ein großer Teil dessen geht an meinen schwer kranken Bruder, welcher ohne medizinische Behandlungen bereits seiner Verletzung erlegen wäre. Leider konnte ich die Operation, welche ihm vermutlich das Leben retten würde, nicht bezahlen. Durch die Behandlungen konnte man allerdings seine Schmerzen lindern und seinen Tod hinauszögern, denn auf keinen Fall würde ich meinen Bruder bereits jetzt schon gehen lassen. Er ist die einzige Familie, die ich noch besaß und lieber würde ich mein komplettes Gehalt abgeben, als seine Behandlungen zu stoppen.

In Gedanken versunken suchte ich schon einmal meine Wohnungsschlüssel in meiner Handtasche, da ich bald bei mir Zuhause ankommen würde. Gerade als ich die Treppen zur Haustür betreten hatte, entdeckte ich einen Mann, der die verlassene Straße in meine Richtung hinunterlief. Mich nicht weiter darum kümmernd, schloss ich die Tür auf und freute mich bereits auf meine wohlverdiente Dusche, als plötzlich eine Stimme hinter mir ertönte. "Ein schöner Abend, finden Sie nicht?" Ich drehte mich um und fand den mir fremden Mann am Geländer lehnend vor. Seine Hände hatte er in den Hosentaschen versteckt, während er mit dem Fuß auf und ab wippte. "Ja, da haben sie wohl recht", antwortete ich etwas perplex. Seine braunen Haare fielen ihm durch den leichten Wind in das junge Gesicht. Die Augen hinter seiner Brille huschten nervös über die Straße und mit dem braunen Jacket, welches er trug, sah er ziemlich wie ein Nerd aus. "Darf ich fragen, was sie von mir wollen, Senõr...?" "Nennen Sie mich einfach Professor, mehr müssen Sie über mich erstmal nicht wissen und jetzt zu dem, was ich von ihnen will. Ich möchte ihnen einen Deal vorschlagen: Sie helfen mir in die Geschichtsbücher einzugehen und werden im Gegenzug reichlich belohnt". Mit ernstem Gesicht schaute er mir nun direkt in die Augen und sprach mit ruhiger Stimme weiter. "Wie hören sich für Sie 2,4 Milliarden Euro an?"

"Sie wollen was?!" Geschockt sprang ich von dem Stuhl auf und schüttelte den Kopf. Ich lief aufgebracht an das Fenster meiner kleinen Küche und hoffte, dass die kühle Nachtluft meinen Kopf etwas klarer machen würde. Weswegen ich einen Fremden in meine Wohnung ließ hatte wohl eher den Grund, dass mich der 'Deal' von dem er sprach neugierig gemacht hatte. Der Professor, wie er sich selbst nannte, wiederholte seinen letzten Satz noch einmal. "Wir werden in die Spanische Banknotendruckerei einbrechen und dafür sorgen, dass wir unser Leben lang keine Geldprobleme mehr haben werden." Seine braunen Augen hafteten an seinen auf dem Tisch verschränkten Fingern. "Das ist sowas von illegal. Wieso sollte ich das nicht sofort der Polizei melden? Ich meine, Sie spinnen doch komplett! Niemand schafft es dort einzubrechen und dann lebend wieder hinauszukommen. Wenn etwas schiefgehen würde, säße ich mein ganzes Leben hinter Gittern!" Verzweifelt suchte ich in seiner Mimik irgendetwas, was darauf hindeutet, dass das Ganze nur ein blöder Scherz ist. Doch er meinte es ernst. "Warum Sie es nicht melden sollten? Weil ihr Bruder sonst sterben wird, bevor er das dreißigste Lebensjahr erreicht. Desweiteren habe ich den Großteil meines Lebens damit zugebracht den perfekten Plan zu entwerfen. Es wird nichts schiefgehen." Seine Augen fokussierten mich, doch aus irgendeinem Grund hatte ich keine Angst vor diesem Mann. Seine Augen waren nicht die eines Mörders, sondern waren warm, vertrauenswürdig, aber auch klug. "Warum ich?" flüsterte ich noch immer etwas unsicher und ließ die Tatsache, das er von meinem Bruder wusste, mal außen vor. "Sie sind eine der talentiertesten Ärzte in Madrid und auch in anderen Dingen haben Sie bewiesen, was sie können. Sie finden ihr momentanes Leben mehr als langweilig und sehnen sich nach etwas Abwechslung. Außerdem wäre es nicht das erst Mal, dass sie das Gesetz brechen würden", zählte er die Fakten auf. Ich stieß, nun leicht lächelnd, einen Seufzer aus. "Sie wissen wohl alles über mich und mein Leben, oder?" Auch er lachte leicht auf. "Wie gesagt, ich habe mich lange und gründlich darauf vorbereitet. Also, was sagen Sie?"

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt