38. Spielzeug

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Berlin fuhr damit fort, unsere Geschichte zu erzählen.
Doch ich stand noch immer stocksteif am Rand, während in meiner Magengrube ein seltsamer Mix aus den verschiedensten Empfindungen entstanden war.
Ich bekam am Rande mit, dass er nun über die Verleumdung der Polizei sprechen würde. Eine der Sachen, die ihn hier drin sehr verletzt hatten. Mein Verlobter konnte es nicht ertragen, wenn sein Ruf geschädigt wurde und die Polizei hatte ihn öffentlich durch den Dreck gezogen.

"Ich bin vieles, das weiß ich selbst, aber ich habe nie eine Frau verkauft oder Kinder geschändet", setzte er an, wobei er deutlich lauter wurde, "Und noch nie habe ich jemanden verraten! Ich mag ein Dieb sein, das ist wahr, aber ich habe das Recht darauf, dass man mir keine Verbrechen anhängt, weil es gerade in den Kram passt."
Er schaute immer wieder zwischen der Kamera und der Reporterin hin und her. Diese war sichtlich erschrocken.

"Wollen Sie etwa sagen, dass die Polizei die Öffentlichkeit angelogen hat?", fragte die Braunhaarige vorsichtig. Berlin nickte.
"Ja, das haben sie. Und wenn sie mir nicht glauben, dann fordern sie die verdammten Akten an, wo das drinsteht!" Auch aus der Distanz konnte ich Tränen in seinen Augen schimmern sehen. Und inzwischen war ich mir nicht einmal mehr sicher, ob das wirklich nur eine Rolle war.

Es dauerte nicht mehr allzu lang, bevor wir das Kamerateam zur Tür geleiteten. Und zu meiner Überraschung hatten beide die anfängliche Skepsis und Angst abgeworfen. Beide trauten sich sogar, uns zum Abschied die Hand zu reichen.
Kaum gingen die Türen hinter ihnen zu, rissen wir uns die Masken runter.
Nairobi schaute mehr als begeistert zu Berlin.

"Das war einsame Spitze. Du hättest nach Hollywood gehen sollen und nicht nach Paris", sagte sie scherzhaft. Zusammen mit Denver ging sie zu den anderen Geiseln, doch sie wirkte nicht mehr so angespannt wie zuvor.
Ich blieb mit ihm zurück.

"Berlin, ich-", setzte ich an, doch ohne mir auch nur zuzuhören ging er hinter den anderen her.
Verwirrt schaute ich ihm hinterher.
"Es war eine Rolle Valencia", sagte er plötzlich, ohne sich zu mir umzudrehen, "Liebe kommt immer gut an."
Mit diesen Worten verschwand er aus meinem Sichtfeld. Ich hätte mir keine Hoffnung machen sollen, es war schließlich wirklich nur eine Rolle, oder? Ich wurde aus diesem Mann im Moment einfach nicht schlau.

Berlin hatte inzwischen komplett auf Durchzug geschaltet, sobald ich mit ihm reden wollte. Allmählich zweifelte ich sogar daran, dass es nur an mir lag.
Natürlich hatte ich ihn sehr verletzt, aber im Streit passieren oft Dinge, die wir nicht so meinen. Doch wir befanden uns nicht in einer aktiven Streitsituation. Es war viel mehr so, dass der Streit zwischen uns stand und uns daran hinderte, normal miteinander zu reden, solange es nicht um Berufliches ging zumindest.

Seine Abfuhr hatte mir den Wind aus den Segeln genommen. Verwirrt stand ich in der Eingangshalle und hatte keine Ahnung, wo ich hinsollte.
Normalerweise hätte ich jetzt eine Pause, doch im Gemeinschaftsraum war bestimmt Berlin und er wollte mich nicht sehen, da war ich mir sicher.

Mein Blick fuhr über den offenen Raum und ich kam nicht umhin, das Licht zu bestaunen, dass durch eines der vielen Fenster fiel.
Es musste ungefähr drei sein, zumindest war das die Zeit, bei der wir die Reporter in die Druckerei gelassen hatten.
Am liebsten wäre ich jetzt auch dort draußen, an der frischen Luft. Dabei war es mir eigentlich sogar egal, ob in den Fängen der Polizei oder nicht.
Hauptsache raus hier.

In der Nähe der Treppe ertönten auf einmal viele Schritte. Wahrscheinlich wurden die Geiseln gerade zur Pause geholt. Ich atmete einmal tief durch und machte mich dann auf den Weg zu den anderen, schließlich konnte ich mich nicht ewig hier verstecken.
Ich entdeckte als erstes Helsinki. Er nickte mir einmal kurz zu und richtete sich dann wieder zu Nairobi, welche gerade mit den Geiseln sprach.
"...wir haben unsere Versprechen gehalten und das werden wir auch in Zukunft. Ihr alle werdet eure Million bekommen", erklärte die Braunhaarige.

Nothing to Lose (Berlin - La Casa de Papel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt