Unerwartetes Grauen

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Jewas Schritte waren beinahe hastig, als sie durch die kleinen engen Gänge durch das Gebäude lief. Heute war ihr Hochzeitstag, mit einer Kriegshochzeit hatten die beiden Soldaten allerdings damals nicht gerechnet. Die junge Frau hatte sich wenigstens schnell die Haare zu recht gemacht, wenn sie sich schon in Uniform das Ja Wort geben würden. Ein Lächeln zierte ihre Lippen, Andrej, endlich würde sie seine Frau werden.



Andrej war ein junger attraktiver Mann, hochgewachsen mit braunem Haar und grünen Augen. Wie glücklich er gewesen war, dass seine Verlobte hier weilte. Die Kämpfe mit den Deutschen waren Hart und verbitternd, jeden Tag gab es neue Verluste in den eigenen Reihen. Sie hatten nur wenig Zeit, zwei Stunden für eine Eheschließung und eine Hochzeitsnacht, beziehungsweise in ihrem Fall ein Hochzeitsvormittag. Seine Hand griff die Ihre, eine wirkliche Zeremonie gab es nicht, nur die wichtigste Frage und den Ringtausch.



Andrej zog die Tür der kleinen Kammer zu und schloss ab, wollte er doch eine Störung durch die Genossen vermeiden. Jewa war ihm bereits einen Schritt voraus und küsste ihn verlangend, wenn sie schon nur noch ein ein halb Stunden hatten, wollte sie die Zeit mit ihm genießen, ihn spüren und berühren und die Gedanken für die kurze Zeit auf die Reise schicken, fort von Krieg und Leid. Die Soldatin spürte starke Hände, die sie gegen die Wand drückten, sie hochhoben und Ihrem Herz Flügel schenkte, ach wie liebte die Scharfschützin Ihren Ehemann, wie liebte sie es bei ihm zu sein. In den dunklen Zeiten des Krieges war man sich wieder darüber bewusst, wie wertvoll die Zeit mit dem Partner doch war.



Andrej entfernte vorsichtig die Uniform seiner Ehefrau, darauf bedacht das jene ja nicht beschädigt wurde. Ein angenehmes Treiben, das kühle Zimmer war voller Lust, voller Verlangen und prickeliger Stimmung. "Andrej nimm mich..." Ihre Stimme war ein Hauchen, sie hatte wirklich Angst gehabt, Offizieren schöne Augen zu machen, war etwas anders als unfreiwillig unter einem Soldaten der Wehrmacht zu liegen! "Nichts lieber als das Ewa." Ewa war der Kosename zu Ihrem richtigen Namen, die junge Frau mochte es wenn er sie Ewa nannte, was sie allerdings noch mehr mochte war wenn er sie красавица nannte. Ja was war sie geschmeichelt, wenn der gut-aussehende Unteroffizier sie Schönheit nannte.



Die Scharfschützin der 41 Infanterie stöhnte leise, Ihre Hände strichen über seinen Rücken. Das Feldbett wackelte doch für die beiden Eheleute zählte nur der Moment und den genossen sie. Erschöpft lag die Russin in seinen Armen, kuschelte sich an ihn und genoss seine Wärme, einfach das er da war. Wie lange sie sich wohl nicht sehen würden? Die Antwort stand noch in den Sternen und ebenfalls stand in den Sternen, ob sie sich jemals wieder sehen würden. Morgen konnte alles vorbei sein, dass durfte man nicht vergessen.



"Andrej? Ich liebe Dich. Vergiss das nicht, nie."



"Jewa, denk immer daran, egal was passiert. Es geht immer wieder die Sonne auf, egal wie dunkel der Himmel ist."



Der Tag war nun wieder drei Wochen her, der Krieg wurde jeden Tag härter. Hinter feindlichen Linien, wurden ganze Dörfer, ganze Völker dem Erdboden gleich gemacht. Die blonde Frau sah stumm beim Essen. Maisbrei, war nicht eben noch ein großer Teil Ihrer Leute verwundet worden? Hatte der Genosse Jitin sich nicht in eine menschliche Fackel verwandelt! Die Schrecken des Krieges waren überall und man konnte ihnen nicht entfliehen! Es fühlte sich furchtbar falsch an hier zu sitzen und zu essen, als wäre die Welt in Ordnung. "Jewa willst du auch Wodka?" Die junge Frau schreckte aus Ihren trüben Gedanken hervor.



"Natürlich Genosse, Wodka ist niemals schlecht." Jewa war ein wenig der Außenseiter der Gruppe, irgendwie fühlte sie sich schrecklich fehl am Platz und hatte das Gefühl, das man Ihr die meisten nichts zutrauten. Das farblose Getränk nahm sie dankbar entgegen, auch wenn Alkohol und sie nicht die größten Freunde waren trank sie gerne ab und zu einen Schluck Wodka. Ihre Kehle wurde durchzogen vom angenehmen Brennen des Alkohols. Der Maisbrei vor ihr war so gut wie leer, warme Mahlzeiten fühlten sich an wie ein Gottesgeschenk in den bitteren Tagen. Die Deutschen waren ihnen überlegen, so schnell waren sie, warum waren diese grausamen Gruppen so beflügelt.



"Ewa Schätzchen kratz den Teller leer, du weißt sonst kommt Smire und frisst Dich, weil er meint du magst sein Gericht nicht." Die Scharfschützin musste lachen, als sie daran dachte wie der kleine pummelige Koch dem Genossen mit einer Suppenkelle beworfen hatte. Sie alle kamen aus den unterschiedlichsten Teilen des großen Landes. Einige von ihnen hatte die junge Frau in der kurzen Zeit bereits ins Herz geschlossen.



Genosse Irwan, Genosse Sergey und Genosse Michail. Genosse Irwan grinste die junge Frau an, er war glücklich darüber wenn er jemanden in diesen wirren Kriegstagen zum Lachen brachte. Heute hatten sie Mienen im Moor verlegt, die Kleidung stand vor Schlamm und Dreck, doch es würde die Deutschen hoffentlich eine Zeit lang aufhalten. Jewa grinste noch und nahm die letzten Reste der grauen Pampe heraus um sie sich einzuverleiben. Oberleutnant Papow trat auf den Platz, sein Gesicht war heute noch ernster als sonst. Ihre Gruppe wurde immer kleiner, immer weniger und weniger. Auch wenn sein Willen unerschöpflich schien, musste der 35 jährige still und heimlich mit sich ausmachen, dass er nicht mehr an einen Sieg glaubte.



"Na kommt, genug Pause wir müssen weiter! Gegessen und gelacht wird heute Abend. Jetzt heißt es aufstocken der Vorräte. "Der Mann war Ukrainer, sein schwarzes Haar war unter der braunen Mütze noch gut zu sehen. Papow war ein guter Vorgesetzter, mit militärischer Härte aber Fairness und einer menschlichen Nähe zu seinen Leuten.



Die blonde Frau hatte eine Zigarette im Mund, als sie die Waffe schulterte, langsam wurde es kälter. Jewa wusste schon, warum die Soldatenstiefel zwei Nummern größer waren, für mehre dicke Socken paare im Winter. Die ersten Regenschauer kündigten sich an und bald würde ihre Lieblingsjahreszeit bevorstehen. Der Weg der 41 Infanterie führte zu dem in der Nähe liegenden Dorf Stalinseck, es waren 7 Kilometer durch sumpfiges Gebiet. Die Füße der Russin waren Unterschenkel tief im Matsch, in diesem Moment wünschte sie sich, das die Uniform nicht so einen unpraktischen Rock hatte, nachher würde sie mit Nadeln den Saum ein wenig höher stecken.



Alles war still, zu still. Desto näher sie der Siedlung kamen, desto ruhiger wurde es. Seltsam, eigentlich hätten doch Kinder Lachen und spielen den Soldaten entgegenrennen müssen, doch die Siedlung schien wie Tod. "Oh Gott." Jewa sah auf, alles, was sie vernahm war von Oberleutnant Popow ein oh Gott. Eilig verließ die Gruppe die Formation einer Reihe.



Die Adjutanten Tochter blickte entsetzt auf das Schauspiel vor sich, spürte erste Tränen, die ihr über die Wangen liefen. Wie viel Leid sollte denn noch über die Menschen in diesem Land gebracht werden. "Nijet....Nijet..." Ihre Stimme war ein Hauch, Ihre Schritte motorisch als sie zu dem Baum ging und die Seile löste. Die kleine Siedlung war ein Anblick des Grauens, auf dem Boden Leichen, Frauen und Kinder. An einem Baum hingen wie an einem Galgen drei tote Männer an der Brust ein Schild auf Russisch und Deutsch. Partisanen und Juden werden Ihre gerechte Strafe erhalten.



Die Gruppe stand wie geschockt da, das Bild des Grauens vor ihnen. "Diese verfluchten Schweine! " Noch nie hatten sie alle Popow so in Rage erlebt. "Diese verfluchten Schweine." Seine Stimme wurden immer lauter. "DIESE VERFLUCHTEN SCHWEINE!" Die Fäuste des Oberleutnants schlugen immer wieder gegen die Häuserwand.



Der Blick der blonden Frau blieb bei einem toten Kind hängen, warum hatte ihr Land diese verfluchte Genfer Konvention nicht unterschrieben? Tränen liefen über ihre Wange, ein letzter Versuch dem Kind die Augen zu schließen, doch die Leichenstarre war schon eingesetzt. Sie dachte an Andrejs Worte. Jeden Morgen geht die Sonne neu auf, egal wie düster der Himmel ist. Doch in ihrem geliebten Land würde nie wieder die Sonne aufgehen, da war sich die junge Frau sicher.

Blut und Tod im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt