Leidenschaft für Widerstand

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6 November 1941,

wir erreichen erste Erfolge gegen die Deutschen, die kurz vor Moskau stehen. Die ganze Stadt hat sich verändert, die Regierung setzt viel Geld in die Tarnung der Stadt. Die Umrisse Moskaus sind nun andere wie vor dem Krieg. Die Böden und Mauern sind als Häuser getarnt, die U Bahn ist zu einem riesen großen Luftschutzbunker für die Zivilbevölkerung geworden. Jeder der nicht zur Armee gehört muss auf Befehl dort unten bleiben, allen Widersetztern droht eine Geldstrafe oder Inhaftierung. Ich erkenne die schönste Stadt dieses Landes nicht wieder, das Bolschoi-Theater haben sie so um getarnt das es für die Luftwaffe des Feindes wie kleine Häuser aussieht, es soll die Flieger verwirren. Dieser Krieg geht in eine gute Richtung, langsam, meine Hoffnung an einen Sieg kommt langsam zurück, vielleicht schaffen wir es ja doch den Feind zu besiegen.

Andrej legte den Stift zur Seite und richtete sich auf, von der Prügelei hatte er eine kleine filigrane Narbe auf der Stirn behalten. Sie waren hier am Rand von Moskau untergebracht, wieder hatte es geregnet, nach anfänglichem Schnee war der Regen zurückgekehrt und es wurde immer kälter. In dieser Zeit war der junge Mann froh, nicht als Soldat der Wehrmacht kämpfen zu müssen, sie hatten immer noch keine Winterkleidung, wenn er sie in den dünnen Sommer und Herbst Uniformen sah fror er beim zu sehen. Seinen Lippen entwich ein Seufzten und er blickte stumm aus dem Fenster. Die erste Gegenoffensive hatte begonnen und es versprach wie es bisher aussah erfolgreich zu sein.

Andrejs Augen vielen beinahe von selbst zu, doch er musste wach bleiben. Gleich sollte im Rundfunk die Rede des Genossen Stalins zu hören sein, wie gut es tat, auf etwas zu warten was nicht die Schüsse oder Soldaten der Feinde waren. "Ey Tapferer jetzt schlafe nicht ein, gleich ist es so weit!" Andrej schmiss nur ein Kissen nach dem Freund, sein Name bedeutete so viel wie der Tapfere, was dazu führte das sein Freund Fjodor ihn immer damit aufzog, da Andrej sich nicht oft freiwillig meldete. Sterben würde er nicht als Held, sondern als Idiot im Schnee, ob er da freiwillig oder nicht starb interessierte am Ende auch keinen mehr.

Seine Hände verkrampften sich etwas, durch die Holzhütte schallte nun die Stimme des Staatsoberhauptes. Die Rede triefte voller Leidenschaft und Andrej konnte gar nicht mehr alles vernehmen, der Mann war einfach eingeschlafen, morgen bei der Parade würde er noch genug hören. Man hatte Aufgrund der Oktoberrevolution vor eine große Militärparade abzuhalten, am roten Platz. Man wollte die Deutschen Bomber ignorieren, den Nationalen Feiertag trotzdem begehen, war es dämlich oder einfach der verzweifelte Versuch den Alltag zu wahren? Vom roten Platz sollte es für die Angehörigen der Roten Armee direkt wieder an die Front gehen.

Der Mann mit dem braunen Haar stand in einer Reihe, eisiger Wind pfiff ihm entgegen, am liebsten würde er sich enger in den Mantel kuscheln, doch das konnte er nicht, nicht jetzt! Während seine Liebste in einem Lazarett lag stand er hier und lauschte mit Leidenschaft der Rede Stalins.

"Genossen Rotarmisten und Matrosen der Roten Flotte, Kommandeure und politische Funktionäre, Partisanen und Partisaninnen! Auf euch blickt die ganze Welt als auf die Macht, die fähig ist, die räuberischen Heerhaufen der deutschen Eindringlinge zu vernichten. Auf euch blicken die geknechteten Völker Europas, die unter das Joch der deutschen Räuber geraten sind, als auf ihre Befreier. Eine große Befreiungsmission ist euch übertragen worden. So seid denn dieser Mission würdig! Der Krieg, den ihr führt, ist ein Befreiungskrieg, ein gerechter Krieg. Möge euch in diesem Krieg das heldenmütige Vorbild eurer großen Vorfahren beseelen - Alexander Newskis, Dmitri Donskois, Kusma Minins, Dmitri Posharski, Alexander Suworows, Michail Kutusows! Möge euch das siegreiche Banner des großen Lenins Kraft verleihen!

Für die völlige Zerschmetterung der deutschen Eindringlinge!

Tod den deutschen Okkupanten!

Es lebe unsere ruhmreiche Heimat, ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit!

Unter dem Banner Lenins vorwärts zum Sieg!"

Minuten lang sprach das Staatsoberhaupt, Andrej konnte sich gar nicht alles merken. Doch die Gefühle waren überwältigend! Zum ersten Mal seit langem fühlte er sich wieder stolz ein Teil der Roten Armee, nein Russe zu sein! Auch wenn es derbe Niederlagen waren, die sie hatten verbüßen müssen, waren sie kein Land welches in den Dreck viel und unterjocht wurde. Sie waren Russen, freie Menschen die ihr Land liebten und es vor den Deutschen verteidigen würden. War es vielleicht euphorische Naivität oder einfach ein Ansporn, jetzt nicht den Kopf in den Schnee zu stecken, Andrej wusste es nicht.

"JAWOHL,JAWOHL!" Auch wenn die Stadt getarnt war bis zum letzten, riefen die vielen Soldaten das gleiche in die Richtung des Staatsoberhauptes. Es schien so, als wäre die alte Stärke doch nicht verloren. Ihm trieb es beinahe die Tränen in die Augen, als die Nationalhymne gespielt wurde. Eisiger Willen und Entschlossenheit entfachten seinen Geist, ließen ihn die drüben Gedanken eine Zeit lang vergessen .Egal wie lange es dauern würde, irgendwann wäre seine geliebte Heimat wieder frei, doch vor dem Grauen was die Rote Armee über die Deutschen bringen würden, wollte er sich los lösen.

Auge um Auge, Zahn um Zahn. Mit so einem Leitspruch würde die ganze Welt dem Untergang geweiht sein! Die grünen Augen blickten gerade nach vorne, es ging los, die Parade. Sein Gewehr trug er über der Schulter, seine Füße trugen ihn mit großen Schritten durch Moskaus Straßen. In der Zeit im Schlamm und Matsch hätte er doch nicht damit gerechnet, dass das Herr noch so groß war. Dutzende Fußsoldaten wie er liefen durch die Straßen, LKWs mit Menschen, Reiter, Laster. Wollten sie dem Feind ein letztes Mal demonstrieren, dass sie sich mit dem falschen Gegner angelegt hatten? Vermutlich, doch auch den Soldaten tat es gut, eine Bestätigung für die harten Verluste und den Kampfwillen zu bekommen.

In der gleichen Zeit wie Andrej noch einmal beflügelt wurde, lag Jewa im kranken Bett und sah stumm die Decke an. Ihre Atmung war flach und monoton. Es fühlte sich schrecklich falsch an, an diesem Tag im Bett zu liegen und die Decke an zu starren. Warum hatte sie nicht besser aufgepasst? Ihr Herz war leer und einsam, wie sehr wünschte sie sich Andrej herbei. Dieser Krieg raubte ihr die Nerven, ließ sie an ihre Grenzen bringen. Neben ihr auf dem Nachtisch lag der kleine Brief, ihre Mutter, ihre Schwester und die Oma waren Tod. Getötet durch ein Erschießungskommandos der Feinde. Natürlich auch die Deutschen hatten Befehle an die sie sich halten mussten, doch woher kam all dieser Hass?

Woher kam der Hass dieser Ideologie? Warum waren sie nach diesen Gedanken als östliche Völker eine Art "Untermensch?" Was unterschied sie von den Menschen aus dem Land mit dem Geisteskranken an der Spitze? Nichts, waren sie nicht ebenfalls Menschen? Menschen waren alle samt manipulierbar und doch konnte sie nicht darüber hinweg blicken. Dieser Krieg war Vernichtung, nur auf Vernichtung aus und ihr war klar dass es aus jedem von ihnen das schlechteste ziehen würde. 

Blut und Tod im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt