Wir sind Tiere!

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Jewa lag zusammengerollt auf dem Boden und schloss die Augen, die Deutschen hatten riesen große Teile der Stadt eingenommen. Harte Schlachten um jedes Haus, um jedes Stück kleine Straße. So viele Tote, Zivilisten, Russen ,Deutsche. Warum das alles? Für die Beflügelung von Größenwahn und Weltanschauungen? Vor ihr auf dem kalten Boden lagen die letzten Reste des Essens, heute hatte sie wirklich alles gesehen. Der Major Motrjk hatte sein Essen auf einen ausbrennenden Panzer gestellt um es noch mal warm zu machen. Wie selbstverständlich Tod, Verlust und Kämpfe geworden waren, dumpfe Leere hatte sich in der jungen Frau breit gemacht.

In dem kleinen Lager saßen die Soldaten und schlossen die Augen, gerade war einmal Ruhe eingekehrt. Vor dem Haus saß ein Wachposten. Jewa wollte schlafen, Müdigkeit und Erschöpfung zerrten an ihr, doch sie konnte nicht. Ihre braunen Augen sahen stumm auf die zerstörte Decke über ihnen. Gegenüber lag Juri der friedlich schlief, es war doch noch so jung. Jewas Herz raste als sie Schritte auf den Steinen vernahm, ihre Augen erblickten Stiefel. "Wo ist Major Motrjk?"

Der 30 jährige richtete sich auf. " Hier bin ich." Der Mann hoffte auf Verstärkung, das man ihnen die Luftwaffe schickte, neue Soldaten. Irgendwas, was helfen würde diesen Krieg zu gewinnen, dieses sinnlose Kämpfen mit hohen Verlusten lohnenswert machte. Seine grünen Augen funkelten den Boten an. "Die Stadt soll weiter hingehalten werden, Genosse Stalin befielt das unter keinen Umständen kapituliert wird. Jene die mit dem Gedanken daran spielen, sind Vaterlandsverräter und werden auch als solche verurteilt."

Der Mann mit dem roten Haar griff sich verzweifelt an die Stirn. "Wir brauchen hier unbedingt Verstärkung, ansonsten können wir die Stadt nicht halten." Jewa kannte den Mann noch nicht sehr lange, doch sie wusste wie gefasst jener immer war, ihn so zu erleben zeigte einmal mehr, wie aussichtslos die Lage doch war. Die Konversation bekam sie im Detail nicht mehr mit, doch als der Boote gehen wollte, konnte sich der Major nicht mehr kontrollieren. "MEINE MÄNNER WERDEN HIER FÜR EIN STÜCK STRAßE UND HÄUSER GEOPFERT!"

Jewa schloss die Augen, sie brannten. Wo waren sie hier gelandet? Diese verfluchte Stadt war ein Statussymbol in der man sie zusammenpferchte und sie wie Tiere für die Schlachtung zur Schau stellte. Es gab keinen Sinn mehr, es würde erst aufhören wenn es zu Ende war, wenn sie alle hier unter der Erde lagen. Ihre Gedanken wanderten zu den Toten der 41 Infanterie, zu den toten Freunden. Mutwillig tötete man sich, ließ andere Völker ausmerzen und unterjochen um sich als Herrscher erheben zu können. Was machte Menschen so schlecht, das sie andere Menschen sortieren und Rassen untertrennen?!

Ein leises Schluchzen vernahm man, wenn schon der Major jede Hoffnung verloren hatte, wie sollten sie dann noch irgendwie gegen die Deutschen ankommen. Fester kuschelte sie sich in ihren Mantel, es war September. Langsam kam der Schnee und die Kälte, letztes Jahr hatte sie sie voller Freude begrüßt, doch dieses Jahr würde es sie alle in einen grausamen Tod reisen. Die Müdigkeit übermannte die 25 jährige dann doch und sie glitt in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen strich sich die Adjutanten Tochter stumm über das Gesicht, sie alle waren ungewaschen und ungepflegt. Die Kleidung stand vor Dreck, doch das war alles unwichtig. Jewa fühlte sich als würden sich ihre Haare aus den mittlerweile sehr zerstörten Zöpfen nie mehr lösen lassen. Vor ihnen auf dem Boden lag das Frühstück, für jeden gab es ein halbes Brot und etwas Milch. Noch war man nicht vor dem Hunger betroffen, doch man sparte alles auf, für schlechtere Zeiten. Ihr Blick ging stumm ins Leere. "Und los die Damen."

Jewa erhob sich seufzend und eilte mit Juri in die Trümmer um sich nach einem Versteck um zu sehen. Ihr Blick viel auf die letzten Reste eines Hauses, wo durch die Bomben das Dach fehlte. "Da rauf." murmelte sie leise und blickte ihn kurz an, ihre Stimme war dumpf und leer was auch dem Freund nicht entfiel, mittlerweile waren sie so etwas wie Freunde. "Ewa was ist los?" Juris Charakter war immer noch geprägt von kindlicher Naivität, doch auch die wurde ihm langsam genommen.

"Der Krieg wird erst vorbei sein wenn es mit uns vorbei ist. Wenn wir unter der Erde liegen, wenn keiner mehr übrig ist!" Jewa lief stumm weiter ohne ihn an zu sehen, wie naiv er doch war. Helden gab es nur auf dem Papier, sie waren nichts anderes außer Kanonenfutter. Hastig folgte der 18 Jährige der rauchenden Frau. "Hör auf! So darfst du nicht denken!"

Jewa drehte sich um, schubste den jungen Mann beinahe weg. "Es wird erst aufhören wenn alles vorbei ist, heute sind wir Helden und morgen Futter für die Krähen, die sich über unser Aß ergötzen und jubelnd danach schreien, dass dieses sinnlose Töten weiter geht. Wie viele sind schon gestorben, Papow, Irwan und all die anderen. Wach endlich auf Juri, Helden gibt es nur auf dem Papier wir sind reine Nutzwerkzeuge für die an der Macht."

"Das macht doch keinen Sinn!" Die Stimme des jungen Mannes war ein einziges zittern. Sein ganzer Glaube, seine ganze Zuversicht schöpfte er aus der Hoffnung dass der Genosse Stalin nur das Beste für das Volk und das Land wollte.

"Es gibt keinen Sinn! Gott hat uns verlassen! Niemand wird uns retten und dennoch müssen wir genauso weiter kämpfen wie bis her, vielleicht wird dann die Zukunft ein kleines Stück besser. Und jetzt komm bald geht es weiter."

Die junge Frau ließ den jungen Mann mit Tränen in den Augen stehen, sie hatte Recht und das brachte seine Illusionen zum Brechen.

Blut und Tod im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt