Rache ist süß

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Andrej saß in dem LKW, es ruckelte und schaukelte die Männer umher. Man würde sie einsetzen um die Deutschen in Stalingrad einzukesseln. Für die Männer in der halb zerstörten Stadt waren sie Hoffnung, doch nicht in die Gefangenschaft oder den Tod zu raten. Es war November, erster Schnee hatte die Landschaft Russlands in weiße, kalte Decken gelegt. Der braunhaarige Mann drückte sich stumm in den dicken Pelzmantel, auf seinem Kopf die dicke Fellmütze mit dem Roten Stern.

Eine Zackenförmige Großovensive sollte ab morgen erfolgen, Panzer sollten die feindlichen Linien durchbrechen und den Feind festsetzen. Die Front war ausnahmslos überdehnt, wie ein Gummiband was kurz vor dem Zereisen stand. Die Versorgungslinien von Waffen, Essen und neuen Soldaten für die 6. Armee unter Generalmajor Friedrich Paulus wurde immer länger und beschwerlicher, mit Freude hatte Andrej festgestellt, dass Partisanen die Züge der Deutschen in die Luft sprengten. Seine Gedanken waren bei Jewa, Jewa die irgendwo in den Trümmern der Stadt kämpfte. Ob sie noch lebte? Vor einer Woche hatte ihn der Brief erreicht sie sei verletzt und hatte drei Wochen Front Urlaub, doch so wie es aussah war seine Ehefrau schon lange wieder in Stalins Hölle.

Über ihnen flog die Luftwaffe, ob es Deutsche oder Russische Bomber waren vermochte der Schneider nicht zu sagen, doch beinahe bettete er darum, dass da oben in luftiger Höhe die eigenen Leute waren. Die Deutschen flogen tief, schossen auf LKWs, Zivilsten und Panzer. Doch da die Maschine so ruhig weiter flog vermutete der Mann dass es sich um eine Maschine der roten Armee handelte. Krieg hieß warten, warten auf den Tod, auf Schüsse oder ein Ergeben. Doch die schrecklichste Art von Warten würde den Soldaten auf beiden Seiten in der Stadt drohen. Warten auf das Verhungern, die Russen hatten noch den Vorteil, dass es bei ihnen halbwegs hinkam.

Sein Blick ging aus dem Hänger, seufzend stieg er nach dem Ende der Fahrt aus. Wie sollten sie denn gegen die 6 Armee die in den erbitterten Straßenkämpfen zum Verschleiß kam andrehten? Vermutlich würde die Hälfte ihrer Leute drauf gehen, da war er sich sicher.

Jewa war zurück, drei Wochen daheim waren schlimmer als drei Wochen Stalingrad, zumindest physisch. Vermutlich wäre ihr Vater erst zufrieden, wenn ein tödlicher Schuss sie erreichen würde. "FEUER!" Die junge Frau warf sich in Deckung, als Juri über ihren Kopf hinweg eine Granate durch das Fenster auf die Straße warf. Mittlerweile war es ihr vollkommen egal, wer hier wo man sein Leben ließ. Alles war dumpf und prallte von ihr ab, doch auch das würde sich bald ändern.

Sie kämpften im Osten der Stadt mit 10 Leuten, abgeschnitten vom Rest der Truppen gegen Mitglieder der Waffen SS. Die junge Frau schloss die Augen, Flammen überall Flammen. Flammen und Blut die sich durch die Straßen den Weg in die Hölle suchten. Die wahren Sieger des Krieges waren Fliegen und Krähen, die sich von dem Blut und Fleisch der toten ernährten. Ganze Insektenschwärme hatte man noch gesehen auf Leichen, als die Temperaturen noch über 0 gestanden hatten. -4 Grad und das war erst der Anfang, in Stalingrad gab es nichts mehr groß wo man sich wärmen konnte. In den Unterkünften wurden notdürftige Feuer entzündet, allerdings so dass es niemand sah. Nachts tobten erbitterte Kämpfe der beiden Luftwaffen über der Stadt, Zivilisten schrien.

Mann kochte alles was man finden konnte, letztes hatte die junge Frau beobachten können wie man alte Stiefel in Wasser gekocht hatte. Stalin war ein eiskalter Mann, der vollkommen auf die Bevölkerung pfiff, dass hatte mittlerweile selbst Juri eingesehen. Schüsse, Schüsse und wieder Schüsse. Direkt neben der Scharfschützin viel ein Soldat tot zu Boden, ein Kopfschuss. Das MG rauschte auf die Feinde nieder, ein Wutschrei erfüllte den Raum. Schüsse zurück und Jewa fragte sich was sie verbrochen hatten, das Gott sie so strafte. Die Adjutanten Tochter war nicht gläubig, doch ihre Mutter hatte sie stets schon als Kind in die Kirche getränkt. Die Scharfschützin erblickte einen Mann und schoss zu, auf beiden Seiten waren innerhalb einer Stunde fünf Leute gefallen.

Tristan Winter lag in der Deckung. Sein Blick viel auf den leeren Boden. Die letzte Motion hatten sie verschossen, die einzige Möglichkeit war eine Flucht. Auf beiden Seiten der gleiche Befehl keine Gefangenen. Man hatte für die zusätzlichen Esser keine Unterkunft, auch kein Essen. Es entschied sich jeden Tag neu auf Leben oder Tod. "RÜCKZUG!" Der Befehl verließ hastig seine tiefe Kehle, auch wenn er ein durchaus kühler Mann war, hörte man in seiner Stimme pure Verzweiflung.

Juri grinste beinahe fröhlich, Schüsse und neben dem angehenden Offizier vielen zwei SS Soldaten zu Boden. Vor der Wehrmacht hatte der 18 jährige noch Respekt, beinahe schon ein schlechtes Gewissen, doch bei SS sah er ebenfalls wie Jewa rot. Gerade mit Erinnerung an Papow und die anderen. Die Scharfschützen schossen gezielt auf Beine und Füße.

Tristan spürte dumpfen Schmerz und er sackte nach vorne in den kalten Schnee. Eine Kugel hatte sein Knie getroffen. Sie waren verloren, das wurde dem SS Mann noch einmal deutlich bewusst. Stumm hob er die Hände, forderte die anderen restlichen drei Leute der Einheit auf das gleiche zu tun, wenn er schon sterben würde dann wenigstens anständig. "WAFFEN SOFORT FALLEN LASSEN UND MIT DEM FUß WEGDREHTEN!" Jewas Stimme erschallte auf Deutsch laut über die Mauerreste und zerstörten oder verschütteten Straßen. Seit Stunden hatten sie um dieses kleine Stück der Karl Marxs Straße gekämpft, vielleicht waren es 900 Meter Straße für die 14 Männer gefallen waren.

Hastig und mit erhobener Waffe kamen die beiden Scharfschützen und der Rest der Gruppe auf die letzten Lebenden der Waffen SS zu. Ihre braunen Augen musterten die Männer vor sich. Jewa erblickte ihr ein allzu verhasstes Gesicht. "Sie!" Die junge Frau konnte sie nicht zurückhalten und ihre schweren Stiefel fanden den Weg in Tristans Gesicht der am Boden kniete. Die Nase des Offiziers begann zu bluten, sterben musste er eh, doch vor her sollte er Leiden. Sollte Reue empfinden, zu mindestens eine kleine Strafe erhalten. "Sie mieses Schwein!" Unter den Blicken der anderen trat sie erneut zu. Ihr war es egal wie es wirken musste, ihr war alles egal geworden. Jewa lebte mit einer stechenden Gleichgültigkeit.

"Das misshandeln von Gefangen verstößt gegen die Genfer Konversionen." Die Stimme des Mannes mit dem schwarzen Haar, war noch immer so voller Arroganz. Sein Gesicht zierte immer noch das spöttische Lachen. "Schnauze! Als ob sie das jemals befolgt haben! Das ist für die 41 Infanterie, die sie bei Ktri hingerichtet haben!" Die junge Frau blickte die versammelten an. "Den Rest sofort erschießen, denn da lassen wir anders sterben." War es ein Kriegsverbrechen? Möglich. Doch der jungen Frau war es egal, ihr Herz schrie nach Vergeltung. Nach Rache für ihre Freunde, die durch dieses widerliche Schwein da ihr Leben lassen mussten.

Als die verbliebenen Leute der Einheit sich durch die Trümmer auf dem Weg machen wollten blickte die junge Frau noch einmal auf. An den letzten Resten eines Hauses hing der tote Offizier mit einem Schild um die Brust. Auf Deutsch stand in großen Buchstaben. "Jeder bekommt das was er verdient, es wird kein Verbrechen vergeben und vergessen." Für kurze Zeit spürte sie noch einmal Genugtuung das Papow und die anderen gerecht wurden, doch dann kam schon die schreckliche Gleichgültigkeit zurück.

Blut und Tod im SchneeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt