Rafael P.o.V.
Ein paar Stunden zuvor
Als ich den letzten Pancake aß, leuchtete mein Handy erneut auf. Mein Kopf brummte noch immer und ich hatte keine Lust, mich mit meinem Personal, Fangirls auf Instagram oder irgendwem zu beschäftigen. Meine Laune war an einem Tiefpunkt, was vermutlich auf meinen Kater zurückzuführen war. Erneut leuchtete mein Handy auf. Vielleicht ist es Ava? Ich war erstaunt über diesen Gedanken. Warum dachte ich direkt an Ava?
»Na, wer ist es?«, brachte mich Jacks Stimme zurück in die Realität während er erwartungsvoll seine Augenbrauen hob. »Nur Louise.« Er sah mich fragend an. »Das ist ein Model, mit der ich erst am Freitag einen Werbespot für Hugo Boss gedreht habe. Und naja, wir haben ein paar Mal miteinander geschlafen. Am Freitag habe ich hier erklärt, dass mir das nichts bedeutet hat und ich keine Lust habe, sie nochmal zu treffen. Jetzt nervt sie mich.« »Du magst vielleicht älter geworden sein, aber du bist immer noch das selbe Arschloch wie vor ein, zwei und fünf Jahren.« Ich hätte erwartet, dass Jack lachen würde, doch ich meine sowas wie Enttäuschung in seiner Stimme zu hören. Dabei war es weder für ihn noch für mich was neues, dass ich ein Arschloch bin. Bereits in der High School habe ich unzählige Herzen gebrochen. Ich bin nicht stolz darauf, doch ich spiele mit offenen Karten und sage von Anfang an, dass ich keine Beziehungen führen werde. Es ist nicht mein Problem, dass so viele Frauen, die ich treffe, denken, dass sie mich ändern könnten und ich mich in sie verlieben würde.
Doch als er mich so missbilligend ansah, musste auch ich schlucken. Irgendwas stimmte nicht. Das Apartment füllte sich plötzlich mit einer Anspannung. »Weißt du, ich liebe dich als meinen Bruder. Doch ich versteh dich als Menschen einfach nicht. Warum lässt du niemanden an dich ran? Du hättest mir sofort schreiben sollen, nachdem das mit deinem Dad passiert ist! Jahrelang bin ich bei euch ein und aus gegangen, ihr wart meine zweite Familie. Aber nein, du schleppst alles mit dir herum. Wem willst du was beweisen? Warum kriegst du es nicht hin eine normale Beziehung zu führen? Mit deinem Aussehen und deinem Status sollte es doch ein Leichtes sein, auch vernünftige Frauen kennenzulernen! Und jetzt komm' mir nicht mit "Die wollen doch alle nur Fame und mein Geld", denn es ist Bullshit, alle Frauen über einen Kamm zu scheren!«
Mir hat es für ein paar Sekunden die Sprache verschlagen. Selten habe ich Jack so in Rage erlebt. Ich versuchte etwas zu sagen, doch bereits nach meinem »Aber« unterbrach er mich. »Mary hat mich genau für so einen Arschloch wie dich verlassen. Rafael, Mary ist eine vernünftige und tolle Frau.« Während sich seine blaugrauen Augen mit Tränen füllten, senkte er seinen Blick. Es gab nur wenige Tage, an denen ich Jack so gesehen habe. So fertig, so enttäuscht, so verletzt.
»Jack, das tut mir leid, aber meintest du nicht, dass sie wegen deines Lebensstils Schluss gemacht hätte?« Seine Augen wurden schmaler und ich spürte, dass er kurz davor war zu explodieren.
»Hättest du nicht nur die scheiß Nachricht im Gruppenchat gelesen, sondern mich direkt angerufen oder mir zumindest geschrieben, hättest du die ganze Wahrheit erfahren«, seine Stimme war voller Enttäuschung und Wehmut, »ich habe zu euch allen gesagt, dass sie mich wegen meines ewigen Studentenseins und fehlender Reife verlassen hätte, damit ihr Name nicht beschmutzt wird. Zum Teil mag das vielleicht auch stimmen, doch der Auslöser für die Trennung war der Bankier, den sie kennengelernt hat. Mary war die Einzige, die immer hinter mir und meinen Entscheidungen stand. Als meine Familie mich als Versager abschrieb, als die meisten unseres Freundeskreises für ihre Examen lernten und ihre Zukunft planten, nahm sie mir jeden Stress und verstand meinen Lebensweg.«
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Es kam nicht oft vor, dass mich ein schlechtes Gewissen plagte, doch jetzt gerade fühlte ich mich unendlich beschissen. Jack und ich sind seit 22 Jahren befreundet und haben den Großteil unseres Lebens miteinander verbracht, unsere Eltern nannten uns Ying und Yang. Wir waren zwar schon immer völlig unterschiedliche Personen, nichtsdestotrotz haben wir immer gut harmoniert. Egal, was ich für eine Scheiße gebaut habe, Jack war für mich da. Lief bei ihm etwas verkehrt, habe ich alles in Bewegung gesetzt, um ihm zu helfen. Doch in den letzten zwei Jahren war das Einzige, woran ich denken konnte, ich selbst.
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Lost & found - The Way we go
General FictionZwei Todesfälle, die alles verändern. Ein Video, das Leben zerstört. Geheimnisse, die gleich mehrere Leben gefährden. Alles könnte perfekt sein. Doch dann schlug das Schicksal bei Ava mehrfach mit voller Gewalt ein. Um endlich neu anzufangen, zieht...