5.30 Uhr klingelte mich mein Wecker aus dem Bett. Zeit für's Training. Ich hatte exakt zwei Stunden und 35 Minuten Zeit bis ich im Hotel sein musste. Glücklicherweise war von meiner Sentimentalität von gestern nichts mehr zu spüren. Als ich nach meiner zweistündigen Trainingseinheit und meiner eiskalten Dusche auf mein iPhone alle Nachrichten checkte, blickte ich dennoch auf den Chat mit Ava. Wieder keine Antwort. Gut, dann ist sie es auch nicht mehr wert, dass ich meine Zeit, Gedanken und Energie an sie verschwende. Die Sache ist nun abgehakt.
Als ich das Mirabelle betrat, waren wie immer alle Blicke auf mich gerichtet. In meinem neuen maßgeschneiderten Anzug von Armani fühlte ich mich noch wohler als ohnehin schon. Sicher lagen Jack und meine Familie damit richtig, dass ich ihnen zu wenig Zeit schenkte. Ich müsste und werde daran arbeiten. Doch nach diesem aufwühlenden Wochenende war ich erstmal froh, wieder in meinem gewohnten Milieu zu sein und mich nicht mit solchen Sachen beschäftigen zu müssen. Hier fühlte ich mich sicher, hier trete ich immerhin nicht von einem ins nächste Fettnäpfchen. In meinem Hotel, den Restaurants, Bars und meinem neuen Club war ich der Chef und keiner wagte es sich mich zu kritisieren. Warum auch? Von Business, Immobilien, Marketing, Finanzen und Management verstand nun mal viel, für alles andere stehen mir meine exzellenten Berater zur Seite. Dafür verstehst du nichts von Liebe, Beziehungen und Freundschaften belächelte mich mein Unterbewusstsein.
Woher kommen plötzlich diese Gedanken?
Es stimmte ja nicht mal. Natürlich verstand ich was von Liebe Beziehungen und Freundschaften. Aufgrund meines psychologischen Wissen über Menschen dürfte ich sogar weitaus mehr davon verstehen als der Durchschnittsbürger.
Ich verdrängte jene Zweifel und konzentrierte mich voll und ganz auf meine Arbeit. Der Tag verging mal wieder im Fluge.
Während meine Laune in den letzten Tagen teilweise sehr am Boden war, hatte sie sich heute erheblich gebessert. Die Renovierungsarbeiten meines neulich gekauften Clubs sind im vollen Gange, das Hotel ist beliebter denn je und auch alle anderen Geschäfte laufen nach Plan. Vielleicht haben ja heute Abend Cara, Liz, Jack und Matheo Lust auszugehen.
Doch bevor ich diese fragen konnte, erreichte mich eine Nachricht meiner Mutter.
Marina, 16:45 • Komm bitte schnellstmöglich nachhause. Wir treffen uns im Arbeitszimmer.
Angekommen in unserer Villa ging ich direkt in das pompös eingerichtete Arbeitszimmer meiner Mutter. Sie stand mit dem Rücken zu mir, ihr Blick war auf ein Gemälde von unserer Familie gerichtet. Kommentarlos reichte sie mir das iPad und öffnete vorher noch den Anhang einer E-Mail. Ich nahm in einem der dunkelbraunen Ledersessel Platz und wartete darauf, dass das Video lädt.
Es versprach mir fast die Sprache. Das Video zeigte meinen Vater. Eingesperrt in einem schmalen Raum. Die Wände waren verspiegelt, es gab weder Fenster noch eine sichtbare Tür. Das Zimmer verfügte über ein kleines Bett in der Mitte, einem Waschbecken und einer Toilette auf der linken Seite und einem Schreibtisch mit einem Stuhl rechts vom Bett. Er lief auf und ab. Immer und immer wieder. Dem Timer zufolge, welcher oben links platziert war, zeigte das Video einen Zeitraum von mehreren Stunde.
»Was.. was hat das zu bedeuten?« »Die Martinez halten deinen Vater seit neun Tagen in diesem Raum fest. Die gute Nachricht ist, dass es ihm abgesehen von dem psychischen Stress relativ gut geht. Die schlechte Nachricht ist, dass die Zeit abläuft.« Der Blick meiner Mutter war ausdruckslos, ihre Stimme monoton. Meist ist sie die charmante, bei allen beliebte Frau, die alle in ihren Bann zieht. Doch dann gibt es die Momente, in denen sie die kühle Geschäftsfrau ist und keinerlei Emotionen zeigt. Letzten Endes war diese Seite von ihr nicht ihr wahres Ich, doch notwendig, um in der kalten Mafaiwelt und dem Geschäftsalltag zu überleben.
Irgendwas stimmte nicht. Es passte nicht zu den Martínez. Psychospiele waren eher eine Sache von uns, den Collucis. Die Martínez haben nie gezögert, Leute brutal zuzurichten oder gar zu töten. Wieso sperrten sie meinen Vater ein und kümmerten sich sogar um seine Grundbedürfnisse? Mein Instinkt sagte mir, dass es um viel mehr geht. Um etwas, dessen Größe mir noch nicht bewusst ist...
»Was fordern sie?«, fragte ich während mein Herz immer schneller pochte. »Wir treffen uns heute Abend mit Viktor. 22 Uhr im Raum Nr.5. Keine Minute später.«
Raum Nummer fünf.
Der Raum, der jahrelang für mich verboten war.
Der Raum, in dem hunderte Male bis tief in die Nacht verhandelt wurde.
Der Raum, in dem schon unzählige Liter des teuersten Weins und Whiskeys geflossen sind.
Der Raum, in dem über Leben und Tod entschieden wird.
Vor über einem Jahr war ich das letzte Mal in jenem Raum, es war die Nacht, in der mir das Hotel übergeben wurde. Noch immer bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment denke.
Der Raum ist so exklusiv, dass mein Vater ihn einst als wahren Kern des Hauses bezeichnete. Dabei würde man das nicht vermuten.Raum Nr. 5 liegt so gesehen im Keller. Nur hatte unser Keller nichts mit herkömmlichen Kellern gemeinsam. Vielmehr ist es eine Wohnung. Eine Wohnung, voller exlusiven Raumgestaltungen.Geht man entlang des Flures findet man erst einen großzügigen Bereich mit Billardtischen, einer Bar und einem Heimkino vor. Danach folgt ein Spabereich, der fast ausschließlich von den Frauen meiner Familie und Freundinnen meiner Mutter genutzt wird. Erst am Ende des Flures liegt Raum fünf. Versteckt hinter einer großen, aber schlichten, fast unauffälligen, Tür.
Doch hinter dieser Tür befindet sich ein großer, edel eingerichteter Raum. Mittelpunkt des Raumes ist ein ovaler Tisch um denen bis zu 15 Personen Platz nehmen können. Der Tisch war ein Unikat, extra hergestellt für unsere Familie. Die Wände sind royalblau gestrichen, in der Vitrine, ebenfalls ein Unikat passend zum Tisch, befinden sich die teuersten Weine und Whiskeys. Eine Besonderheit an diesem Raum ist, dass man diesen sogar von außen betreten kann. So haben wir, Noemi, ich und unsere Freunde, nie mitbekommen , wenn wieder einmal Geschäftspartner unserer Eltern zu uns kamen und bis in frühe Morgenstunden verhandelt haben.
Was mich wohl heute Abend noch erwarten wird?
Sooo ihr Lieben! Erstmal danke fürs Lesen😊❤️
Was meint ihr? Worum könnte es gehen?😱
Wie steht ihr zu Rafael?😏
Bis bald 💗PS: Im nächsten Kapitel geht es endlich wieder um unsere liebe Ava🥰
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Lost & found - The Way we go
General FictionZwei Todesfälle, die alles verändern. Ein Video, das Leben zerstört. Geheimnisse, die gleich mehrere Leben gefährden. Alles könnte perfekt sein. Doch dann schlug das Schicksal bei Ava mehrfach mit voller Gewalt ein. Um endlich neu anzufangen, zieht...