12. Rätsel (Having a lazy day)

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"Verwitwet..." "Der Schleier?" "Mhm..." "Und der Mann, der dort die Straße entlang kommt?" "2 Kinder..." "Ich nehme mal an, das liest du an den Geschenkkartons für Spielzeug in seinen Armen ab?" "Du übertriffst dich heute wahrhaftig selbst..." Ich warf Holmes einen genervten Blick zu. Wir saßen uns gegenüber, angelehnt an unser hohes Fenster und starrten auf Londons Straßen hinab, ich war eingemummelt in eine warme Decke. Wir genossen einen eisigen Winternachmittag in unserem Wohnzimmer; an Holmes' lausiger Stimmung war es unschwer abzulesen, dass wir schon länger keinen Fall mehr hatten. Für ein paar Minuten hatte ich ihn damit beschäftigen können, ihn Fragen zu vorbeilaufenden Passanten zu stellen, doch nun schien er auch daran das Interesse verloren zu haben... "Dieses fürchterliche Stille... In London passiert einfach nichts mehr. Professor Moriarty war ein schrecklicher Verlust..." "Ohne nachzudenken, würden mir bereits mindestens ein paar Dutzend Leute einfallen, die dir widersprechen würden..." Holmes schnaubte verbittert. "Die Zeit der spannenden Fälle ist  vorbei...und ich muss mich wohl oder übel damit abfinden..." Ich spürte das Verlangen, meinen Freund aufzumuntern...aber gut gemeinte, tröstende Worte trafen bei ihm in dieser Beziehung normalerweise auf taube Ohren... "Hm", machte ich also lediglich und starrte nachdenklich in meine Tasse. "Was ist größer als Gott und bösartiger als der Teufel?" Holmes wandte seinen Blick von der trostlosen Szene unter unserem Wohnzimmer ab, um mich irritiert anzustarren. "Die Armen haben es, die Glücklichen brauchen es. Und wenn du es isst, stirbst du!" "Was ist das für eine eigenartige Art von Poesie?" "Keine Poesie, Rätsel! Über was habe ich gerade geredet?" Er schloss die Augen und dachte nach. "Nichts..." "Richtig!" "Noch eins!" Ich grinste vor mich hin. "Wenn man es braucht, wirft man es weg. Wenn man es nicht braucht, holt man es wieder zurück!" "Scotland Yard?" Eigentlich wollte ich nicht lachen, aber dennoch prusteten wir beide los. "Ganz knapp daneben..." "Als Kapitän Basil habe ich damit doch viel zu tun... ein Anker!" Es war definitiv eine erfrischende Abwechslung. Nun hing Holmes begierig an meinen Lippen; nun wirkte ER wie ein Schüler der auf weitere Ausführungen seines Lehrers wartete... "Es hat zwei Flügel, und kann doch nicht fliegen, es hat einen Rücken und kann doch nicht liegen... Es trägt eine Brille-" "Nase! Davon hab ich ja so ein dezentes Exemplar..." Ich gluckste. "Ein Spürhund ist schließlich auf seinen Riecher angewiesen, oder?" Ich stellte ihm weitere Rätsel welche er meist auf Anhieb und mit großer Begeisterung löste, aber bei einem stockte er plötzlich. "Das Auge im blauen Gesicht sah ein Auge im grünen Gesicht. Sieht genau aus wie mein Auge, sagte das erste Auge. Doch so tief unten blinzle ich nicht. Ich steh droben im blauen Gesicht. Na?" "Lass mich ein wenig überlegen..." Wie immer wenn er angestrengt nachdachte, schloss er die Augen und ich hätte beinahe gedacht, dass er eingeschlafen war, hätte er nicht urplötzlich die Augen geöffnet und einen frustrierten Ausruf ausgestoßen. "Ich komm einfach nicht drauf. Erleuchte mich!" "Sonne auf Gänseblümchen, meine Sonnenblume!" Er stöhnte auf. "Wie dämlich einfach!" Ich grinste. "Das kommt mir so seltsam bekannt vor..." Ein Schmunzeln legte sich über sein Gesicht. "Scheint mir auch irgendwie vertraut. Heißt das, ich bin jetzt der neugierige Boswell und du der oberschlaue Detektiv?" "Oberschlau hast du jetzt gesagt!" "Ach komm, ich weiß doch was die Leute über mich reden! Zumindest wenn sie mich mal nicht brauchen..." Das Grinsen wurde von meinem Gesicht gewischt. "Ich wusste gar nicht, dass sowas in dir arbeitet..." "Wie auch? Ich rede ja nicht darüber...und egal wie viel Empathievermögen du auch haben magst, mein lieber Watson, Gedankenlesen kannst du dann doch nicht...und manchmal plagen mich so manche düstere Gedanken, die ich lieber nicht aussprechen möchte..." Als er aufsah, fing er meinen Blick auf und grinste mich schief an. "Ah, mach dir um mich keine Sorgen, alter Knabe!" "Das liegt aber in meiner Natur..." Ich krabbelte zu ihm herüber, küsste seine Wange, völlig außer Acht lassend, das der Vorhang noch immer offen war und wir von der Straße aus gut zu sehen waren. "Was dich auch bedrücken mag...ich bin für dich da, okay? Und wenn du einfach nur Gesellschaft oder etwas Wärme brauchst..." Um diese Worte zu untermalen, breitete ich die Decke über uns beide aus. Zuerst dachte ich, Holmes wolle dieser Nähe entgehen...doch er zog lediglich den Vorhang vollends zu, hauchte mir einen Kuss aufs Haar und vergrub dann sein Gesicht in meiner Halsbeuge. "Danke für alles, John..."


Credits gehen an J.R. Tolkien für das letzte Rätsel welches ich in dieser Geschichte benutzt habe und das in seinem Buch "Der Kleine Hobbit" vorkommt. 

JohnLock OTP challengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt