26. Familienplausch (Interacting with family members)

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"Das ist also der Doktor der es geschafft hat, meinem kleinen Bruder gehörig den Kopf zu verdrehen?" Seine Worte waren weder feindselig noch abwertend...eher belustigt und so, als versuchte er, seine kindliche Neugier zu kaschieren. Mycroft Holmes war mir auf Anhieb sympathisch und die erste Begegnung mit meinem... "Schwager" wird mir wohl aus verschiedenen Gründen ewig im Gedächtnis bleiben. 

"Nun, Sir", antwortete ich mit einem schiefen Lächeln. "Ihr Bruder lässt sich eben sehr schnell um den Finger wickeln..." Mycroft Holmes ließ ein tiefes Lachen hören, welches mich an das Grummeln eines Bären erinnerte. "Oja, so ist unser Sherly. Seine erste Liebe war unser Kindermädchen!" Das gezischelte, warnende "Mycroft!" seines Bruders ignorierend trat er auf mich zu und reichte mir seine massige Hand. "Es ist schön, sie endlich kennenlernen zu dürfen, Dr Watson! Es hat ja lang genug gedauert bis Sherlock uns endlich vorstellt!" "Frag dich doch einmal warum", fauchte Holmes, dessen bleiche Wangen ungewohnt rosig aussahen. "Ach komm, Sherly, du hast mir so viel von unserem guten Doktor erzählt...wie sollte ich da denn NICHT neugierig werden? Es ist genau wie damals mit diesem jungen Trevor, wie hieß er noch? Viktor? Du konntest einfach nicht aufhören, über ihn zu reden..." Holmes warf mir einen entschuldigenden Blick zu, doch ich lächelte ihm nur zu. Er hatte mir von der Gloria Scott und Viktor Trevor erzählt, ebenso wie ich ihm über meine erste Liebe. "Verliebt sein ist doch etwas Schönes!", sagte ich deshalb. "Wenn einen nichts anderes mehr interessiert und der Name des Partners das einzige ist, was einem im Kopf herumschwirrt." "Ich bin tatsächlich froh, dass Sherlock mich nicht in sämtlichen Beziehungen als Vorbild genommen hat", sagte Mycroft mit einem warmen Lächeln. "Das Leben wird schnell einsam wenn man es versäumt, Bekanntschaften zu knüpfen. Du weißt, dass ich froh bin, dass du dich dazu entschieden hast, dein Leben mit jemanden zu teilen. Ich bin erleichtert, dass ich dich in die Hände von jemanden wie Dr Watson geben darf...sollten sie aber auf die überaus dumme Idee kommen, meinem Bruder auf irgendeine Weise wehzutun..." "Ach, halt den Mund Mycroft!" Der ältere Holmes Bruder gluckste. "Ich  sehe schon, unser Humor schneidet sich nicht. Keine Angst, Bruderherz, ich mache nur Spaß, spring mir nicht gleich an die Gurgel!" Trotz ihrer oberflächlichen Distanziertheit und Unterschiede, sah man den beiden Brüdern an, wie viel sie einander bedeuteten, einander schätzten. Da war eine gewisse Wärme in den Augen des älteren Bruders als er Sherlock besah. Dieses Anzeichen brüderlicher Liebe ließ mich unwillkürlich lächeln, doch bereitete es mir auch einen unangenehmen Stich im Herzen. Es...erinnerte mich schmerzlichst an meinen eigenen Bruder. Viel Zeit zum Trauern habe ich mir damals nie gelassen, weder bei ihm noch unseren Eltern, und so kam es, dass die Traurigkeit mich manchmal hinterhältig überfiel wie ein Schatten, dessen Anwesenheit man sich oftmals nichtmehr bewusst ist, der aber immer da ist. Holmes schien das gemerkt zu haben, denn er verabschiedete sich abrupt von Mycroft mit irgendeiner lausigen Entschuldigung und bugsierte mich aus den Diogenes Club und in eine Droschke. Erst als wir sicher saßen und die Kutsche sich in Bewegung setzte, fragte er mich, was los sei.  "Nichts, alles in Ordnung." "Du weißt wie jämmerlich ich in Gefühlsdingen bin, aber selbst ich merke, dass etwas nicht stimmt. Was ist los, John?" Ich ließ unweigerlich den Kopf hängen. "Dich und Mycroft zu sehen...hat mich an meinen eigenen Bruder erinnert, wie er war bevor er anfing zu trinken. Ich habe immer die selbe Wärme in seinen Augen gesehen die ich in Mycrofts wahrgenommen habe... Nur weil wir uns nicht immer grün waren, heißt das nicht, dass ich ihn nicht vermisse. Als unsere Eltern, wenn auch eher unfreiwillig, von meinen etwas anderen Neigungen erfahren haben..." Mein Blick fiel auf unsere Hände, die Holmes soeben miteinander verhakt hatte. "...haben sie mich rausgeworfen. Sie waren angewidert und befürchteten, sie könnten in Gefahr geraten, wenn ich bei ihnen blieb. Harry* aber hat mich trotz alledem aufgenommen und mich unterstützt. Weder ihm noch seiner Frau hat meine Art irgendetwas ausgemacht...doch dann verstarb seine Frau und ich musste mit ansehen, wie er sich selbst mit dem Alkohol in den Ruin stürzte...und nunja... Der Alkohol verändert Menschen oder zeigt mehr von ihrem wahren Wesen... Was auch immer bei Harry der Fall war...er war kein Bruder mehr zu dem ich irgendwie aufblicken konnte. Er warf mir schreckliche Dinge an den Kopf und beschimpfte mich aufs Übelste. Das war ungefähr die Zeit, in der ich nach Afghanistan aufbrach, hatte ich ja nichts mehr zu verlieren. Seit Afghanistan und seitdem ich dich kenne, hatte ich kaum mehr Kontakt zu ihm, und als ich von seinem Tod hörte, so grausam es auch klingen mag...da war es mir egal. Mir war es egal, dass mein eigener Bruder tot ist, Sherlock! Welchen Groll du auch immer gegen Mycroft hegen magst...lass nicht zu, dass er dich deiner Familie gegenüber kalt werden lässt! Schau mich an, ich war seit Harrys Beisetzung nicht einmal mehr an seinem Grab, dabei ist der Friedhof nicht einmal weit weg!" Endlich traute ich mich aufzublicken. Sherlocks Blick war überrascht, einige Momente wirkte er wie versteinert...doch relativ schnell fing er sich wieder und küsste im Schutz der geschlossenen Kutsche meine Hand. "Ich verspreche es. Auf welchem Friedhof liegt dein Bruder?" Ich nannte ihm die genau Adresse, und bevor ich nach einem Grund fragen konnte, hatte Sherlock sich bereits aus dem Fenster gelehnt und dem Kutscher etwas zugerufen. "Sherlock, was zum-" "Reg dich nicht auf, ich möchte meinem Schwager eben auch mal Hallo sagen!"

Es war wahrhaftig ein trauriges Bild... Das Unkraut wucherte nur so, und ließ von dem Namen nur noch einzelne Buchstaben erahnen. Schuld bohrte sich wie ein spitzer Pfeil immer tiefer in mein Herz und ließ es schmerzhaft pochen. Tränen schlichen sich wie miese Verräter in meine Augen. Ich spürte, wie Holmes nach meiner Hand griff und sie drückte, obgleich wir nicht die einzigen Besucher auf dem Friedhof waren... Vorsichtig drückte ich zurück, glücklich über seine leise Unterstützung, ehe ich mich auf den Boden kniete und begann, das Grab meines Bruders Stück für Stück von Unkraut und Dornen zu befreien. Der Nachname war schon beinahe sichtbar, als Holmes sich neben mich kniete und mir half. Unsere Hände waren nach getaner Arbeit zerkratzt, doch das war es immerhin wert. Das Grab sah schon freundlicher aus und ich beschloss, vor meinem nächsten Besuch Blumen mitzunehmen... "Schade das wir uns so begegnen, Mr. Watson", ertönte plötzlich Holmes'Stimme neben mir. Irritiert drehte ich mich in seine Richtung. "Auf diese Weise darf ich nie peinlichen Geschichten aus Johns Jugend lauschen!" Trotz der ganzen Situation musste ich doch sehr lachen, während die Tränen noch auf meinen Wangen glitzerten. Und dann flüsterte Holmes etwas, von dem er wohl dachte, dass ich es nicht hörte, etwas, dass mein Herz erwärmte... "Du magst zwar daran gescheitert sein, aber ich gebe von nun an für dich auf ihn acht. Und zwar immer, solange ich lebe. Ich verspreche es!"  

*In den Büchern hat Watsons Bruder keinen Namen, also hab ich den Von BBC Sherlock genommen

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