13. Prinz oder Detective? (In a fairytale)

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Eine weite, friedliche Landschaft.

Reine, unberührte Natur, wohin man sah... 

Aber...was war das? Waren das zwei Menschen? Wo kamen die denn so plötzlich her? Es sieht aus, als würden sie sich heftig zanken... Das war es wohl mit der friedvollen Idylle...

"Gib es einfach zu...du weißt auch nicht, wie das passieren konnte!" "Es ist einfach nicht...logisch..." "Aber trotzdem sind wir hier, oder?" Zwei Männer, der eine schlank und lang, mit einem Tweed Deerstalker auf dem Kopf, der sein unverkennbares Markenzeichen geworden war und wohin man ging stets mit seinem Namen assoziiert wurde. Sherlock Holmes lebte und arbeitete normalerweise in London...wie er sich wohl mit seiner Begleitung, Doktor Watson, hierher verirrt hatte? Sie blieben vor einem hohen Gebäude stehen, reckten ihre Hälse um dessen Spitze erblicken zu können. "Erkennst du diesen Turm?" "Rapunzels Turm", murmelte Holmes verdrossen. "Weißt du noch, wie man hineinkommt?", fragte Watson, der im Gegensatz zu dem Detektiv eher belustigt aussah. "Mit einem Ausruf, oder nicht? Aber was wollen wir überhaupt da oben?" Seine Begleitung zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Vielleicht sollen wir der jungen Rapunzel helfen? Möglicherweise ist das der Grund, warum wir hier sind?" Sein Gegenüber blickte ihn zweifelnd an. "Warum denn nicht? Könnte ein interessanter Fall für uns werden... Die böse Fee mit ihren Verbrechen...eine Frau in Not..." "Also schön...überredet!" Der Detektiv räusperte sich peinlich berührt und rief dann mit seiner etwas schrillen Stimme: "Rapunzel, Rapunzel! Lass dein Haar herunter!" Eine ungewöhnliche Kletterpartie und eine poltrige Aufklärung später, da sie Holmes mit jemand anderen zu verwechseln schien,  standen sie zu dritt in dem kreisförmigen Turmzimmer; die junge Frau starrte sie mit einer Mischung aus Misstrauen und seltsamer Faszination an. "Sie wollen mir helfen, gentlemen? Womit denn?" "Mit der Fee, die sie hier in diesem Turm gefangen hält!" "Gefangen halten? Aber nein! Die gute Fee beschützt mich doch nur vor der großen, gefährlichen Welt da draußen!" Theatralisch rollte Holmes mit den Augen. "Was ist nur mit der Naivität bei blutjungen Frauen..." Nervös strich Rapunzel eine Strähne ihres meterlangen Haares hinter ihr Ohr, viele die Holmes' stechenden, observierenden Blick nicht gewohnt waren, reagierten auf eine ähnliche Weise. Bei der Bewegung zuckte der Detektiv kurz... und packte urplötzlich das Handgelenk der jungen Frau. "Sieht so etwa Fürsorge aus? Watson, wie alt sind diese Blutergüsse?" "Schwer zu sagen...aber vermutlich schon einige Tage...sie beginnen bereits langsam zu heilen..." Rapunzel entriss sich seinem, für einen so schlaksigen Mann sehr starken, Griff und schob ihren Ärmel wieder nach unten. "Ich bin selbst schuld", murmelte sie. "Mein liebes Mädchen...für so etwas gibt es keine Entschuldigung! Sie müssen dringend hier weg bevor diese schreckliche Person wiederkommt und ihnen erneut so etwas antut!" "Ja, aber wie?" Nun schien Verzweiflung im Gesicht der jungen Frau Überhand zu nehmen.  "Lassen sie mich etwas überlegen", hauchte Holmes; seine grauen Augen hüpften im Turmzimmer auf und ab...bis sie schließlich an den Haaren der jungen Frau hängenblieben. "Das ist es!", rief er aus, brachte die andern beiden dazu, fürchterlich zusammenzuzucken. Dann sprang er auf den kurzen Vorsprung des Fensters und seinem Begleiter blieb fast das Herz stehen. "Holmes!" "Keine Sorge, alter Bursche", rief er, während er halb über dem Sims baumelte. Im nächsten Moment war er bereits wieder im Raum. "Sie, junge Lady, lassen uns nach unten und dann benutzen sie ihre Haare als eine Art Gondel um selbst hinab zu kommen. Draußen ist eine breite Stange an der Seite des Turms, die wird ihr Gewicht halten..." "Oh, ich weiß nicht, Mr Holmes... Seit dem letzten Besucht des Prinzen, so scheint es mir, habe ich ein wenig zugenommen... Meine Kleider sind fürchterlich eng geworden und ich habe extra ein weiteres Kleid angezogen damit die Fee nichts bemerkt..." Die beiden Männer blickten sich an wie erstarrt. Schließlich brachte Doktor Watson eine Frage hervor. "Wie...wie lange ist es denn her, dass der Prinz bei ihnen war?" Sie zuckte mit den Schultern. "Vor etwas über drei Monaten oder so ähnlich war sein erster Besuch...dann kam er mich häufig besuchen...aber die letzten Wochen seltener weil die Fee misstrauisch wurde..." "Holmes..." Der Arzt wandte sich im Flüsterton an seinen Begleiter. "Sie wissen doch auch was das bedeutet, nicht wahr?" "Sicher, ich bin nicht dämlich..." "Vielleicht ist eine Flucht so ins Blaue hinein nicht so vorteilhaft in ihrem Zustand..." "Ja, aber wenn wir sie hier lassen, tun wir den beiden auch keinen Gefallen... Sie wissen ja, was im Märchen mit der jungen Lady passiert, wenn die Fee von der Schwangerschaft erfährt..." "Da haben sie auch wieder Recht..." "Entschuldigung?", hakte die junge Frau höflich nach. "Ich wollte ja nicht lauschen, habe aber doch ein paar Worte rausgehört...was haben sie mit meinem momentanen Zustand gemeint?" "Nun", begann Watson vorsichtig. "Ich habe nur gedacht, dass eine lange Reise vielleicht nicht so gut für sie ist, da sie ja schon in anderen Umständen sind...und Holmes hier hat richtigerweise angedeutet das der Umgang mit der Fee auch nicht-" "Moment", unterbrach ihn das Mädchen. "Andere Umstände? Welche anderen Umstände denn?" "Nun, schwanger", versuchte Watson es erneut, doch das arme Mädchen starrte ihn nur verwirrt und hilflos an. "Das wird eine lange Reise werden", murmelte Holmes. "Aber lassen sie das lieber ihren Prinzen in Ruhe  erklären", fuhr er mit lauterer Stimme fort, mit einem seltsam schelmischen Funkeln in den Augen. "Sie wollen ihn doch wiedersehen, oder?" Sie nickte eifrig...und so führten die drei ihren Plan schließlich aus. Unsere junge Rapunzel war ganz aus dem Häuschen als ihre nackten Füße schließlich den Grasboden berührten. Einige Zeit tollte sie glücklich herum und betrachtete jede Blume mit großer Begeisterung; Watson schmerzte es zu sehen, wie sehr sich diese Mädchen über für ihn alltägliche Dinge freute. Plötzlich jedoch wurde ihre Heiterkeit getrübt, und es war, als würde die Sonne hinter den Wolken verschwinden. "Oh Schreck! Ich weiß doch gar nicht genau wo der Prinz herkommt! Und dazu kenne ich mich in dieser Welt gar nicht aus..." Holmes nahm die Hand der jungen Rapunzel in seine und lächelte ihr aufmunternd zu. "Erzählen sie mir einfach ein wenig über ihren Prinzen. Ich bin mir sicher, dass wir dadurch einen Weg finden werden, ihn aufzuspüren!" Sie verstrickte sich daraufhin in Erzählungen und der junge Arzt musste über ihren schwärmerischen Tonfall schmunzeln. Ob seine Leser auf die selbe Weise reagierten, wenn er über Holmes schrieb? Plötzlich hob dieser die Hand, wie um ihren Redefluss zu unterbrechen. "Haben sie gerade gesagt, er habe ein Pferd geführt?" Sie nickte. "Das würde uns bei der Spurensuche helfen...allerdings meinten sie, dass er länger nicht bei ihnen war, was heißt, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass wir hilfreiche Fußspuren finden, relativ gering ist. Aber da wir hier schließlich in einem Märchen sind, müssen diese Gesetze hier nicht unbedingt zutreffen..." Er verfing sich in Selbstgespräche, wobei er beinahe einem Hund gleich den Boden absuchte und ab und zu einen triumphierenden Schrei ausstieß. Es gab in ihrer Umgebung hauptsächlich Gras und Waldwege und in diesem Ort hatte es seit einer Ewigkeit nicht mehr geregnet, weshalb die äußeren Umstände auf Holmes' Seite zu stehen schienen. Watson und Rapunzel folgten ihm behutsam und immer mit ein wenig Abstand. "Was meint er damit, wenn er sagt, dass wir in einem Märchen sind?", fragte sie und hakte sich bei Watson ein. "Nun, das ist ein wenig peinlich", antwortete dieser. "Da wo Holmes und ich herkommen, kennt beinahe jeder ihre Geschichte...allerdings denkt jeder, sie sei ausgedacht. Aufgeschrieben wurde sie von den deutschen Sprachwissenschaftlern Jacob und Wilhelm Grimm, die berühmt für ihre Märchensammlungen sind..." Die junge Frau runzelte die Stirn. "Noch nie gehört, aber... Wie seltsam...ich kenne sie und Mister Holmes auch, ebenfalls aus Büchern, die von einem schottischen Autor geschrieben wurden, einem gewissen Sir Arthur Conan Doyle." "Wie überaus seltsam..." "Nicht wahr? Aber ich bin ehrlich gesagt, froh, sie beide getroffen zu haben! Da ich in diesem Turm nichts zu tun habe, lese ich fast den ganzen Tag und ich habe Doyles Geschichten förmlich verschlungen! Aber ich bin auch froh, weil sie mir Mut gemacht haben und mich da rausgeholt haben! Verstehen sie mich bitte nicht falsch, ich liebe den Prinzen, aber... er hätte sowas vermutlich nicht gemacht... Ich glaube es immer noch nicht, dass wir ihn tatsächlich suchen...das ist alles so aufregend!" "Nun, in unserem Beruf wird das Leben jedenfalls auch nie langweilig...vorallem wenn man so einen Partner wie Sherlock Holmes an seiner Seite hat..." Das Mädchen grinste. "Sie und Holmes...nun..." Watson hob eine Augenbraue. "Sie wissen schon...ist er ihr Prinz?" "In gewisser Maßen...ja..." Der Arzt mied ihren Blick, während sie sich an seine Schulter kuschelte und wissend lächelte. "Aber ich nenne ihn lieber meinen Detective." "Das ist wirklich niedlich!" Einige Weile flanierten sie schweigend hinter Holmes her, Watson mit rötlichen Wangen und Rapunzel mit einem breiten Lächeln, bis Holmes sich endlich aufrichtete und eine Lichtung entlang huschte und im Dickicht verschwand, wie ein Hund der das Signal zur Jagd bekommen hatte. Wenig später kam er wieder, dicht gefolgt von einem großen, weißen und majestätischen Pferd, auf dessen Rücken... Watson stutzte und ihm wurde urplötzlich klar, warum Rapunzel Holmes so überschwänglich umarmt hatte, als sie beide in ihrem Turm erschienen waren... Sie hatte ihn mit dem Prinzen verwechselt, der ihm wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten war, nur das er edlere Kleidung trug... Als die Liebenden sich um den Hals fielen, hatte unser Märchen früher als sonst sein Happy End dank unserer Bakerstreet Detektive...die nach dieser Wiedervereinigung wieder in ihre Heimat zurückkehren konnten. Während Rapunzel und der Prinz bald darauf ihre Hochzeit feierten, Zwillinge bekamen und die Fee aus ihrem Leben verbannen konnten, so hatte sich für Holmes und Watson kaum etwas bis gar nichts geändert...

"Was hälst du von diesem äußerst ungewöhnlichen Fall, John?", fragte Holmes am Abend ihrer Rückkehr, als sie vor ihrem gemütlichen Kamin saßen. "Nun, wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir so etwas noch nicht erlebt haben... Eine gekonnte Abwechslung..." "Und Miss Rapunzel hat ihren Prinzen wieder..." "...der seltsame Ähnlichkeit mit dir hatte...ich hab zuerst gedacht, du hättest dich in eine deiner Verkleidungen geschmissen und dich auf ein Pferd gesetzt..." "Das Leben als Prinz wäre mir eindeutig zu langweilig..." "Hm..." Der Detektiv blinzelte irritiert, während Watson sich auf einmal vor ihm hinkniete und seinen Handrücken küsste. "Trotzdem wirst du nach dieser Erfahrung nun immer mein Detective und mein Prinz bleiben..." 

Wie sagt man so schön? Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...und lieben und raufen sich wie am ersten Tag...


Randnotiz: Das Märchen Rapunzel spielt einige Zeit vor Doyles Geschichten, dennoch fande ich die Idee süß, das Rapunzel und Watson iwie Fans voneinander sind, auch wenn es zeitlich nicht hundertprozentig passt...

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