23. Nostalgie (Being old together)

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Immer öfter verzog ich mich in letzter Zeit in unser kleines Gärtchen und verbrachte dort meine Frühlingsnachmittage. Manchmal las ich oder widmete mich alten Notizen, welche ich länger nicht mehr hervorgeholt hatte...meistens jedoch betrachtete ich lediglich das kleine Stück Natur, welches wir uns zu unserem Cottage in Sussex gekauft hatten, beobachtete die Bienen, welche zu Holmes' Volk gehörten und dachte an die unzähligen Abenteuer die wir beide in unserer Jugend erlebt hatten...und ich muss ehrlich zugeben, dass mir der Nervenkitzel, die Adrenalinschübe irgendwie fehlten... Aber wenn ich ihn hier sah, Holmes, die einzige Konstante in meinem Leben, dann wusste ich, dass es mir, trotz Mangel an Fällen, in meinen alten Tagen an nichts fehlte und ich den Rest meiner Tage nicht schöner verbringen könnte.

 Holmes hatte sich verändert, aber nur zum Guten. Endlich gönnte er sich seine wohlverdienten Pausen und schien diese sogar zu genießen. Er war entspannter und ausgeglichener...glücklicher. Und trotz allem...war er noch der selbe Schalk und ließ noch immer dieselben Gefühle in mir erblühen wie so viele Jahre zuvor. 

Die Hände mögen schrumpeliger und sehniger geworden sein, das Gesicht faltiger und er musste immer häufiger zu seiner Lesebrille greifen (auch wenn er versuchte, diesen Fakt vor mir zu verbergen), durch seinen gebeugten Gang war er leicht geschrumpft, doch ich fand das alles  auf seltsame Art charmant; es machte ihn so herrlich menschlich. 

Seine Hände waren zittriger...die Art und Weise aber, wie er meine Wange streichelte, wenn er mich küsste, war ganz wie früher und ließ mein Herz noch immer höher schlagen.

Seine Augen hatten sich leicht getrübt und manchmal blickten sie hinter einem runden Brillengestell hervor, welches er früher nie gebraucht hatte, doch weiterhin ließ die Klugheit und Gerissenheit, welche in ihnen glitzerte, den großen, weltberühmten Detektiv erahnen, den ich nun privat und ganz für mich alleine hatte. 

Anders gesagt: Ich blickte in sein Gesicht, und wusste früher wie heute sofort, warum ich mich damals, vor knapp 30 Jahren, in ihn verliebt hatte. 

Ich hatte unseren ersten Kuss vor Augen, verborgen und doch ein wenig riskant in einer geschlossenen Kutsche auf dem Rückweg von einem Fall. 

Unsere erste gemeinsame Nacht, gemütlich und geborgen, in seinem Schlafzimmer in der Bakerstreet... 

Sein Versprechen nach Moriartys Fall, unsere symbolische Hochzeit... 

Und plötzlich mischte sich zu dem häuslichen Glück auch eine gewisse Traurigkeit, eine vergessene Nostalgie...

"Worüber denkst du nach, Liebes?" Er hob seinen Sonnenhut an, damit er meine Schläfe küssen konnte. Ich lächelte selig. "Über nichts besonderes...unsere alten Fälle...und darüber wie sehr ich meine Jugend vermisse..." Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, welches ihn einmal mehr in den jungen Burschen verwandelte, welcher mir damals im Barts so euphorisch sein Experiment gezeigt hatte. "Nostalgie ist wohl noch so eine Schattenseite des Alters, wie?", sagte er weise, als er sich neben mich auf dem Bänkchen niederließ. "Älter werden und nichts tun ist nicht gerade leicht wenn deine Jugend mit Abenteuern gepflastert war... Aber wie ich sehe, tut  dir der Ruhestand ganz gut", bemerkte ich, seine Wangen betrachtend, welche nun einmal einen gesünderen Ton hatten. "Das stimmt tatsächlich. Ich dachte, Londons Verbrecher würden mir mehr fehlen... Aber mir ist aufgefallen, dass meine Bienen sich genauso gut analysieren lassen und zudem um einiges intelligenter sind als manche Kleinkriminellen... Außerdem habe ich hier in diesem kleinen Cottage  alles, was ich brauche!" Er schenkte mir ein warmes Lächeln und legte seine Hand, an der bei dieser Bewegung, der einfache Silberring aufblitzte, den ich ihm vor Jahren für unser "Ehegelöbnis" geschenkt hatte, auf meine. Ich verbarg mein Gesicht in seiner Halsbeuge. "Bist du glücklich?", fragte ich dabei. "Ja, sehr." "Haben sich all deine Wünsche bisher denn erfüllt?" "Jaaaaa..." "Und welche wären das?" "Hm...den skrupellosesten Verbrechern Englands das Handwerk legen und..." Ein Kuss auf meine Hand. "...mit dir, der Liebe meines Lebens, alt werden..."  

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