Part 1

3K 67 5
                                    

Die ersten Sätze sind immer die Schlimmsten. Es ist wie das Zeichnen von  Seekarten, der erste Strich, die erste Linie ist entscheidend. Ist der  erste Strich missraten, so möchte man am liebsten das Papier  zusammenknüllen und gegen die nächste Wand schmeißen. In der Hoffnung,  dass es daran abprallt und zielsicher im Mülleimer landet, der auf ganz  mysteriöser Weise an der Wand lehnt.
Nur, dass ich den Mülleimer  natürlich nicht getroffen habe. Außerdem war mein erster Strich nicht  schlecht, es war der Zweite der nicht ordentlich genug war.
Genervt  starrte ich auf die Uhr, kurz vor Feierabend. Noch eine knappe halbe  Stunde, dann könnte ich endlich meiner Arbeit entfliehen. Grundsätzlich  mochte ich meine Arbeit, ich arbeite in einer Werft, welche sich auf den  letzten Schliff von Schiffen spezialisiert hat. Unsere Hauptarbeit  bestand darin Schiffen den letzten Glanz zu verleihen – meistens ging es  dabei um die technische Ausstattung. Meine Tätigkeit bestand darin  Seekarten anzufertigen oder zu kopieren und gelegentlich  Navigationssysteme einzurichten, was nicht allzu oft vorkam, da diese  Technik noch nicht so verbreitet ist. Es klingt deutlich spannender, als  es wirklich ist. Die meiste Zeit hocke ich in meinem stickigen Büro und  fertige Kopien von Seekarten an, die irgendein Glücklicher irgendwann  mal gezeichnet hat. Die meisten Schiffe, die hier ankommen sind komplett  neu und sollen direkt mit verschieden Schnick Schnack ausgestattet  werden. Dann gibt es die Schiffe der Marine, welche regelmäßig vorbei  kommen, um auf den neusten Stand der Technik zu bleiben. Piraten oder  Rebellen haben wir extrem selten, da unsere Preise einfach übertrieben  sind und ein einfacher Pirat es sich kaum leisten kann. Manchmal wird  unser Unternehmen auch mit dem Verkauf der Schiffe beauftragt, somit  kann sich der Eigentümer einiges an Zeit sparen, da er das Schiff nicht  bis zum nächsten Hafen bringen muss und das Unternehmen sämtliche  Serviceleistungen übernimmt, für die meisten Kunden ist das der  ausschlaggebende Punkt. Weniger Arbeit – dafür auf etwas Geld  verzichten. Zusätzlich fallen die Transportkosten weg und die Abnutzung  von dem Schiff. Wir streichen dafür eine Provision ein, eigentlich nicht  wir, sondern lediglich mein Chef Steve.
Meine letzte Kopie, die nun  neben dem Mülleimer lag, war zwar besser als das Original, wurde meinen  Ansprüchen trotzdem nicht gerecht. Es war nicht so, dass ich hohe  Ansprüche hatte, aber mein Chef, der eine gewissenhafte und saubere  Arbeitsweise sehen wollte, hätte mir das Blatt so oder so zerrissen und  mit den Worten:
„Eine solch schlampige Arbeitsweise wird hier nicht  toleriert!" Dazu hätte er die Stirn kraus gezogen und seine Augen  zusammengekniffen und seinen Mund ganz leicht geöffnet. Danach hätte er  sich umgedreht mit einem dramatischen Schnaufen und wäre seines Weges  gegangen, wobei sein Bauch ihm vorauseilte. Nach etwa drei Schritten  würde er stehen bleiben und mich anschnauzen, dass ich gefälligst heute  noch einen anständigen Entwurf vorlegen sollte.
Momentan gab es kein  Schiff, welches hier war und somit auch keine wirkliche Arbeit für  mich, außer Kopien anzufertigen, damit diese über unseren Nebenerwerb  verkauft werden konnten. Von dem Geld, was unsere Werft „Steve's and  Son's" damit verdiente, sah ich relativ wenig, ich ließ mich mit einem  eher mäßigen Gehalt abspeisen. Die Überstunden wurden auch nicht  bezahlt, bei einer Weigerung, hätte ich wohl am nächsten Tag die  Kündigung auf den Tisch, egal wie gut oder schlecht meine Arbeit war.  Obwohl es eher unwahrscheinlich, wenn nicht gerade unmöglich, dass ich  mich jemals weigern würde, dazu fehlte mir einfach das nötige  Selbstbewusstsein.
Bei den anderen Abteilungen unserer Werft sah es  anders aus. Die meisten gammelten herum, oder waren auf die Nachbarinsel  gefahren um dort Urlaub zu machen, da momentan keine Schiffe zur  Reparatur oder zur Aufbesserung hier waren. Erst morgen sollte ein neues  Schiff eintreffen und unser Chef schob jetzt schon Panik, dass wir den  Auftrag nicht rechtzeitig beenden würden, obwohl wir noch nicht mal  angefangen hatten. Als Leiterin der Navigationsabteilung (die übrigens  nur aus meiner Wenigkeit bestand) konnte ich es mir nicht leisten Urlaub  zu nehmen. Selbst wenn, mein Chef Steve würde es niemals genehmigen.  Seit 5 Jahren machte ich nun diesen Job und ich war auch die einzige  Navigator in, die man weit und breit finden konnte, aber genug Vertrauen  in meine Fähigkeiten um zu kündigen und mir einen besser bezahlten Job  zu suchen hatte ich nicht. Die meisten würden mich eh ablehnen. Es war  nicht so, dass ich es nicht probiert hatte. Bevor ich herkam, hatte ich  mich bei der Marine beworben, war sogar zu einem Vorstellungsgespräch  eingeladen worden. Jedoch, als ich dann den ersten Schritt in den Raum  setzte, wo das Bewerbungsgespräch stattfinden sollte, schrumpfte mein  Selbstbewusstsein dermaßen zusammen, dass ich einfach nur stumm blieb  und bei Fragen einfach nur stammelte. Der abwertende Blick, den mir die  alte Schabracke damals zugeworfen hatte, hatte komplett gereicht. Die  Sätze, die dann kamen waren nicht gerade besser: „Wenn die da auf einem  Schiff navigiert und das Schiff in ein Unwetter kommt, haut es die  bestimmt über die Reling! Dann können wir die Kleine aus dem Wasser  ziehen". Mein persönlicher Favorit war jedoch: „Zum Mittagessen können  Sie schon nach da bleiben, wir bieten auch hoffnungslosen Bohnenstangen  Essen an. Soll ich Ihnen vielleicht die Türe aufhalten nicht, dass Sie  sich verletzen?!". Die Oma hatte irgendwo auch Recht. Ich gehörte nicht  auf ein Schiff, welches die weiten der Meere entdeckte und in Stürme  geriet. Dafür war ich einfach nicht stark genug. Körperlich war ich  einfach zu zierlich und zu klein. Teilweise war ich auch zu schwach und  in Stresssituationen bekam ich Herzrasen und Panikattacken – was  natürlich beste Voraussetzungen für Seefahrten ist. Allgemein, fragte  ich mich heute, was mich damals geritten hatte, dass ich mich bei der  Marine beworben hatte. Die körperlichen Gegebenheiten waren einfach  nicht da. Mein Herz war viel zu schwach. Grundsätzlich war ich kein  kränklicher Mensch, nur wenn Gewitter oder ein Wetterumschwung sich  anbahnte, wurde ich krank. Je heftiger der Sturm war, desto heftiger  waren meine Symptome, teilweise dauerte es Tage nach einem Gewitter bis  ich wieder einigermaßen fit war. In die Arbeit quälte ich mich trotzdem,  ein Fehlen wurde hier nicht toleriert und irgendwie musste ich ja doch  meinen Lebensunterhalt verdienen. Vor Unwettern fühlte mich häufig müde  oder ausgelaugt, als wäre ich einen Marathon gelaufen, was ich  selbstverständlich niemals freiwillig machen würde.

Still falling for you - Trafalgar Law x OC [abgeschlossen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt