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Anscheinend haben seine Brüder sich dazu entschieden ihm zu folgen, denn trotz des Sicherheitsabstandes den sie einhielten, konnte er sie hinter sich hören. Doch das war ihm egal, seine Gedanken rasten. Er wusste nicht mehr weiter. Einerseits wollte er diese Stadt verlassen und seine Brüder, denen er nun mehrere Jahrzehnten erfolgreich aus dem Weg gegangen ist, hinter sich lassen, doch andererseits konnte und wollte er Angeline nicht wehrlos zurück lassen. Doch wie sollte er sie nur finden? Sie war ein Mensch unter vielen in dieser Stadt. Wie vom Blitz getroffen blieb Cassian stehen. Aber natürlich! Sie war ein Mensch. Und was taten Menschen, wenn sie gerade von einem fremden Russen in ihrer Wohnung überfallen wurden. Sie gingen zur Polizei. Er schlug sich selbst gegen die Stirn. Wie konnte er nur das offensichtliche übersehen. Er machte kehrt und machte sich auf den Weg Richtung Polizeirevier, während er sich ins Fäustchen lachte. Somit hätte er zwei Fliegen auf einen Streich geschlagen. Er fand Angeline, und wenn die Polizisten Dimitri entdeckte, der bestimmt schon zur Fahndung ausgeschrieben war, wenn er Angeline richtig einschätzte, wäre er auch seine Verfolger los. Dann könnte er mit Angeline untertauchen. Kurz dachte er an Jaques, und ein schmerzvoller Stich durchzuckte ihn. Sein alter Freund war immer an seiner Seite gewesen, selbst die wenigen paar Male wo die beiden getrennte Wege gingen, wussten sie immer, wo sich der andere im Moment aufhielt. Doch diesmal würde er gehen, ohne Jaques zu sagen, was sein Ziel war. Zu groß war das Misstrauen ihm gegenüber. Dorian hatte ihn um den Finger gewickelt, wieder einmal, genauso wie er es mit den anderen gemacht hat. Cassian stand allein.

"Du kanntest diese Hexe, nicht wahr?", fragte Cassian leise als er sein Pferd neben Dorians gelenkt hatte, der stumm voran ritt. Sie hatten keine Zeit verloren, nachdem ihr Kommandant das Schwert in die Brust der Frau gestoßen hatte, hatten sie die Hütte samt Leiche verbrannt. Erst als vor ihnen nichts mehr war außer Asche und Rauch, waren sie wieder auf ihre Pferde gestiegen und schweigend ihres Weges geritten. Die unheilvollen Worte der Hexe klangen immer noch in ihren Gedanken nach. "Ja.", beantwortete Dorian Cassians Frage kühl. "Woher?", hackte dieser neugierig nach. Dorians Blick wanderte zu ihm, in seinen Augen lag ein Ausdruck der Gleichgültigkeit, als er antwortete: "Das macht nun nichts mehr zur Sache. Sie ist tot." Kaum hatte er zu Ende geredet hörte Cassian ein bekanntes Zischen "Armbrust!", rief er warnend und stieß Dorian vom Pferd, wobei er selber ebenfalls aus dem Sattel fiel. Über ihnen zischte der Armbrustpolzen vorbei. "Überfall!", brüllte Dorian warnend, doch es war schon zu spät. Das klicken zahlreicher Armbrüste ertönten und schon zischten die Bolzen aus allen Richtungen auf die überrumpelten Ritter. Der ein oder andere konnte sich am Pferd halten, doch die meisten hatten nicht so viel Glück und verloren das Gleichgewicht, oder wurden durch die Wucht des Einschlages vom Rücken ihres Pferdes gerissen. Cassian hoffte, die Bolzen hatten nicht die Rüstung durchdrungen."Nein." Hörte Cassian Dorian entsetzt flüstern. "Sie haben uns eingekreist!", ertönte Cedrics Stimme aus dem Tumult, und Cassian sah verzweifelt zu seinem Kommandanten hinüber, der ebenso wie er selbst versuchte am Boden Schutz vor dem nicht enden wollenden Beschuss zu finden. Als dieser den Blick seines Bruders sah, trat ein entschlossener Ausdruck auf sein Gesicht. "Rückzug! Deckung suchen!", rief er über den Tumult hinweg und sofort begannen die Anderen sich mit ihren Schilden als Schutz Richtung rettenden Wald zu begeben, wo die Bäume ihnen wenigstens ein wenig Schutz bieten würden. Auch Dorian hob sein Schild und wehrte die Bolzen gekonnte ab, während er Cassian auf die Beine half. "Komm schon, Tempo!", befahl er woraufhin Cassian nickte und sich mit Dorians Hilfe aufrapppelte. Im Schutz ihrer beiden Schilde eilten die beiden auf die Bäume zu, hinter denen ihre Brüder bereits auf sie warteten. Jene von ihnen mit Langbögen und Armbrüsten nahmen die Bäume unter Beschuss, hinter denen die Schützen lauerten, und verhinderten so, das die Banditen ordentlich zielen konnten. Sie würden es schaffen. Schoss es Cassian durch den Kopf, als er plötzlich einen stechenden Schmerz in seiner Seite spürte. Überrascht sah er an sich herunter. Einer der Banditen hatte ein Loch in seiner Verteidigung gefunden und der Bolzen hatte sich in seinen Bauch getrieben. Wie in Trance griff Cassian nach dem Bolzen der in ihm steckte, das Blut tropfte daran hinunter und er spürte, wie er schwächer wurde. "Cassian!  Nicht aufgeben, wir sind gleich da.", hörte er Dorians Stimme, der ihn weiterzerrte. Dann kamen auch Jaques und Vladimir ihnen zur Hilfe und gemeinsam zogen sie Cassian in den Schutz der Bäume. Während Vladimir sofort wieder aufsprang und zu den Anderen eilte, die dabei waren systematisch die Banditen auszuschalten, oder wenigstens in Schach zu halten, blieben Dorian und Jaques neben Cassian knien, der immer noch irritiert auf den Bolzen blickte, der tief in ihm steckte. "Durchhalten, kleiner Bruder.", murmelte Dorian besorgt und untersuchte die Wunde. "Er steckt sehr tief drinnen.", meinte er zu Jaques, der ihn sorgenvoll ansah. "Was können wir tun?", fragte er, als Cassian plötzlich wie in Trance nach den Bolzen griff und ihn rauszog. "Bist du wahsinnig, du wirst verbluten!", schrie Jaques erschrocken und wollte gerade seine Hände auf die Wunde pressen, als er stockte. Auch Dorians Augen weiteten sich, als die Wunde plötzlich begann, sich vor ihren Augen selbst zu schließen. "Wie...wie ist das möglich?", stotterte Jaques verblüfft und Cassian richtete sich ächzend auf und betastete prüfend die Stelle wo gerade vorher noch ein großes Loch in seinem Körper gewesen war. "Ich weiß es nicht. Es tat weh, doch es war anders wie sonst. Ganz so als ob der Schmerz bloß oberflächig sei.", flüsterte er irritiert und sah zu Dorian, dessen Blick zwischen dem blutigen Bolzen und Cassians wundersam geheilter Wunde hin und her schoss. In diesem Moment ertönte ein Triumphschrei der Anderen. "Getroffen!  Das war der Letzte!", frohlockte Levin gerade, ehe sie sich alle um sie herum versammelten. Überraschung breitete sich auf ihren Mienen aus, als sie einen unverletzten Cassian sahen, der sich gerade mithilfe von Jaques aufrichtete. "Aber, du wurdest doch getroffen. Ich habs gesehen.", stammelte Vlad überrascht und die Anderen gaben ihm mit zustimmenden Gemurmel recht. "Ich weiß nicht...", begann Cassian ehe er sich zu Dorian umwandte, der fassunglos den Bolzen in seiner Hand herumdrehte. "Was hast du getan Adriana?", flüsterte er zu sich selbst, ehe er seinen Blick hob und in die fragenden Mienen seiner Männer sah. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinen Lippen. "Brüder, ich denke unser Gott hat uns ein einzigartiges Geschenk gemacht.", rief er laut und stieß sich mit glänzenden Augen den Bolzen in die Brust. Erschrockene Rufe wurden laut, die jedoch zu erstaunten Gemurmel wurde, als er den Bolzen wieder herauszog und sich die Wunde vor den Augen aller schloss. Triumphierend reckte Dorian den Bolzen in die Höhe. "Wir sind nun unbesiegbar!"

Never Ending Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt