Dorian umrundete mit einem amüsierten Lächeln den unscheinbaren, eisernen Tresor, der wenn es nach seinen Brüdern gänge, für die nächsten Jahrzehnte sein Heim geworden wäre. Wie naiv von ihnen zu glauben, sie könnte ihn überlisten. Er wusste ihren Plan schon lange bevor sie ihn überhaupt hatten. Er wusste, früher oder später würden sie einsehen, das es unmöglich war, ihn zu töten, und sie versuchen würden ihn weg zu sperren. Doch das es so etwas Banales sein würde, wie der klassische Tresor im Meer, enttäuschte ihn etwas. Er sah auf die Taschenuhr. Die beiden mussten jetzt bereits wieder aufgewacht sein, vielleicht waren sie sogar schon am Haus, und hatten seine kleine Nachricht die er ihnen hinterlassen hatte gefunden. Dann sollten sie bereits auf den Weg sein. Sehr gut. Er wollte nicht, das Cassian das folgende verpasste. Der Sekundenzeiger zog noch dreihundert Mal seine Kreise auf dem Ziffernblatt, ehe er endlich Schritte vernahm. "Wurde aber auch Zeit.", flüsterte Dorian zu sich selbst, ehe er die Taschenuhr weg steckte und sein Blick auf die beiden Gestalten richtete, welche soeben auf die verlassene Abflugsbahn stürmten. "Dorian, wo ist sie? Wo ist Angeline?", rief ihm Cassian schon von weitem wütend zu. Dorian streckte die Arme aus. "Brüder, schön das ihr endlich hier seid. Rechtzeitig zum großen Finale!", begrüßte er die beiden. "Wo ist Angeline, du Miskerl?", wiederholte Cassian und stümte auf Dorian zu, die Faust geballt, bereit zu zuschlagen, doch Dorian wich geschmeidig seinen Schlag aus und donnerte Cassian seinen Stock in die Magengrube, was ihn einige Meter zurück taumeln ließ. Doch dieser hatte sich schnell wieder gefasst und wollte erneut auf ihn losgehen, doch da zog Dorian wie aus dem Nichts eine Pistole aus seinem Mantel, die er auf Cassians Kopf richtete. "Ich bitte dich kleiner Bruder, zwing mich nicht dich zu erschießen, dann verpasst du bloß die große Enthüllung.", rief ihm Dorian trocken zu. Jaques war in einiger Entfernung stehen geblieben und beobachtete angespannt die Szene vor sich. "Große Enthüllung?", flüsterte Cassian fragend, ohne den Mann der eine Waffe auf seinen Kopf richtete aus den Augen zu lassen. Dorian lächelte leicht. "Ja. Die große Enthüllung, welche die Wahrheit ans Licht bringen soll. Du glaubst mir nicht, das deine kleine Freundin eine Hexe ist, du willst es nicht wahrhaben, doch nun liefer ich dir den Beweis." Cassian runzelte irritiert die Stirn. "Wovon redest du, welcher Beweis?", knurrte er wütend, doch man konnte deutlich die Angst heraus hören. Angst um Angeline. Dorian jedoch überging diese geflissentlich und sprach gelassen weiter, das wahnsinnige Funkeln war in seine Augen zurück gekehrt. "Nun ja, ich hatte keinen passenden See zur Hand, um sie dem klassischen Test zu unterziehen, daher musste ich improvisieren. Als ich dann Skizzen eures kleine Planes gefunden habe, wie ihr mich los werden wolltet, kam mir die zündende Idee." Cassian riss die Augen auf und sein Blick wanderte zu dem Tresor, der sich einsam in der ansonsten ebenen Umgebung erhob. "Angeline!", rief er und wollte zu dem eisernen Gefängnis laufen, doch Dorian gab einen Warnschuss ab, und die Kugel bohrte sich in Cassians Bein. Dieser zischte, sowohl wegen des brennenden Schmerzes als auch aus Wut, und begann damit, die Kugel aus seinem Bein heraus zu holen, während er Dorian hasserfüllt ansah, der bloß wieder mit steinerner Miene den Lauf der Waffe auf dessen Kopf richtete. "Wisst ihr, ein Mensch kann bis zu fünf Minuten ohne Luft auskommen, es dauert in etwa drei Minuten, bis der Hexe die Luft in dem Sarg der doch eigentlich für mich bestimmt war, ausgeht. Sie ist seit sechs Minuten da drinnen, also müssen wir noch mindestens zwei Minuten warten, ehe wir den Tresor öffnen, um sicher zu gehen.", meinte er ruhig, ohne eine Miene zu verziehen. "Das ist wahnsinn! Sie wird sterben!", brüllte Cassian ihn wütend an, doch Dorian zuckte bloß mit den Schultern. "Sollte ich mich in ihr wirklich geirrt haben, und sie war bloß ein Mensch der Glück hatte, das der Fluch sie verschonte, werde ich mich wohl bei dir entschuldigen müssen. Aber du wirst eine Neue finden, kleiner Bruder. Frauen gibt es wie Sand am Meer. Doch wenn sie noch lebt sobald ich diese Tür öffne, werde ich ihr keine Chance geben, dich erneut in ihre Dunkelheit zu ziehen. Dann wird sie brennen, so wie jede Hexe vor ihr." Cassian wollte eine weiteren Schritt auf den Tresor zu machen, doch Dorian entsicherte daraufhin bloß seine Waffe. "Keinen Schritt weiter, es ist noch zu früh!", rief er, nun ebenfalls wütend. "Warum tust du das nur Dorian? Aus Rache an Adriana?", fragte Cassian bitter. "Sprich niemals wieder ihren Namen aus!", knurrte Dorian wütend. Cassian sah zu ihm, Hass lag in seinen Augen. "Du denkst, sie hat dich verraten, weil sie dich verlassen hat, doch das hast du dir selbst zu zuschreiben. Es war deine Grausamkeit, die sie dazu veranlasst hat, dir den Rücken zu kehren. Nicht sie hat dich verraten, du hast sie verraten. Genauso wie du uns verraten hast, als du uns zu dem selben Schicksal verurteilt hast, das eigentlich deine Strafe sein sollte. Dieser Fluch ist alleine deine Schuld." Dorian kam drohend einen Schritt näher. "Nein, du verstehst es immer noch nicht! Ihr könnt das nicht verstehen! Keiner versteht es! Die Unsterblichkeit ist kein Fluch, der wahre Fluch ist die Liebe! Sie zerstört dich! Sie hat mich zerstört, und sie wird auch dich zerstören, Bruder." Nun sah Cassian in seinen Augen nicht mehr bloß Hass, sondern auch Trauer. Cassians Wut verrauchte urplötzlich, und wurde durch Resignation ersetzt. "Dorian, bitte, noch hat sie eine Chance, du musst doch selbst sehen, was für ein Wahnsinn das ist. Lass mich sie raus holen, und ich verspreche dir, ich werde mich dir wieder anschließen. Nur bitte, lass sie nicht sterben!", flehte Cassian Dorian an, der durch den plözlichen Stimmungsumschwung überrascht für einen kurzen Moment die Waffe senkte, um seinen Bruder nachdenklich anzusehen. Dieser nutzte Dorians Zögern um auf den Sarg zu zurennen. Jegliche Logik war beiseite gewischt, er konnte nur an Angeline denken, die in diesem eisernen Gefängnis mit dem Atem rang. Sie brauchte ihn. Er brauchte sie. Sie durfte nicht sterben. Es fehlte nur noch ein Schritt, ein einziger Schritt, und er wäre bei ihr. In diesem Moment, ertönte ein Schuss und kurz darauf spürte Cassian einen brennenden Schmerz, ausgehend von seinem Hinterkopf, in den sich Dorians Kugel tief gebohrt hatte. "Angeline.", flüsterte er leise und streckte die Hand aus um den Sarg, in dem seine Liebste im Sterben lag, zu berühren, doch da spürte er bereits die altbekannte Kälte, die sich in ihm ausbreitete. Kurz bevor die Dunkelheit ihn übermannte, hörte er einen weiteren Schuss, ehe er das Bewusstsein verlor und keinen Schritt entfernt von seiner Liebsten niedersank. Sein letzter Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, war: Er hatte versagt.
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Never Ending
Fantasy"Schon wieder Eine?" "Was hätte ich machen sollen? Sie hat mich zuerst umgebracht." "Mann, du musst endlich aufhören dich zu verlieben. Wann begreifst du endlich das du in einem Teufelskreislauf fest steckst? Du siehst ne hübsche Frau, du verliebst...