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Der Plan hatte sogar weitaus besser funktioniert, wie Cassian erwartet hatte. Er war sich sicher gewesen, das die Konversation in einen ihrer altbekannten Streits ausbräche und mindestens einer von ihnen getötet würde, doch es kam weder zu einem Streit, noch zu einem Mord. Stattdessen saßen sie nun zu sechst in der schmutzigen Lagerhalle, doch außer misstrauischen Blicken wurde noch kein Wort miteinander gewechselt. Während Dimitri Angeline immer wieder finstere Blicke zuwarf, was zur Folge hatte das Cassian ihn nicht aus den Augen ließ, waren Shawns und Luciens Blicke insbesonders auf Levin und Jaques gerichtet, welche beide allem Anschein nach darüber nachdachten, wie sie das Gespräch am besten begannen. Levin hatte es mit seinen Worten wenigstens geschafft, die drei dazu zu bewegen, ihnen zu zuhören, doch ihre Zweifel waren ihnen ins Gesicht geschrieben. Als sich die erdrückende Stille weiter in die Länge zog, ergriff endlich Shawn das Wort. "Ihr bezichtet Dorian also das Planen der Apokalypse? Und ihr wollt ihn aufhalten, einen Unsterblichen, den Mächtigsten von uns allen, aber ihr habt weder einen Plan noch eine weitere Vorgehensweise? Das klingt wie einer dieser schlechten Romane von Lucien." Sofort warf ihm Lucien einen vorwurfsvollen Blick zu. "Meine Romane sind Bestseller. Ich kann ja nichts dafür das du keinen Geschmack hast, das sieht man doch schon an deinen Gemälden.", knurrte er. Shawn sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. "Die größten Künstler wie Da Vinci, Monet, ja sogar Rembrandt sind nur durch mich so erfolgreich geworden.", konterte er. "Oh bitte, du kannst nicht ein paar Farbkleckse auf eine weiße Leinwand spritzen und das als Kunst hinstellen. Obwohl, heutzutage ist ja sogar zusammengenagelt Abfall Kunst.", meinte Lucien bloß spöttisch. "Da sieht man mal wieder, das du keinen Sinn für Ästhetik hast.", zischte Shawn beleidigt zurück. "Das ist nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt um das zu bereden.", unterbrach Dimitri die beiden genervt, ehe er sich wieder an Jaques wandte. "Also noch mal, Dorian plant wirklich die Apokalypse?" Jaques sah kurz zu Cassian der bloß mit den Schultern zuckte. "Naja, was genau er plant wissen wir nicht. Und ich denke das Wort Apokalypse ist vielleicht etwas zu radikal. Alles was wir wissen ist, dass er die Menschheit für eine Krankheit hält, welche die Erde befallen hat und es unserer Pflicht wäre, die Erde von dieser Krankheit zu heilen.", erklärte Jaques ihnen. Dimitri runzelte bloß kritisch die Stirn, doch Lucien nickte bedächtig. "In gewisser Weise mag er mit dieser Vermutung gar nicht so falsch liegen. Ich meine, wenn Menschen krank werden, bekommen sie Fieber, damit die Krankheitserreger abgetötet werden. Vielleicht versucht die Erde das auch." Jaques sah ungläubig zu ihm. "Stellst du gerade die globale Erwärmung als Untermauerung von Dorians Wahnsinn hin?", fragte er irritiert. Levin neben ihm grinste leicht. "Wenn man das so sieht, hat Dorian wohl gar nicht so unrecht." "Irgendwie verläuft diese Konversation in eine völlig falsche Richtung.", murmelte Cassian Jaques zu, der bloß hilflos mit den Schultern zuckte. Überraschenderweise war es Angeline, die daraufhin das Wort ergriff. "Ihr schiebt wirklich die Klimaerwärmung vor, um zu rechtfertigen, das ihre zahlreiche Unschuldige Leben nehmt? So wie ihr während der Kreuzzüge Gott vorgeschoben habt, um eure Taten zu rechtfertigen.", fauchte sie wütend und sofort lagen alle Blicke auf ihr. Sowohl Verwunderung als auch Zorn war in den Gesichtern der anwesenden Unsterblichen erkennbar und unwillkürlich erhob sich Cassian um sich schützend vor Angeline zu stellen, welche ihn jedoch nur zur Seite schob um weiterhin die Männer vor ihr wütend anzufunkeln. "Ja, die Menschheit hat Fehler gemacht. Große Fehler. Unverzeihliche Fehler. Doch das habt ihr auch. Das macht uns nur menschlich. Doch nur weil die Menschheit Fehler gemacht hat, heißt es noch lange nicht, dass es keine Hoffnung für sie gibt. Wir können uns ändern. Veränderung zeichnet die Menschen aus. Wir haben uns in all den Jahren verändert, haben uns weiterentwickelt, manchmal in eine bessere Richtung, manchmal in eine schlechtere Richtung. Wir haben großartiges Erschaffen, doch auch Schreckliches. Wir haben erbaut, wir haben zerstört. Wir sind nicht perfekt, wir sind mangelhaft. Genauso wie ihr es seid. Denn sagt was ihr wollt, doch auch ihr habt euch verändert. Vor so vielen Jahren, wart ihr Kreuzritter, heute seid ihr Künstler, Autoren, Ärzte, Schauspieler. Und keiner weiß was ihr in der Zukunft sein werdet. Genauso wenig wie ihr wisst, was aus der Menschheit werden wird. Die Menschen wissen nichts von eurer Existenz, weshalb sie sich nicht verteidigen können, doch ich spreche im Namen aller Menschen, die nichts Böses im Schilde führen, sondern bloß Befehle befolgen, all jene die nichts weiter wollen, als zu leben, all die Menschen die versuchen, den Planeten zu retten, eine bessere Zukunft zu schaffen, für sich und für ihre Kinder. Ihr könnt nicht einfach einen Kreuzzug gegen die Menschheit ausrufen und diese vernichten, denn damit nimmt ihr ihr die Chance, sich zu verbessern, sich weiter zu entwickeln, ihre Fehler wieder gut zu machen. Bitte, ihr müsst diesen Dorian aufhalten." Nun lag Erstaunen in den Blicken der Anwesenden, auch Cassian starrte seine Liebste Ungläubig an. "Wo ist die verängstigte Frau hin die noch vor kurzem weinend in einer Ecke kauerte?", flüsterte Dimitri zu niemanden bestimmten. Angeline sah zu ihm. "Diese Frau hat die Wahrheit erfahren. Nach allem was ich über diesen Dorian Grayson erfahren habe, würde ich seinen Kreuzzug nicht lange überleben, das heißt, wenn ihr uns nicht helft, bin ich sowieso so gut wie tot.", antwortete sie mit fester Stimme. Nun erhob sich Cassian, ging auf sie zu und küsste sie innig. Als er sich von ihr löste, sah er Erstaunen in ihren Augen, doch auch ein Lächeln auf ihrem Gesicht. "Ich werde nicht zulassen, dass Dorian gewinnt. Und wenn ich ihn dafür in einen Eisensarg ketten muss, den ich am Grunde des Bermudadreieckes versenke. Ich werde ihn aufhalten. Ich verspreche es dir."

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