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Noch während Cassian versuchte das Gehörte zu verarbeiten, kam Dorian noch einen Schritt auf ihn zu. "Komm mit mir, Bruder, gemeinsam vollbringen wir Gottes Willen. So wie damals, als wir als Ritter des heiligen Ordens die Häscher der Dunkelheit von der Erde getilgt haben." Cassian schüttelte bloß den Kopf. "Was wir damals taten, war ein Fehler. Ein Fehler, den wir nie wieder gut machen können, und für den wir immer noch büßen. Was wir taten, war ein Frevel!", widersprach er. Dorians Augen funkelten wütend auf. "Ihr tates es im Auftrag Gottes!", rief dieser laut. "Nein. Wir taten in deinem Auftrag.", zischte Cassian vorwurfsvoll. Dorian atmete tief durch. "Ich erhielt diese Befehle direkt von Gott.", gab er nun wieder ruhig und gefasst zurück. Cassian lachte abfällig. "Du erhieltest die Befehle von der Kirche.", konterte er ebenso gelassen. "Die Kirche ist Gott!", erinnerte Dorian ihn finster, doch Cassian ließ nicht locker. "Nein, Dorian, du irrst. All die Schrecken, all das Grauen, was wir im Namen der Kirche getan haben, kann nicht Gottes Wille gewesen sein. Sollte es überhaupt einen geben." Nun kehrte die Wut in Dorians Augen zurück. "Das ist Plasphemie!", rief er zornig, doch Cassian ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. "Nein, es ist die Wahrheit. Wir waren bloß zu blind um sie zu sehen. Die Kirche hat uns benutzt, du hast uns benutzt. Und nun willst du es wieder tun. Doch ohne mich." Er wollte sich abwenden, wollte Dorian stehen lassen, zurück lassen, mit seinen fanatischen Visionen der Zukunft, doch Dorian war noch nie jemand gewesen, der leicht aufgab. "Das was getan werden muss ist zumeist nicht das was man tun möchte! Du wirst deine Meinung noch ändern, kleiner Bruder. Und wenn ich dich dazu zwingen muss, von mir aus. Denkst du deine neue Menschenfreundin würde dir immer noch vertrauen, wenn sie wüsste was du bist?", rief er ihm hinterher. Cassian blieb ruckartig stehen und wirbelte herum, doch es war bereits zu spät. Wie aus dem Nichts hatte Dorian eine Waffe in der Hand, zielte und schoss einen einzigen Schuss ab. Cassian sah die Kugel, wie sie auf ihn zuflog, doch er konnte nicht ausweichen. Er spürte wie sie sich in seine Brust bohrte, direkt neben sein Herz. Volkommen verblüfft starrte er Dorian an, der leicht lächelte, die Waffe weg steckte und gemächlich umdrehte um davon zu schlendern. Dann drang Angelines Stimme an sein Ohr, die verzweifelt seinen Namen rief und im nächsten Moment spürte er ihre Hände. Während sich die Kälte von der Stelle an dem die Kugel ihn getroffen hatte ausbreitete, sank Cassian langsam auf die Knie, während Angeline versuchte ihn zu stützen. Tränen rannen ihr über das Gesicht, als sie sich vor ihn hockte, und auf ihn einredete, mit zitternder Stimme. "Nein, Cassian, bitte nicht sterben. Hilfe, so helft uns doch endlich!", rief sie, doch durch das Geschrei der anderen Menschen verlor sich ihre Stimme in dem Tumult der in der Halle herrschte. Cassian hob eine Hand um ihr über das Gesicht zu streichen, er wolle ihr sagen das alles in Ordung ist, das die Kugel sein Herz nicht getroffen hatte, doch er brachte kein Wort heraus. Er musste die Kugel entfernen. Er musste sie raus holen, solange sie drinnen war, konnte er nicht heilen. Doch er fand keine Kraft dazu. Auf einmal erschien ein zweites Gesicht über ihn. Jaques. "Verdammt Cassian, da lass ich dich für ein paar Minuten alleine und du wirst beinahe in die Luft gesprengt und danach erschossen.", murmelte Jaques seinem Freund zu, der bloß schwach mit den Schultern zuckte. "Wir brauchen einen Arzt, sofort!", rief Angeline verzweifelt, doch Jaques hielt sie zurück. Ohne eine weiteres Wort legte er Cassians Wunde frei. "Bist du etwa Arzt?", stammelte Angeline tränenüberströmt. "Besser.", knurrte dieser ehe er in Cassians Wunde hineingriff um die Kugel zu entfernen. Cassian stieß zischend die Luft aus wegen des Schmerzes, doch ansonsten blieb er völlig ruhig. Nicht so Angeline. "Bist du noch ganz bei Trost! Hör auf damit!", schrie sie ihn an und wollte ihn weg stoßen, doch Jaques hielt sie davon ab. Da ertastete er endlich die Kugel und zog sie heraus. Angeline, die bisher mit ihren Fäusten auf ihn eingeschlagen hatte, erstarrte und blickte fassungslos dabei zu, wie sich die klaffende Wunde in Cassians Brust langsam wieder schloss. Während sie noch wie erstarrt auf die nun wieder völlig heile Haut starrte, begann Jaques damit, auch die größen Trümmerteile aus Cassians Rücken zu entfernen. Keine Minute später, stand dieser auf, als wäre nichts passiert. Angeline hockte immer noch am Boden, ihr fassungsloser Blick lag auf Cassian, der kurz seinem Freund dankbar zunickte, ehe er sich vor Angeline hinkniete, die ihn nur aus großen Augen ansah. "Ich schulde dir wohl eine Erklärung.", murmelte er leise, woraufhin Angeline panisch anfing zu lachen. "Das muss dann aber eine verdammt gute Erklärung sein!"

"Sieht so aus als wärt ihr gezwungen vorerst hier zu bleiben.", murmelte Jaques und ließ sich auf eine der Kisten nieder, welche in der Lagerhalle verteilt standen. Cassian seufzte leicht. "Sieht ganz so aus. Der Flughafen ist gesperrt, der Bahnhof wird bestimmt von Dorian überwacht und ich bin mir sicher, er hat seine Spitzel bereits an die Grenzen geschickt, weswegen auch eine Flucht im Auto weg fällt.", knurrte er resigniert. Sein Blick wanderte zu Angeline, die in einiger Entfernung von ihnen stand und mit leeren Blick in die Ferne starrte. Cassian hatte sie eingeweiht, in alles. Er hat ihr von dem Fluch erzählt, von seiner Unsterblichkeit und von seiner Vergangenheit. Er wusste nicht genau, mit welcher Reaktion er gerechnet hatte, vielleicht, das sie ihm nicht glauben würde, das sie ihn anschreien würde, das sie ihn auslachen würde, doch sie hatte ihm bloß schweigend gelauscht, und als er fertig war, hat sie sich wortlos von ihm abgewandt und starrte seither mit diesem abwesenden Blick aus den Fenster der kleinen Lagerhalle, in der sich die drei vor Dorian und den Anderen versteckten. Jaques hatte Cassians Blick bemerkt und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Sie hat es den Umständen entsprechend gut aufgefasst.", murmelte er ihm zu und Cassian seufzte bitter. "Ich weiß. Genau darum geht es. Jeder andere Mensch hätte uns wohl nicht geglaubt, oder wäre schreiend davon gelaufen. Doch sie nicht." Jaques grinste leicht. "Vielleicht  sieht so die wahre Liebe aus.", versuchte er Cassian aufzuheitern, doch seine Miene verfinsterte sich bloß. "Wenn es wirklich Liebe ist, warum hat der Fluch dann keine Wirkung bei ihr?" Jaques zuckte ratlos mit den Schultern. "Das werden wir wohl nie herausfinden. Vielleicht warst du ja hartnäckig genug, dass sich Gott deiner erbarmt hat. Oder vielleicht ist sie ja wirklich eine Hexe." Ehe er zu Ende sprechen konnte war Cassian bereits mit warnenden Blick herum gewirbelt. "Sag das nochmal und ich sehe mich dazu gezwungen dich umzubringen. Wieder einmal.", drohte er Jaques der beschwichtigend die Hände hob und schwieg. Cassians Blick wanderte zurück zu Angeline. Mehr zu sich selbst flüsterte er leise: "Was ist bloß dein Geheimnis?"

Never Ending Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt