fifty-four

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Mit einem besorgten Gesichtsausdruck starrte Jeongguk auf seine Hände, welche in seinem Schoß lagen.

Er saß in einem Zimmer im Krankenhaus, neben ihm Jimin, in einem Bett liegend und schlafend.

Die letzten drei Stunden waren stressig gewesen.
Kurz zusammengefasst war der Krankenwagen eingetroffen und hatte die beiden Jungs mitgenommen.

Jeongguk musste Taehyung und Hoseok kontaktieren, so schwer es ihm auch fiel.
Von beiden wurde er bedroht.
Wenn sie von dem Blonden auch nur einmal hörten, dass Jeongguk Stress angefangen hatte, könnte er sich auf etwas gefasst machen.

Jimins Eltern kannten den Brünetten nicht und waren unglaublich besorgt, als ein Fremder bei ihnen anrief und die Silvester Pläne absagte, weil ihr Sohn mit einer schweren Lungenentzündung im Krankenhaus lag.

Ansonsten hatte der Junge niemanden.
Niemanden außer Jeongguk und ob er so glücklich darüber war, konnte der Mann nicht sagen.

"Urgh..."

Bei den Lauten hob der Brünette sofort seinen Kopf und sah zu dem Bett, in welchem sich der Patient an die Brust fasste, wo sich seine Lungen befanden.

Langsam wandte er den Kopf zu seiner Linken und weitete nach einer Weile verwirrt die Augen.

Seine dunklen, sonst so schönen braunen Augen waren glasig und leblos.
Wüsste man es nicht besser, würde man Jimin für tot erklären.

"Hey... Keine Sorge, es ist alles in Ordnung. Wie geht's dir jetzt gerade?"

Es dauerte eine Weile, bis der Junge die richtigen Worte fand.
Beim Sprechen fasste er sich an den Hals, welcher zu schmerzen schien.

Jeongguk reichte ihm ein Glas Wasser.

"Hab Schmerzen...", krächzte er schließlich.
"Mir ist heiß... W-was hab ich denn?"

Bei der Stimme des Blonden musste der Ältere sich wirklich zusammenreißen, denn ihm kamen beinahe sie Tränen.

So schwach und kraftlos hatte er Jimin noch nie sprechen hören und es tat ihm mehr weh, als es eigentlich sollte.

"Du hast eine Lungenentzündung. Idiot... Wieso bist du nicht zum Arzt gegangen? Drei Wochen sind viel zu lang für eine Erkältung, selbst im Winter."

Schwach lächelte Jeongguk dann.
"Ich hab mir fast in die Hose geschissen, als du Blut gehustet hast."

Jimin schmunzelte und sah zur Seite, seine geröteten Wangen eine Nuance dunkler werdend.

"Pff, bevor du dir meinetwegen in Hose scheißt..."

Kurz war es still.
In der Zeit verschwand das kleine Lächeln von den Lippen des Jüngeren und er lehnte sich ein wenig zurück, als wäre sein Körper nicht dazu in der Lage ihn noch länger aufrecht zu halten.

Der Brünette wurde ein wenig unruhig, denn er wusste, was gleich folgen würde.
Und da kam sie schon.

"Wieso bist du immer noch hier? Bei mir meine ich... Alle wissen, dass du nichts von mir wolltest, ich auch, also musst du es nicht mehr vorspielen."
Leise hustete er und verzog das Gesicht direkt.

"Du machst es mir nur schwerer, wieso verstehst du das nicht...?"
Ein Husten, dann folgte ein Schluchzen.

Jeongguk, der seinen Blick beschämt abgewendet hatte, sah alamiert auf.
In seinen Augen spiegelte sich der Schmerz, den Jimin zu fühlen schien.

"Zeig mir das Tattoo, welches ich mir ausgesucht hab", brach der Junge die Stille noch einmal, mit tränenerstickter Stimme.

Verdutzt sah der Ältere drein, doch zog sich seinen schwarzen Pullover über den Kopf, bevor er sich mit dem Rücken zu seinem Schützling drehte.

Tatsächlich, dass Tattoo war nicht länger schwarz-weiß, sondern bunt, in allen verschienen Farben des Regenbogens.

Erneut hörte  man ein Schluchzen, doch dieses Mal kam es von Jeongguk.

Jimin hob den Kopf, die Augen und den Mund ungläubig geöffnet.
Noch nie hatte er den Mann weinen sehen, höchstens vor Lachen aber noch nie, weil er traurig war.

"J-jeongguk...", murmelte er.

"Nein, ist schon okay, ehrlich. Ich habe kein Recht zu weinen, ich weiß das, aber es ist trotzdem schmerzhaft zu sehen, wie dumm ich die ganze Zeit war."

Ein leises Lachen kam über seine trockenen Lippen, während die Tränen über seine Wangen rollten.

"Ich habe mich die ganze Zeit an dem Gedanken festgeklammert, was für ein Arschloch ich doch sei und nicht verdiene, überhaupt irgendwann jemanden zu finden, der mich liebt.
Und siehe da, wer läuft mir über den Weg? Die einzige Person, die es mit meinem Egoismus und meiner Dummheit aufnehmen kann."

Lachend wischte Jeongguk sich über die Wangen.
"Du Trottel... Wieso musstest du dich in mich verlieben? Du machst dir alles kaputt und das einzige was du gewinnst, wenn wir in einer Beziehung wären, ist ein gebrochenes Herz."

Jimin sah den Mann an und rollte dann seufzend mit den Augen.

"Bist du jetzt fertig?"

Irritiert hob der Brünette den Kopf und sah, wie der Jüngere seine Arme ausstreckte.
"Komm her und halt die Klappe. Und ich dachte ich heule viel..."

War es dumm, Jeongguk zu verzeihen?
Ja, dass war es.

Jimin verdiente besseres, aber jeder Mensch verdiente eine zweite Chance, wenn er bereit war sich zu ändern und Jeongguk hatte dies bewiesen.
Er hatte es verdient.

Noch immer weinend krabbelte ein oberkörperfreier Jeongguk in das Krankenbett und kuschelte sich den Blonden, welcher ihn wie eine schützende Mutter in die Arme schloss.

Schon witzig.

Eine Weile saßen sie so da, in völliger Stille.

Jimin zeichnete das bunte Tattoo nach oder strich dem Mann durch die Haare, damit er sich endlich beruhigte, doch es schien so, als müsse der Ältere Jahrelang zurückgehaltene Tränen weinen.

Mit einem Mal öffnete sich die Tür des Zimmers und eine Krankenschwester trat ein, an ihrer Seite behandelnder Arzt.

Mit roten Wangen, als hätte man ihn erwischt, sah Jimin zu seinem Freund, welcher in seinen Armen eingeschlafen war und dann wieder zu den Leuten in der Tür.

Er lächelte schief, aber schämte sich keinesfalls dafür.

Wieso auch?
Nach allem was sie durch gemacht hatten, war so viel ja wohl noch erlaubt oder etwa nicht?

𝓟𝓻𝓲𝓿𝓪𝓽𝓮 𝓬𝓸𝓪𝓬𝓱𝓲𝓷𝓰 // 𝓰𝓰𝓾𝓴𝓶𝓲𝓷Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt