Bens Atem ging schwer, als er neben Noel auf die Matte fiel. Seine Lippe war aufgeplatzt und der ein oder andere Kratzer hatte sich auf seine Arme und Beine geschlichen. Doch er war zufrieden mit sich, denn sein Bruder sah mindestens doppelt so schlimm aus wie er selbst. Das Veilchen, das er Noel eben ins Gesicht geschlagen hatte, wurde jetzt schon blau und würde ihn wohl noch einige Zeit begleiten. Seit einer Woche trainierten die Männer nun Stunde um Stunde hier oder in einem geschützten Außenbereich. Noel und Bens Vater hatten ihm vieles erklärt und Zeit mit ihm verbracht, sodass Ben zugeben musste, dass er sich endlich zu Hause fühlte. Er hatte eine Familie, die er sich besser nicht hätte wünschen können. Am liebsten hätte Ben gesagt, dass seine Mutter ihm fehlte, zu deren Verbleib ihm niemand etwas verraten wollte, aber das hätte nicht gestimmt. Er kannte diese Frau nicht und er würde sie auch niemals kennen lernen. Wie sollte er sie da vermissen?
„Nächstes Mal besiege ich dich." Keuchend erhob Noel sich und hielt seinem kleinen Bruder die Hand entgegen. Grinsend packte Ben danach und ließ sich von ihm auf die Füße ziehen. Malcom stand bei ihnen und musterte die Brüder. Fragend erwiderte Ben seinen skeptischen Blick, sagte aber nichts. Noel begann zu lachen und legte seinen Arm um seinen kleinen Bruder.
„Also Malcom, was sagst du? Ist er bereit?" Ben zog eine Augenbraue nach oben und warf Noel einen Seitenblick zu, den dieser aber überging, und sich stattdessen neben Malcom stellte. Als er allerdings versuchte, seinen Ellbogen auf der Schulter seines bulligen Trainers abzulegen, schüttelte dieser ihn, ohne ihm weitere Beachtung zu schenken, einfach ab.
„Ich denke, dass er so weit ist. Seine Ausbildung war wirklich gut." Malcom warf einen missbilligenden Seitenblick auf Noel, der theatralisch die Luft einsog und seine Hände auf sein Herz legte.
„Wofür?" Mit seiner Frage zog Ben die Aufmerksamkeit der Männer wieder auf sich und während Malcom sich schweigend mit einem Nicken verabschiedete, öffnete Noel einen der schweren Eisenschränke und zog eine schwarze Weste daraus hervor.
„Bruder, heute beginnt die Arbeit." Damit reichte Noel die Weste an Ben weiter. Kaum dass er sie in der Hand hielt, zog die Schwere ihn auch schon zu Boden. Noel lachte laut auf, während Ben sich langsam wieder aufrichtete.
„Was ist denn da drin? Blei?", knurrte Ben wütend. Noel zuckte mit den Schultern, als er sich schon eine der Westen anlegte. Er warf einen kalten Blick in den Raum, der sofort fünf weitere junge Männer dazu veranlasste, sich zu ihnen zu gesellen. Ben beobachtete sie alle, während er sich ebenfalls die Weste um die Brust legte. Das Gewicht war erdrückend und doch schmiegte sich das neue Kleidungsstück direkt an seinen Körper, sodass er sich genauso frei bewegen konnte, wie er es gewohnt war. Ben schlug ein paar Mal in die Luft, machte einige Schritte zur Seite und duckte sich. Trotz des Gewichtes war seine Bewegungsfreiheit nach wie vor gegeben.
„Sie sind zum Schutz", erklärte Noel ernst, „Genau wie die hier." Er reichte seinem Bruder einen Halfter, den er sich um die Hüfte binden konnte, ebenso wie eine Waffe. Ben begutachtete das kleine Etwas, mit dem er schon seit er sieben Jahre alt gewesen war, perfekt umgehen konnte. Obwohl ihm größere Waffen schon immer lieber gewesen waren, da sie besser in der Hand lagen.
Kaum dass Ben den Halfter angelegt und die Waffe darin gesichert hatte, setzten sich Noel und die anderen Männer in Bewegung. Ben folgte ihnen aus dem Trainingsraum und dann dem Gebäude hinaus auf die Straßen der Stadt. Er schloss zu Noel an die Spitze der Gruppe auf, die im Gleichschritt in Richtung Tor gingen.
„Was ist los?" Noels Gesichtsausdruck war hart und er sah Ben nicht einmal an, als er ihm auf seine Frage antwortete. Dieser sah sich währenddessen aus den Augenwinkeln heraus um. Die Menschen wurden nervös, als die Gruppe Männer an ihnen vorbei schritt, aber trotzdem gingen sie weiter ihrem Handeln nach. Als wäre es nichts Ungewöhnliches, was hier geschah.
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Just One Touch - Nur eine Berührung
FantasyRote Augen. Als Anna diese zum ersten Mal erblickt, weiß sie, dass das Leben, wie sie es kennt, vorbei ist. Während sie bis dahin sorglos in einem der vielen Camps außerhalb der Gesellschaft leben konnte, muss sie plötzlich lernen, was das wahre Leb...