„Und wie lange brauchen wir noch, bis wir unserem vermeintlichen Tod ins Auge blicken dürfen?", fragte ich Jack und konnte es nicht verhindern, den bissigen Unterton in meiner Stimme zu vertuschen. Als Kopf der Truppe, liefen Jack und ich durch die vollen Straßen Nassaus und steuerten den Hafen der Stadt an. Auch wenn der Tag gerade erst begonnen hatte, war es nahezu unmöglich, Menschen über den Weg zu laufen, deren Verstand noch nicht vollständig vom Rum benebelt war. „Jane, fang bitte schon wieder damit an!", stöhnte Jack genervt und ließ mich empört nach Luft schnappen. „Womit denn? Wenn du mir schon nicht verrätst, was mich erwartet, dann würde ich wenigstens gerne erfahren, wann ich damit rechnen muss." Jack verdrehte zur Antwort nur die Augen und zog mich weiter durch das Getümmel. „Entschuldige, dass ich gefragt habe!" Ich klang schnippisch, doch ich scherte mich nicht darum. Nach einem kurzen Zögern von Jacks Seite erhielt ich dann doch endlich eine brauchbare Antwort, doch ich bereute im gleichen Moment gleich wieder, gefragt zu haben, als Jacks Antwort mir den Ernst der Lage bewusst machte. „Morgen. Voraussichtlich." „Morgen schon?", fragte ich entsetzt und sah mit weit offenen Augen zu Jack auf. Er schmunzelte. „Ich dachte, du hättest keine Angst." „So habe ich das nie gesagt. Ich meinte, ich würde mich der Gefahr gewachsen fühlen.", verteidigte ich mich und hob den Zeigefinger. „Und?", hackte Jack nach. „Was ‚und'?" „Und fühlst du dich der Gefahr immer noch gewachsen?" Wortlos sah ich dem Bukanier in die Augen, stöhnte frustriert auf und verschnellerte meinen Schritt.
Ich brauchte mich nicht umzusehen, um zu wissen, dass Jack ebenfalls sein Schritttempo erhöht hatte und nun langsam aber sicher zu mir aufholte. „Mutig, sich von der Truppe zu trennen und alleine in diesem Gewirr unterzugehen. Als Frau, wohlbemerkt.", hörte ich Jacks Stimme direkt hinter mir. Ich versuchte, ihn zu ignorieren. „Beschwer dich aber am Ende nicht bei mir, wenn du dich unwohl fühlst!", kam es wieder von ihm, doch jetzt lief er direkt neben mir. „Du erkennst keine Abfuhren, oder Jack?", zickte ich ihn an, als er ein weiteres Mal zu mir aufholte, nachdem ich einen zweiten verzweifelten Versuch gestartet hatte, Distanz zwischen mich und dem Piraten zu bringen. „Stimmt nicht ganz, Liebes. Ich erkenne sie sehr gut, aber ich beachte sie nicht." Aus dem Augenwinkel sah ich Jack grinsen und auch, wenn ich in dem Moment alles getan hätte, um Ruhe vor Jack zu bekommen, war seine Art auf eine verquere Art und Weise erheiternd.
Die restliche Strecke über wechselten wir keine Worte mehr, sondern steuerten zielstrebig die Black Pearl an. Die Crew hatte wieder zu Jack und mir aufgeholt und wir bildeten für die letzten Meter eine geschlossene Gruppe, so wie sie auch das Pub verlassen hatte. Der restliche Tag verlief ohne Zwischenfälle. Nachdem die Pearl vollbeladen aus dem Nassauer Hafen auslief, folgte sie dem Kurs, den Jacks Kompass anzeigte. Nach Einbruch der Dunkelheit sanken die Temperaturen drastisch ab und kühler Nieselregen fiel aufs Deck und ich verzog mich in Jacks Kajüte. Ich konnte meinen Verstand nicht dazu überreden, weiterhin Abstand zu ihm zu haben und somit gab ich nach längeren Selbstkämpfen auf. Kurz ließ ich meinen Blick durch die Kapitänskajüte schweifen, ehe ich mich erschöpft in die Koje sinken ließ. „Dafür, dass du mir vor ein paar Stunden noch eine, wie du sie nanntest, ‚Abfuhr' verpasst hast, bist du doch ganz schön schnell wieder in meiner Koje.", stellte Jack schmunzelnd fest, als er die Tür zur Kajüte aufschob und sich in den Weg stellte. Ich sah zu ihm auf und schlang die Decke enger um meinen Körper. Eine Antwort in Form von Worten erhielt er nicht von mir. Er hob abwehrend die Hände und wollte gerade mit den Worten: „Ich bin schon weg!"die Kajüte verlassen, als ich das Wort ergriff.
„Ende der Heimlichtuerei, Jack. Sag mir die Wahrheit!" Es verstrichen Sekunden, ohne dass Jack sich regte. Den Rücken zu mir gewandt, stand er da und sagte nichts, bis er sich letztendlich schwungvoll zu mir umdrehte und mich mit einer Mischung aus Zweifel und Sorge ansah. Er schloss die Augen, seufzte lautlos auf und schloss dann die Tür hinter sich, ehe er auf mich zulief und sich auf der Koje neben mir niederließ.
„Zu meiner Verteidigung muss ich ganz am Anfang klar stellen: Das was ich dir jetzt erzähle hat sich vor mehreren Jahren abgespielt, als ich noch jünger und unerfahrener war." Ich nickte und sparte mir dazu jeglichen Kommentar dazu. „Noch lange bevor ich die Black Pearl überreicht bekam und im Namen der East India Trading Company zu ihrem Captain wurde, gehörte mir ein kleines Fischerboot, die Barnacle, mit der ich auf längeren Strecken meinem Vater durch die Ozeane folgte. Eines Abends, geriet das Boot Vaters unter Beschuss eines anderen Piratenschiffes, geführt von Captain Bones." Ich unterbrach Jack. „Der Captain Bones, den du jetzt aufsuchen sollst?" Jack nickte, dann fuhr er fort. „Ich fuhr mit der Barnacle nahe genug, um meinen Vater mit meiner Crew zu unterstützen, also begann eine Art Dreierschlacht." Jack stockte und es dauerte eine kurze Zeit, bis er wieder das Wort ergriff. „Auf einen meiner Befehle hin, wurde eine ganz entscheidende Kugel abgeschossen. Sie durchdrang in einem Zug das Holz, dass die Kapitänskajüte von der Außenfassade trennte und durchwüstete die komplette Kajüte. Ich denke, dass es nicht nur bei einer Kugel geblieben ist. Jedenfalls haben die Schüsse mehr angerichtet, als ich es zu Denken vermag." Ich sag Jack fragend von der Seite an. „In der Kajüte war seine schwangere Frau." Ich nickte langsam, als sich in mir langsam eine unschöne Ahnung breit machte. „Und die ist gestorben.", beendete ich seinen Satz und erhielt dafür nur ein Nicken. "Man vermutet es." Ich zog verwirrt eine Augenbraue hoch. "Sie wurde nach dieser Schlacht nie wieder gesichtet. Es gibt mehrere Theorien, was mit ihr passiert sein soll, aber die am ehesten wahrscheinliche ist, dass sie bei der Schlacht um kam. Bones hat mir geschworen, dass er sich mit allem was sich ihm bietet an mir rächen wird, sodass ich genau den gleichen Schmerz verspüre, wie er." „Und das ist der Punkt, wo ich mit ins Spiel komme.", sagte ich leise. Wieder nickte Jack. Ich atmete einmal tief durch, rutschte aus meiner halben Sitzposition in eine liegende und kuschelte mich an Jack, der gleich einen Arm um mich legte. „Du konntest nicht wissen, was passieren wird. Du hast deinen Vater unterstützt. Dafür kann man doch wohl kaum dich verantwortlich machen, Jack.", sagte ich und schloss meine Augen.
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Über Liebe und Entscheidungen (Fluch der Karibik Fanfiktion)
Lãng mạnJane Malone, die Tochter Hector Barbossas, trifft auf Tortuga auf den Piratenkapitän Jack Sparrow. Mit der Zeit empfinden die Beiden stärke Gefühle für eineinander, die sich beide nicht ganz eingestehen wollen bzw. können. Denn Janes Vater wird dies...