Hoffnungsschimmer

734 35 4
                                    

Ich konnte nicht mehr. Ich konnte nicht mehr auf diesem Schiff sein, in der Nähe meines Vaters. Dort, wo Jack gestorben ist. Meinetwegen. Ich konnte nicht mehr weinen, nicht mehr so trauen, wie Jack es verdient hätte. Nicht mehr fühlen. Ich konnte nichts mehr. Ich saß nur noch in der Ecke und starrte die Tür an, spielte mit dem Gedanken dem ganzem ein Ende zu setzen. Überlegte, wie es sein würde, wieder bei Jack zu sein, doch ich konnte es nicht. Ich konnte mir selbst nichts antun. Nicht weil ich Angst hatte, nein. Sondern weil Jack das nicht gewollt hätte. Er ist für mich gestorben und es wäre ihm gegenüber nicht fair, wenn ich seinen Tod unnötig machen würde, indem ich nun selbst... aber genauso wenig konnte ich hier bleiben, bei Vater.

Stunden überlegte ich, was ich jetzt tun sollte. Viele Möglichkeiten gab es für mich nicht. Jetzt stand ich an Deck, mitten in der Nacht an der Reling und überdachte noch einmal meinen weniger gut durchdachten Plan. Es fühlte sich komisch an jetzt dort zu stehen, wo Jack gestern noch gestanden hatte. Wo ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Mein Blick blieb an eben jenem Punkt hängen und als ich spürte, dass ich wieder kurz vor einem Gefühlsausbruch war, wandte ich meinen Blick ab und sah aufs Meer. Es sah vielversprechend ruhig aus, gute Chancen für mich, ohne weitere Zwischenfälle an eine nahegelegene Insel zu rudern. Ich ließ noch schnell meinen Blick über das Deck schweifen, um sicher zu gehen, dass mich keiner sah und kletterte dann die Wand des Schiffes hinunter auf das kleine Beiboot, welches ich schon vorher aufs Wasser hab fallen lassen und zwar mit mehr Kraft, als erwartet. Wer hätte gedacht, dass ein kleines Boot so schwer sein kann?

Ich ließ mich auf dem Dingi nieder und griff nach den Paddeln. Durch das Fenster in der Kajüte hatte ich erst vor kurzem eine kleine Insel ausmachen können. Natürlich bestand die Gefahr, dass ich dort dem Hungertod ins Auge sehen müsste, doch das war es mir wert, Hauptsache ich kam von diesem Schiff weg und dem Mörder des Mannes, den ich...liebte. Die Decke fest um meinen Körper geschlungen begann ich in die Richtung zu rudern, wo ich die Insel vermutete, betete nebenbei, dass mein Vater nicht zwischendurch den Kurs änderte und ich nun in eine vollkommen falsche Richtung paddelte.

Zugegeben, mir war etwas mulmig zumute, bei dem Gedanken, dass ich ganz alleine, in einem mickrigem Boot sitze, mit nichts weiter, als einem kleinem Messer, welches ich aus der Kajüte meines Vaters gestohlen habe und einem mit Wasser gefülltem Flachmann, mit dem ich allerhöchstens dem Angreifer auf den Kopf hauen könnte um ihm eine Beule zu verpassen. Ich durfte nicht daran denken, was alles passieren könnte und was sich unter dem Dingi befindet, ansonsten würde ich noch glatt eine Panikattacke bekommen.

Je länger und weiter ich ruderte, desto mehr verlor ich die Hoffnung, bald auf die Insel zu treffen, die ich meinte gesehen zu haben. Doch gerade als ich aufgeben, mich einfach hinlegen wollte, um auf ein Wunder zu warten, meinte ich in der Dunkelheit leichte Umrisse einer Insel erkennen zu können. Darauf bedacht mich nicht zu ruckartig zu bewegen, drehte ich mich vollständig um und konzentrierte mich voll und ganz auf das Etwas vor mir. Ich kniff die Augen zusammen, etwas, wie ich feststellen musste, sehr unnötiges, da Augen zukneifen in der Dunkelheit so viel bringt, wie zu hoffen, die Kleidung würde im Regen trotzdem trocknen. Dennoch meinte ich wirklich eine Insel erkennen zu können. Vollgetankt mit neuer Hoffnung ruderte ich so schnell wie es mir möglich war weiter, bis ich Sand unter dem Boot spürte und sanftes Blätterrascheln vernahm. Erleichtert, wie nie zuvor stieg ich aus dem Beiboot und zog es mit an Land. Viel konnte ich nicht erkennen und ich sah ein, dass es nicht viel nützen würde jetzt in der Dunkelheit umherzuirren, also kletterte ich erneut in das Dingi, kuschelte mich in meine Decke und rollte mich auf dem Boden zusammen, glitt nach kurzer Zeit in einen traumlosen Schlaf.

Es war bestimmt schon früher Nachmittag, als ich aus meinem komaartigen Schlaf erwachte. Sofort sprang ich aus dem Boot, griff nach dem kleinen Messer und sah mich um. „Also gut, Jane. Was jetzt?", murmelte ich mir selbst zu. Jetzt hatte ich die Wahl. Entweder ich erkundige jetzt die Insel oder ich bleibe am Strand und hoffe auf Rettung. Ich brauchte nicht lange zu Überlegen und lief eine kurze Strecke am Strand entlang, als... „Was zum...? Den kenne ich doch.", flüsterte ich verwirrt und starrte auf den langen, schwarzen Fluss der mitten in den Wald der Insel führte. Konnte das sein? War es möglich, dass diese Insel hier ein und die Selbe war, auf welcher ich mit Jack war? Wo diese komische Voodoo-Priesterin lebte? Meinen ganzen Mut zusammen nehmend und zu Gott betend, schlug ich den Weg in den Wald ein, immer den Fluss entlang. Ich brauchte eine Weile, um mich an diesen nach Verwesung stinkenden Geruch zu gewöhnen, doch irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, gelang es mir wieder normal zu atmen, auch wenn ich ab und zu trotzdem noch angewidert das Gesicht verzog.

Immer tiefer hinein in den Busch folgte ich dem Fluss, in der Hoffnung bald zu den Häusern zu gelangen, wo diese Hexe, Tia Dalma, lebte. Bis vor zwei Wochen hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir weis machen wollte, ich würde jemals gezielt zu dieser Frau wollen, doch jetzt war es so. Ich suchte sie auf. Vielleicht hatte sie einen Rat für mich. Vielleicht konnte sie mir helfen, besser mit Jacks Tod umgehen zu können. Seit dem Vorfall gab es für mich nicht mehr eine Sekunde, zu der ich nicht an Jack gedacht habe. Selbst in meinen Träumen meine ich ihn zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, das auf Dauer aushalten zu können.

Mein Gedankengang wurde durch helle Lichter unterbrochen, die ich zwischen dem Dickicht ausmachen konnte. Mein Schritt wurde immer schneller, bis ich förmlich rannte. „Ich bin da. Ich hab's geschafft!", jubelte ich fröhlich, doch meine Euphorie verging sehr schnell wieder, als mir ein schwerwiegender Punkt wieder einfiel. „Wie soll ich jetzt zu ihr kommen?" Das letzte Mal, als ich mit Jack und seiner Crew hier war, waren wir mit einem Boot unterwegs gewesen und kamen so an den Steg, nur hatte ich jetzt kein Boot und nichts und niemand auf der Welt könnte mich dazu bringen durch diesen Fluss zu schwimmen. Rätselnd sah ich mich um, als ich einen sehr schmalen Pfad entlang der anderen Häuser sah, der, wie es schien, auch zu dem Haus Tia Dalmas führte. Mit äußerster Vorsicht lief ich den Pfad entlang, (Ich hatte nun wirklich keine Lust auf ein kurzes Bad), bis ich an dem Haus der Priesterin ankam. Und tatsächlich. Um das Haus entlang führte der Pfad weiter, bis an eine kleine Treppe, die ebenfalls zu dem Steg hochging.

Gedanklich jubelnd kletterte ich die Treppe hoch und öffnete langsam die quietschende Tür. Vorsichtig lugte ich mit dem Kopf hindurch und sah Tia Dalma, wie erwartet an ihrem Tisch sitzen. Mit einem breiten Grinsen, welches mich schmerzhaft an Jacks erinnerte, stand sie auf und ging auf mich zu. „Ah, Jane Malone. Ich habe dich bereits erwartet." Ich sah sie verwirrt an. „Ach echt?" Sie nickte langsam. „Also...", stotterte ich. „Wisst Ihr von Jacks..." Ich konnte es nicht aussprechen. Das Wort denken, ja, aber es sagen, nein. „Seinem Tod? Ja, davon weiß ich und deshalb habe ich dich zu mir geführt." Ich sah sie verwirrt an. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. „Ihr habt mich zu Euch geführt?" Erneut nickte sie. „Ich habe eine wichtige Nachricht für dich, Jane." Mittlerweile stand ich mitten in dem Raum und sah sie mit einer Mischung aus Neugierde und leichter Angst an.

„Jack Sparrow ist nicht tot.", flüsterte sie.

**********
So, Leute.  Das wars mit dem 1. Teil. Den lasse ich jetzt hier erstmal stehen und fange - vielleicht Pfingsten - an, hier weiterzumachen mit Teil 2.  Vielleicht auch früher, mal sehen.


Ganz, ganz liebe Grüße

Humperstumpel

Über Liebe und Entscheidungen (Fluch der Karibik Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt