Mittlerweile waren die einzigen Lichtquellen, die die große Kajüte erhellten, drei kleine Kerzen, die ich vor kurzem in dem Gemach verteilt habe und der sanfte Mondschein, der durch das Fenster, welches auf das beachtlich ruhige Meer zeigte, hineinschien. Ich stand einsam vor dem Spiegel und betrachtete mich. Blass; große, rote Augen; ein verquollenes Gesicht und getrocknete Tränenspuren auf den Wangen. Meine Haare hingen mir, vom auf dem Boden liegen, zerzaust über die Schulter. Bis spät in die Nacht hatte ich auf den kühlen Holzdielen gekniet und geweint. Ich konnte nicht fassen, was heute geschehen war, wollte es nicht wahr haben. Irgendwann war ich einfach zusammengeklappt und für kurze Zeit eingeschlafen, in der Hoffnung beim Aufwachen festzustellen, dass alles nur ein fieser Traum war. Dass ich noch immer mit Jack auf der Black Pearl war, in seinen Armen, doch dem war nicht so. Im Gegenteil. Sofort nach meinem Erwachen kamen all die Erinnerungen schmerzhafter als zuvor wieder hoch. Imaginäre Bilder spielten sich in meinem Kopf ab.
Ich sah, wie Jack an Deck stand, eine Pistole an der Schläfe. Wie mein Vater dreckig grinste, er abdrückte und Jack tot zu Boden fiel. Alleine mir dieses Szenario vorzustellen reichte aus, dass ich wieder still weinend auf dem Boden lag und meinen Blick kalt auf die Wand gerichtet hatte. Irgendwann war ich zitternd aufgestanden, entzündete die Kerzen, zog die Decke von der Koje runter und schlang sie um meine Gestalt. Nun stand ich da. Trauernd, verweint, zittrig und verängstigt. Auch, wenn sich noch ab und zu einzelne Tränen ihren Weg über meine Wange suchten, hatte ich keine Kraft mehr wirklich noch zu weinen. Als ich mich in dem Spiegel betrachtete, fiel mein Blick auf das Hemd, welches ich trug und mit einem Schlag fiel es mir ein. Es war Eines von Jack. Langsam legte ich meine Hände an den Kragen seines Hemdes und roch daran. Auch, wenn ich es lange genug getragen hatte, roch es nach Jack. Erneut die Tränen nicht zurück halten könnend zog ich seinen Duft ein, als ich plötzlich nicht mehr atmen konnte.
Ich stürzte zum Fenster, riss es auf und beugte mich raus, versuchte ruhig und kontrolliert zu atmen, doch das Gefühl, als wäre mein Hals zugeschnürt verging nicht. Meine Atmung war laut und panisch, doch nach mehrfachen Versuchen gelang es mir tief Luft zu holen. Noch immer war ich vollkommen angsterfüllt und die Tränen liefen mir in Strömen die Wangen hinunter, als ich mir noch schnell die Hand vor den Mund hielt und dann laut weinend unter dem Fenster zusammenbrach.
Ich dachte, nach dem Tod meiner Mutter würde mich nichts mehr so sehr aus der Bahn werfen, niemals wieder würde ich einen solchen Schmerz verspüren, wie nach ihrem Tod, doch das war anscheinend bloß Wunschdenken gewesen. Jacks Sterben rief in mir sogar noch intensivere Gefühle hervor, als der Verlust meiner Mom. Schniefend schlang ich die Decke noch enger um mich und versuchte mein Zittern unter Kontrolle zu bringen, auch wenn ich wusste, dass mir der Stoff dabei nicht helfen würde. Das Zittern war keinesfalls ein Zeichen des Frierens, sondern der inneren Kälte, die mich so plötzlich übermannt hat.
Leise klopfte es an der Tür. Ich hörte, wie der Schlüssel von außen in das Schlüsselloch geschoben und das Schloss mit einem lauten Kling geöffnet wurde. Ich wollte nicht wissen, wer dort war, ich wollte diese Person, egal wen, nicht sehen. Ich wollte alleine sein, für mich und in Gedanken ganz woanders. Ich zog die Beine an, stützte meine Arme darauf ab und verbarg mein Gesicht in meiner linken Armbeuge. Kurz spürte ich den kalten Durchzug als die Tür geöffnet wurde, der allerdings sehr schnell wieder mit dem Schließen des Eingangs verschwand. Schritte näherten sich mir langsam und durch die Augenwinkel konnte ich den sanften Schein einer Kerze ausmachen. Instinktiv drängte ich mich mehr in die Ecke, fester an die Wand, die Decke zog ich über mein Gesicht.
„Jane...", hörte ich eine leise dunkle Stimme. Ich konnte nicht erkennen, wessen Stimme das war. Es war mich um ehrlich zu sein auch egal. Ich wollte nur, dass diese Person wieder verschwindet und ich alleine lässt. Ich war auch kurz davor es zu sagen, als ich diese Stimme etwas sagen hörte, was meinen benebelten Verstand durchdrang. „Jane, mein Kind."
NEIN! Das konnte nicht sein Ernst sein. Wie kommt mein Vater auf die Idee, dass ich ihn jetzt sehen will, nach dem was er Jack und damit auch mir angetan hat? „Verschwinde!", sagte ich mit heiserer Stimme und vergrub mein Gesicht noch mehr. „Hör mir zu!", sagte er leise, doch ich schüttelte, für ihn fast unsichtbar, den Kopf. „Ich will nichts hören. Lass mich in Ruhe." „Jane.", setzte mein Vater erneut an und berührte mich leicht am Arm, den ich augenblicklich verschreckt zurück zog, ihn mit einer Mischung aus Wut und Trauer ansah und ihn anschrie.
„WIE KONNTEST DU? DU WUSSTEST GENAU WAS DU IN MIR HERVORRUFEN WÜRDEST; WENN DU JACK TÖTEN WÜRDEST, WAS ES FÜR MICH BEDEUTEN WÜRDE IHN ZU VERLIEREN. UND TROTZDEM HAST DU ES GETAN. WAS BIST DU FÜR EIN MENSCH, DER SO HANDELT? LASS MICH BLOß ALLEINE, ICH HASSE DICH FÜR DAS WAS DU GEMACHT HAST, ICH HASSE DICH!!!"
Dann versagte meine Stimme. Erneut liefen mir Tränen übers Gesicht, während ich meinen Vater böse anfunkelte, doch war mir bewusst, dass ich nicht unbedingt böse aussehen würde, dafür war der Schmerz, den man in meinen Augen ohne Probleme sehen konnte, zu groß. Vater beobachtete mich noch kurz, ehe er langsam aufstand und den Raum verließ. Ich sah auf dem Punkt, wo er gerade noch gekniet hatte und griff nach dem kleinen Gegenstand, der nun dort lag. Es war der Schlüssel für die Kajüte. Entweder hatte mein Vater ihn hier bloß vergessen oder hatte ihn bewusste hier gelassen, um mir den nötigen Freiraum zu geben und mir die Möglichkeit zu lassen ab- oder aufzuschließen wann ich es wollte. Langsam stand ich auf, lief mit wackligen Beinen auf die Tür zu, schloss den Raum wieder ab und lief dann im gleichen Tempo zu der Ecke zurück, um mich dort wieder zu verkriechen und mich in meiner Trauer zu verlieren.**********
Tbc...
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Über Liebe und Entscheidungen (Fluch der Karibik Fanfiktion)
RomanceJane Malone, die Tochter Hector Barbossas, trifft auf Tortuga auf den Piratenkapitän Jack Sparrow. Mit der Zeit empfinden die Beiden stärke Gefühle für eineinander, die sich beide nicht ganz eingestehen wollen bzw. können. Denn Janes Vater wird dies...