Minuten vergingen, in denen niemand sprach, ja sogar nur einen Mucks von sich gab. Irgendwann machte Jack aber den ersten Schritt, indem er mich sanft von sich drückte und zu seiner Crew sah. „Will, du weißt, was zu tun ist. Der Rest von euch, nehmt so viele Waffen, Schießpulver, Essenvorräte und Rumfässer mit, wie ihr tragen könnt. Cotton und Gibbs, schnappt euch ein paar meiner Männer und durchsucht das Schiff nach weiteren Crewmitgliedern. Kümmert euch um sie, wenn nötig. Ansonsten sperrt sie hier ein. Ich habe kein Interesse daran, dass sie Velten früher als mir lieb ist über unsere Anwesenheit informieren. Wir treffen uns an der Pearl."
Ohne zu zögern machten sich die Männer daran den Befehlen ihres Captains Folge zu leisten. Er beobachtete noch kurz das Geschehen, erhob sich dann und reichte mir seine Hand zu Hilfe. Ich stand langsam auf, wobei ich mit meinem Blick Rackham und Crich fixierte, immer noch mit der unterschwelligen Angst, sie würden einen weiteren Versuch unternehmen, mir zu Nahe zu kommen. Dass diese Angst völlig irrational war, da Jack wie ein Wachhund neben mir stand und Schutz bot, wusste ich, dennoch war sie unkontrollierbar in meinem Bewusstsein verankert.
Nur am Rande spürte ich, wie etwas schweres, leicht kratziges über meine Schultern gelegt wurde. Ich ließ von den beiden Männern, die nun - ironischer Weise - zu meinen Füßen lagen, ab und blickte zu Jack. Er war es, der mir seinen Kapitänsrock übergeworfen hat. Er hatte, im Gegensatz zu mir, bemerkt, dass ich am ganzen Körper zitterte und sich die Haare auf meinen Armen vor Kälte aufgestellt hatten. Es war erstaunlich, wie sehr man in der karibischen Sommerhitze frieren konnte, wenn man kraftlos und erschöpft war und der Schreck einen tief in den Knochen saß. Unfähig einen Ton von mir zu geben, lächelte ich Jack dankbar an, und klammerte mich unbewusst noch mehr an seine Hand, ehe er mich aus der Zelle führte, vorbei an Marty, der vollbewaffnet am Eingang wartete und aufpasste, dass sich die beiden gegnerischen Piraten nicht von der Stelle bewegten.
Jack führte mich zielstrebig durch die verzweigten Gänge und ab und zu kreuzten einige Crewmitglieder der Black Pearl unseren Weg, vollbepackt mit dem Schiffseigentum der Ankou.
„Alles erledigt, Jack. So schnell wird Bones nicht mehr auslaufen können." rief Will, kaum dass wir das Hauptdeck erreichten. Jack nickte ihm bestätigend zu, machte aber keine Pause, sondern steuerte direkt die Gangway an und zog mich mit sich, was mir sehr gelegen kam. Jede Faser meines Körpers schrie danach dieses Schiff ein für alle Mal hinter mir zu lassen und nie wieder in seine Nähe zu kommen. Ich wollte einfach nur noch auf die Pearl und mich das erste Mal seit langer Zeit wieder geborgen fühlen.
„Jack, wo ist mein Vater?" frage ich krächzend und stellte nebensächlich fest, dass meine Stimmbänder an der beständigen Kälte in der Zelle und den Schreien der vergangenen Minuten gelitten hatten. „Die ganze Zeit bei dir...zumindest in der Theorie." Fragend blickte ich zu ihm auf. „Wir haben uns aufgeteilt. Er sollte die ganze Zeit hinter Bones her fahren, während ich hier auf seine Ankunft warte. Vermutlich wartet er in sicherer Entfernung auf die weiteren Entwicklungen." Ich stoppte mitten im Schritt und starrte ihn fassungslos an.
„Das heißt, er war die ganze Zeit in der Nähe? Die Segel, die am Horizont gesichtet worden sind, waren die meines Vaters?" Jack blickte mich unberührt an und nickte. „Aye!" „Aye? Aye?? Das ist alles, was du dazu sagen kannst? Jack, ich habe da an Bord die Hölle durchgemacht. Hast du eine Ahnung, wie oft ich kurz davor war aufzugeben? Wie sehr ich gehofft habe, dass mich da endlich jemand rausholt? Mir hätte all das erspart geblieben sein können!"
Mit Bedauern stellte ich fest, dass meine Worte durch meine heisere, leise Stimme stark an Ernsthaftigkeit verloren haben. Die Nachricht kam trotzdem an. Jack wandte sich zu mir um, legte links und rechts seine Hände auf meine Oberarme und sah mir mitfühlend in die Augen.
„Ich weiß, Liebes. Das weiß ich wirklich. Aber es wäre dir in keiner Weise eine Hilfe gewesen, wenn Hector oder ich ohne System und Plan einfach auf Bones losgegangen wären. Du weist ebenso gut wie wir, dass wir keine Chance gegen ihn und seine Armada gehabt hätten und hätte er uns überwältig, wäre niemand in der Lage gewesen dich da rauszuholen. Jetzt bist du aber in Sicherheit und das ist doch das einzige, was zählt, oder?" Er sah mich eindringlich an, denn er wusste, dass er Recht hatte und, dass ich mir ebenfalls dessen bewusst war. „Aye!" sagte ich deshalb nur kleinlaut und blickte zu Boden. Auf Jacks Gesicht schlich sich wiederum sein triumphierendes Grinsen. Dann legte er einen Arm um meine Schulter und setzte den Weg zur schwarzen Galeone fort. „Das ist meine Jane!"
**********
„Captain, bei allem Respekt, wir wissen, dass vieles von Euch abhängt, aber wie lange sollen wir noch warten? Wir treiben schon seit Stunden an Ort und Stelle und langsam werden die Männer ungeduldig."
Captain Barbossa blickte zu dem jungen Seemann herab, der über genügend Mut verfügte, den Gedanken, den jeder an Bord teilte, laut auszusprechen. Unter normalen Umständen hätte er das gewagte Verhalten des Piraten nicht ungestraft gelassen, doch er wusste, dass die ereignisreichen Tage auch an den Kräften seiner Crew zerrten.
Ohne eine Antwort zu geben, griff er nach seinem Fernrohr und scannte die Umgebung ab. Trotz der Dunkelheit konnte er die Silhouetten der Marineschiffe erkennen, die einige hundert Meter weiter kurz vor der Küste bei Spanish Wells ankerten. Aus reiner Vorsichtsmaßnahme hielt er sich bisher aus dem Sichtfeld der Ankou fern, um Jack so viel Zeit einzuräumen, wie nur irgend möglich. Er wusste, dass der Plan scheitern würde, sobald Bones bemerkte, dass sie ihm dichter auf den Fersen waren, als erwartet. Dennoch wusste Barbossa, dass langsam aber sicher die Vorräte der Black Joke zunichte gingen und es unmöglich war, eine aufgebrachte, hungrige und durstige Crew unter Kontrolle zu bekommen.
„Zieht den Anker ein. Wir nähern uns Spanish Wells." rief er übers Deck und sofort kam Leben in die Crew. Barbossa hatte kurzerhand beschlossen, die Insel anzusteuern, um die Vorräte aufzustocken. Wenn seine ungefähren Berechnungen stimmten, hatte Jack mehrere Stunden Zeit gehabt, Jane von dem gegnerischen Schiff zu retten und dieses außer Gefecht zu setzen, doch um auf Nummer sicher zu gehen entschied er sich dafür sein Schiff an der Westküste der Insel anzulegen, weit entfernt vom Hafen und außer Sicht der feindlichen Piraten.
Und während sich der Zweimaster langsam in Bewegung setzte und lautlos durch die karibischen Gewässer glitt, bemerkte ein Seemann auf einem der Marineschiffe die nächtlichen Bewegungen und schlug Alarm.
DU LIEST GERADE
Über Liebe und Entscheidungen (Fluch der Karibik Fanfiktion)
RomanceJane Malone, die Tochter Hector Barbossas, trifft auf Tortuga auf den Piratenkapitän Jack Sparrow. Mit der Zeit empfinden die Beiden stärke Gefühle für eineinander, die sich beide nicht ganz eingestehen wollen bzw. können. Denn Janes Vater wird dies...