Märchenstunde

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„Wir werden den Fluss durchqueren und die Insel erkunden, was ist so schlimm daran?" fragte mich Jack, der sich verwundert zu mir umgedreht hat. „Was so schlimm daran ist? Alles! Wir kennen diese Insel nicht, wir wissen nicht, was uns erwartet, wenn wir tiefer reingehen. Da könnte alles sein." Jack sah mich nur unberührt an, ehe er sich kopfschüttelnd Gibbs zuwandte. „Wieso willst du auch nach Sonnenuntergang los? Nachts ist es doch noch gefährlicher." Hysterie schwang in meiner Stimme mit, das schien Jack zu bemerken, denn er drehte sich wieder zu mir um, sah mir eine Weile in die Augen und rief: „Wir brechen morgen früh auf. Bis dahin werden Will, Gibbs, Marty, Cotten, Lizzy und ich die Insel erkunden. Der Rest kümmert sich um die Pearl, verstanden?"

Ich konnte zustimmendes Gemurmel von einigen der Männer vernehmen, die sich schon kurze Zeit später um das Schiff kümmerten. Mein Blick fand den von Elizabeth, die mir zunickte und sich dann der Gruppe anschloss, die gleich in den Urwald der Insel verschwanden. Ich wollte erst wiedersprechen, als Jack beschloss, mich nicht in die Erkundungstour einzubeziehen, allerdings war ich auch recht froh, nicht mit zu müssen, weswegen ich es dann dabei beließ. Solange ich Abstand zu dem unheimlichen Teil der Insel hatte, war noch alles gut, doch es graute mir schon vor der morgigen Reise. Wieso will Jack mich dabei haben? Ich bin sowieso keine große Hilfe.

Ich beobachtete die Crew eine lange Zeit, doch irgendwann wurde es mir zu langweilig an einer Palme zu lehnen und nichts zu tun. Ich erhob mich und ging am Strand entlang, natürlich nicht in die Richtung, die näher zum Fluss führte. Es war schon eine ganze Weile verstrichen, als ich nach und nach einem immer stärker werdenden Geruch näher kam. Er roch modernd, wie tausend verrottende Leichen. Ich folgte dem Gestank, und als er fast unerträglich wurde stieß ich auf das andere Ende des Flusses. Er war, wie auch an der Stelle, wo wir waren, tiefschwarz, sie waren beide identisch, dennoch stank dieser Teil des Flusses bestialisch. Angewidert verzog ich das Gesicht und machte auf dem Absatz kehrt, zu unserem Lager.

Als ich bei der Crew ankam, war die Sonne schon am Untergehen und ein Paar der Männer trugen Unmengen an Feuerholz aus dem Wald. Andere standen im kniehohen Wasser, versuchten Fische auf ihre Schwerter aufzuspießen, was ihnen anscheinend nicht so gelingen sollte. Das sah so urkomisch aus, dass ich mir ein Auflachen einfach nicht verkneifen konnte. „Ihr könntet ja helfen, Püppchen!" Ich zog verwundert die Augenbrauen zusammen und drehte mich zu Pintel um, der ebenfalls vergeblich versuchte einen Fisch zu fangen. Lachend schüttelte ich den Kopf. „Tut mir leid, aber Frauen sind nur für das Kochen zuständig und nicht fürs Essen besorgen." Ich schenkte ihm noch ein letztes Zwinkern, als ich mich langsam von ihm entfernte. Eigentlich bin ich ja für die Trennung Mann, Frau nicht zu haben, aber wenn es mir Vorteile erbringt, so wie, dass ich mich nicht vor aller Welt lächerlich machen muss, weil ich keinen blöden Fisch zu fassen kriege, ziehe ich schon meinen Nutzen aus dem typischen Klischee.

Ich setzte mich wieder an die Palme, an der ich auch vor einigen Stunden gesessen habe und beobachtete den Sonnenuntergang. Früher hatte ich dazu nie die Möglichkeit gehabt, weil ich schon auf dem Weg zum Pub sein musste, wenn die Sonne begann unterzugehen. Immer wieder kamen Piraten an mir vorbei, die mit Holz oder Früchten bepackt waren, die sie im Wald fanden. Bis jetzt kann ich nicht nachvollziehen, wie sie da so einfach rein- und rausgehen konnten. Ich würde sterben vor Angst, so viel ist sicher.

Fast zwei Stunden später, saß ich mit der Crew in einem Kreis um das frisch entzündete Feuer herum und lauschte den Seeräubergeschichten, die die Männer in den vergangenen Jahren aufgeschnappt hatten und jetzt weiter erzählten. „Ihr kennt doch bestimmt alle die Geschichte des Piraten Klaus Störtebeker!" begann Ragetti. Einige schüttelten den Kopf, darunter auch ich. „Es heißt, er solle nach seiner Enthauptung noch gelaufen sein." Entsetztes Gemurmel setzte ein. „Vor über 200 Jahren, soll man ihn und seine 73 Kameraden gefasst haben. Er habe angeblich mit dem Richter ausgemacht, dass die Piraten, an denen er NACH seiner Enthauptung noch vorbei ging, frei sein sollten. Und tatsächlich sei er –ohne Kopf- noch an 11 seiner Leute vorbei gegangen sein, bis der Richter ihm den Richtblock vor die Füße geworfen hat." Da setzte Pintel ein. „Und was ist mit seinen Kameraden passiert?" fragte er unsicher. Ragetti zuckte mit den Schultern. „Sie sind ebenfalls hingerichtet worden. Das nenne ich Ironie des Schicksales." Pintel nickte betrübt.

„Glaubt ihr, es könnte stimmen?" Meine Stimme war nur noch ein Flüstern, genau wie die von Ragetti, als er erwiderte: „Es wäre gut möglich, genauso, wie die Legende, des mächtigen Black Beards, dass er enthauptet worden war und sein Körper dennoch dreimal um sein Schiff schwamm und wieder zurück an Bord kletterte. Oh Gott, werden etwa alle Piraten geköpft? Ich schlang meine Arme um die Beine und legte mein Kinn auf sie. Ich beobachtete das Feuer und lauschte dem Meer, die Diskussionen der Crew um Wahrheit oder Legende, blendete ich aus.

Plötzlich hörte ich ein lautes Rascheln, aus dem Gebüsch hinter mir. Ich wirbelte herum. „Habt ihr das gehört?" fragte ich kleinlaut. Sofort stand ein großer Mann neben mir. „Ja!" flüsterte dieser. Er zog seinen Säbel und ging langsam in die Richtung, aus welcher wir alle die Geräusche hörten. Zum Ersten Mal, seit ich auf dieser Reise war, wünschte ich mir eine Waffe herbei. Ein Säbel, eine Pistole, ein Stein, sogar eine Rumflasche, keine Ahnung irgendetwas halt. Dieser Wunsch wurde mir leider nicht erfüllt und somit fühlte ich mich unbeschützt und hilfloser denn je.

Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich erst Elizabeth, dann Will und dann den Rest der Truppe wieder erkannte, die gerade aus dem Gebüsch schlüpften. „Mensch, habt ihr uns erschreckt. Könnt ihr euch mal bitte das nächste Mal anmelden?" fragte ich lachend. Ich setzte mich entspannt wieder hin und kurze Zeit später saßen wir alle wieder im Kreis zusammen und diesmal war es Gibbs, der uns von unglaublichen Abenteuern von den verschiedensten Piraten erzählte. In dieser Zeit fiel mein Blick öfters auf Jack, der weiter entfernt von mir saß und sofort musste ich mich fragen:

Stimmten die ganzen Legenden über ihn? War er es gewesen, der den Hafen von Nassau geplündert hat, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern? Ist er die Legende, von der immer alle erzählen?

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Tbc...

Ich hoffe, dieses Kapitel hat euch gefallen. Morgen geht dann die Reise durch das unbekannte Gebiet los ;)Bis zum nächsten Mal,Ganz liebe Grüße, Humperstumpel






Über Liebe und Entscheidungen (Fluch der Karibik Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt