Auf den Fersen

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„Was hast du vor Jack? Was bringen uns Seemänner, die ihre besten Jahre schon hinter sich haben und vermutlich einen Kochlöffel gekonnter schwingen als einen Säbel?" Gibbs heftete sich an die Ferse seines Captains, der sich eiligen Schrittes auf dem Weg zu der Bucht machte, in der seine geliebte schwarze Galeone, geschützt vor den neugierigen Blicken der Inselbewohner, vor Anker lag. Er warf nur einen kurzen Blick über die Schulter, eher er antwortete: „Du hast Bones Armada gesehen. Auch wenn er und seine Anhänger geschwächt sind, sind wir es noch viel mehr. Selbst wenn die Pearl und die Crew nicht angeschlagen wären, würde ich mich nicht mit denen anlegen wollen. Wir müssen und jetzt mit allem was wir kriegen können zufrieden geben." „Und trotzdem haben wir keine Chance!" meldete sich Will zu Wort, der gerade zu dem Bukanier aufschloss. Jack verdrehte die Augen und murmelte etwas vor sich hin, von dem seine Kameraden lediglich die Worte ‚Welpe' und ‚Eunuch' erahnen konnten, würdigte seinem Freund aber keines Blickes.
Will, der erkannte, dass mit Jack nicht zu reden war, gesellte sich neben Gibbs, der alleinig mit einem Schulterzucken auf die Sturheit seines Captains reagierte.
„Ich verstehe Jack nicht. Er muss doch wissen, dass es an reinen Selbstmord grenzt sich auf einen Kampf mit Bones und seiner Flotte einzulassen." sagte Will an den ersten Maat gewandt und ließ seinen Blick über die Piraten gleiten, die hinter Jack her trotteten. Ihre Gesichter waren unter der Sonnenbräune aschfahl und dunkle Augenringe machten bei jedem einzelnen die Müdigkeit sichtbar. Auch ihre Kräfte waren durch die vergangenen Tage in Mitleidenschaft gezogen worden und man musste keine Kampferfahrungen haben, um deutlich zu erkennen, dass von diesen Männer - so sehr sie auch hinter ihrem Captain und Freund standen - keine Höchstleistungen zu erwarten waren.
„Aye!" kam es zögerlich von Gibbs, der selbst an Jacks Plan zweifelte. Er kannte den Freibeuter aber lange genug, um zu wissen, dass es Jack nicht um die reine Kampfverstärkung gehen konnte. „Irgendwas geht in Jacks Kopf vor und ich fürchte, dass wir nicht im Vorraus erfahren werden, was es ist."
Als der Trupp in der Bucht ankam herrschte schon reges Treiben auf der Black Pearl. Die zweite Gruppe, die Jack zum Vorräte aufstocken geschickt hat, war wenige Minuten vor den anderen in der Bucht angekommen und hatte begonnen die Errungenschaften einzuladen. Duncan stand vor der Gangway und kontrollierte die Ladungen auf ihre Vollständigkeit, als er Jacks Ankunft bemerkte. „Captain, wir haben die Lebensmittel so weit aufgestockt, dass sie für die nächsten 4-6 Wochen reichen müssten. Die Waffen waren eher knapp bemessen, wir konnten uns aber gut zwei Duzend Steinkugeln und ein Duzend Kettenkugeln sichern. Das war das einzige, was man hier finden konnte."
Jack verzog das Gesicht zu einer Grimasse, bei der die Anwesenden allerdings nicht deuten konnte, ob sie der eher negativen Nachricht galt oder seine Reaktion auf den vorbeiziehenden Gestank war, als zwei Piraten mit jeweils einer Ziege auf dem Arm an der Gruppe vorbeigingen.
Gibbs beobachtete Jack und wusste genau, was ihm zu schaffen machte. Drei Duzend Kanonenkugeln reichten - mit Glück - gerade aus um ein Schiff zu versenken und nicht im entferntesten um gegen die Ankou und die vier weiteren Marineschiffe anzukommen. „Josh, kümmere dich um die Schiffskasse und ihr anderen...versucht aus der Pearl so viel rauszuholen wie möglich. Marty, Cotton, Crimp, in zwei Stunden sind das Haupt- und Besansegel gestopft! Holt euch von den anderen Landratten da Hilfe, wenn nötig. Moises, Tearlach und Ladbroc, seht zu, dass ihr den Großmast wieder stabilisiert bekommt und das Großsegel neu hisst. Wenn es so auf halb acht hängt kostet uns das zwei oder drei Knoten. Mein Mädchen muss zur Höchstgeschwindigkeit im Stande sein, das ist unser größter und einziger Vorteil. Will, hilf den Dreien, mit der Takelage. Duncan, mach eine Bestandsaufnahme des Schiffszubehörs, wenn du hier fertig bist! Und Sweepy, gib einige Rationen des Frischwasservorrates aus. Wir können keine dehydrierten Männer an Bord gebrauchen."
Zustimmendes Gemurmel war die Antwort auf Jacks befehle, als sich alle daran machten den Anweisungen des Captains so schnell wie möglich nachzukommen. Der Piratenkapitän selbst vergewisserte sich nur kurz, dass alles nach seinen Wünschen verlief, ehe er sich abwandte und in seiner Kajüte verschwand.

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„Captain, unsere Vorräte werden langsam knapp und die Männer ungeduldig. Ich denke, es wird höchste Zeit, dass wir einen Hafen ansteuern."
George Rackham, der erste Maat der Ankou und einziger Vertrauter Velten Bones' stand mit verschränkten Händen vor seinem Captain, der mit dem Rücken zu ihm gewandt in seiner Kajüte stand und auf die Karten blickte, die auf dem Schreibtisch ausgebreitet waren.
Einen nach dem anderen ging er die einzelnen Häfen im erreichbaren Umkreis durch und wog die Vor- und Nachteile ab. Seine Anlegemöglichkeiten waren (anders als die von Sparrows, wovon Bones aber nichts wusste) mehr als begrenzt, denn auch, wenn er der Letzte war, der vor der Royal Navy Halt machte, wusste er, dass er momentan nicht in der Lage wäre, gegen eine ganze Armada von voll aufgerüsteten Marineschiffen zu kämpfen. Damit dezimierte sich die Zahl der möglichen Häfen auf ein auf ein Minimum und ließ nur noch zwei Orte zur Auswahl. „Was ist mit den Segeln, die heute gesichtet wurden?" fragte er an seinen ersten Maat gerichtet, ohne aufzusehen. „Sie gehörten nicht zu Sparrow, falls Ihr das wissen wolltet, Captain. Da es seitdem keine weiteren Sichtungen mehr gab, gehen wir davon aus, dass wir sie abgehängt haben."
Bones nickte, ging noch einmal alle Möglichkeiten durch und wandte sich dann von den Karten ab. „Wir steuern Spanish Wells an. Der Großhafen dort ist die günstigste Gelegenheit zum Mobilisieren des Schiffes. Ich brauche ein Gutachten der Ankou und eine Bedarfsliste! Wir haben noch einige Stunden Vorsprung und die müssen wir nutzen. Signalisier der Flotte, dass wir in den nächsten Stunden anlegen werden, auch sie sollen sich vorbereiten und strukturiert bei den Aufrüstungen vorgehen. Wir können uns keine Zeitverluste erlauben." Rackham nickte. „Aye, Captain!", und verließ die Kajüte.
Bones schritt zum Fenster und kontrollierte den Seegang. Der Wind hatte sich vor Stunden gedreht und mehr Geschwindigkeit aus den Segeln genommen als es dem Piraten recht war. Er wusste nur zu gut, dass die Black Pearl nicht grundlos als schnellstes Schiff in der Karibik galt und spürte, dass der Sparrow ihm auf den Fersen war. Ebenso gut wusste er aber auch, dass die schwarze Galeone beim letzten Kampf ordentlich hat einstecken müssen, wodurch er sich sicher war, dass Jack diesen Vorteil nicht ausschöpfen konnte. Um die volle Geschwindigkeit der Black Pearl rauszuholen brauchte es mehr, als eine provisorische Reparatur, die in der Eile auf hoher See durchgeführt wurde und dadurch konnte Bones sich sicher sein, dass Jack noch viele Seemeilen hinter ihm war.
Er wusste nicht, wie falsch er damit lag.

Über Liebe und Entscheidungen (Fluch der Karibik Fanfiktion)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt